Erst die Hälfte aller Automobilhersteller weltweit bietet vernetzte Dienste an

Softwarebasierte Funktionen und Services werden einer aktuellen Studie des Capgemini Research Institute zufolge bis 2031 einen Marktwert von 640 Milliarden US-Dollar erreichen. [...]

Peter Fintl, Director Technology & Innovation bei Capgemini in Österreich und Central Europe (c) Capgemini
Peter Fintl, Director Technology & Innovation bei Capgemini in Österreich und Central Europe (c) Capgemini

Durch die Differenzierung mit einzigartigen softwarebasierten Funktionen und Diensten werden führende Automobilhersteller (OEMs) einen um 9 Prozent höheren Marktanteil erzielen als ihre Wettbewerber. Die softwaregetriebene Transformation wird zudem dazu führen, dass sie in den nächsten fünf Jahren Produktivitätssteigerungen um bis zu 40 Prozent, Kostensenkungen um 37 Prozent und eine Verbesserung der Kundenzufriedenheit um 23 Prozent realisieren können. Trotz all dieser Vorteile bietet rund die Hälfte (45 Prozent) der OEMs derzeit noch keine vernetzten Dienste an, und nur 13 Prozent monetarisieren eben diese Dienste eigenhändig. Dies geht aus der aktuellen Studie des Capgemini Research Institute hervor, für die weltweit 572 Führungskräfte von Automobilherstellern befragt wurden.

Die Studie „Next Destination: Software – How Automotive OEMs can use the Potential of Software-Driven Transformation“ zeigt, dass die Hälfte der OEMs (51 Prozent) in den nächsten fünf bis zehn Jahren erwartet, bei der Bereitstellung von Softwarefunktionen als erfolgreich wahrgenommen zu werden. Dazu gehören Advanced Driver Assistance Systems (ADAS), ebenso wie autonomes Fahren, Konnektivität und andere Services. Diese Aspekte werden neben ihrer führenden Position im Automobilbau zum zentralen Wettbewerbsfaktor. Darüber hinaus wird erwartet, dass der Anteil der Fahrzeuge pro OEM, die auf einer einheitlichen, gemeinsamen Softwareplattform betrieben werden, im Durchschnitt von 7 Prozent im Jahr 2021 auf 35 Prozent im Jahr 2031 steigen wird.

Allerdings bleibt der Studie zufolge der Reifegrad in Schlüsselbereichen gering. Die meisten OEMs (71 Prozent) befinden sich in der Anfangsphase ihrer softwaregetriebenen Transformation und haben bis dato lediglich Anwendungsbereiche identifiziert. Nur 28 Prozent haben ein Pilotprojekt oder einen Proof of Concept basierend auf Anwendungsfällen implementiert, um die Transformation in bestimmten Bereichen voranzutreiben, die chinesischen Hersteller sind allerdings schon bei 63 Prozent. Die Studie zeigt, dass nur 15 Prozent der OEMs als „Vorreiter“ bei der erfolgreichen Transformation gelten, da nur sie den notwendigen Reifegrad zur Implementierung einer softwaregetriebenen Transformation vorweisen. Der Erfolg erfordert besondere Fähigkeiten, aber auch konkrete Zielvorgaben sowie die Beherrschung technologischer Trends. Die Vorreiter unter den OEMs gehen davon aus, dass der durch Software erzielte Umsatz bis 2031 28 Prozent ihres Gesamtumsatzes ausmachen wird.

Softwaregetriebene Transformation erfordert eine robuste Systemarchitektur, Ökosysteme und strategische Technologiepartnerschaften

Um die Vorteile von Software zu nutzen und sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, müssen OEMs Legacy-Architekturen hinter sich lassen. Derzeit nutzen 93 Prozent der OEMs eine traditionelle Fahrzeugarchitektur, während nur 13 Prozent planen, die eng integrierte Bereitstellung der Hardware- und Softwarearchitektur zu entkoppeln.

Dies führt zu ineffizienten Verfahren für die Nutzung von Over-the-Air (OTA)-Softwareupdates und kann das Innovationstempo der OEMs verringern. Wie die Capgemini-Studie zeigt, erwarten Automobilmanager, dass sich der Anteil neuer Fahrzeuge, die vernetzte Dienste und OTA-Updates unterstützen, in den nächsten fünf Jahren von 11 Prozent auf 36 Prozent verdreifachen wird. Allerdings bieten nur 4 Prozent der OEMs derzeit OTA-Updates an, was darauf hindeutet, dass sie ihre Bemühungen intensivieren müssen, um vom Wachstumstrend zu profitieren.

OEMs müssen strategische Partnerschaften mit Software- und Technologiedienstleistern eingehen, um einen Mehrwert entlang der Wertschöpfungskette von Automobilsoftware zu schaffen. Dazu benötigen sie eine tragfähige Strategie für ihre Ökosysteme. Es gilt, effektiv Partnerschaften einzugehen und zu skalieren sowie die Standardisierung der Architektur wie auch die Erfassung, Nutzung, Besitz und Verarbeitung von Fahrzeug- und Verbraucherdaten voranzutreiben.

Datenbesitz und Cybersicherheit sind weiterhin Herausforderungen

Dateneigentum und Cybersicherheit bleiben kritische Punkte: Rund die Hälfte der OEMs hat damit zu kämpfen, Daten zu sammeln und daraus verwertbare Erkenntnisse abzuleiten. Weniger als 10 Prozent glauben, dass sie gut vorbereitet sind, Cybersicherheitsmaßnahmen umzusetzen und 60 Prozent haben Schwierigkeiten, sicherzustellen, dass die Produkte von Zulieferern den Sicherheits- und Cybersicherheitsvorschriften entsprechen. Verschiedene durch Software ermöglichte Datendomänen haben das Potenzial, der automobilen Wertschöpfungskette „Intelligenz“ hinzuzufügen, dennoch sammelt oder analysiert fast die Hälfte (47 Prozent) der OEMs keine Fahrzeugdaten.

Die Studie zeigt, dass sich OEMs auf die Optimierung und Monetarisierung von Sicherheitsservices konzentrieren sollten, da die Kunden diese Lösungen wünschen und bereit sind, dafür zu zahlen.

Die Weiterbildung der Mitarbeiter ist wesentlich, um das volle Potenzial auszuschöpfen

Da sich die Kundenbedürfnisse ändern, müssen OEMs einen Großteil ihrer bestehenden Belegschaft im Bereich der Softwarekenntnisse sowie neuen Arbeitsweisen weiterbilden. Derzeit sind OEMs mit einer Kompetenzlücke von 40 bis 60 Prozent in Bereichen wie Softwarearchitektur, Expertise im Cloud Management und Cybersicherheit konfrontiert, gleichzeitig besteht ein wachsender Bedarf an softwarebezogenen Kompetenzen in der Branche. 97 Prozent der befragten Führungskräfte glauben, dass innerhalb der nächsten fünf Jahre bis zu 40 Prozent ihrer Talente intern über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen sollten, um eine softwaregetriebene Transformation durchzuführen. Um das volle Potenzial genau dieser Transformation auszuschöpfen, müssen OEMs ihre Aufmerksamkeit auf neue Kompetenzen richten, die bestehende Kultur abstreifen, ihre Prozesse rund um Software neu definieren und neue Talente gewinnen.

Peter Fintl, Director Technology & Innovation bei Capgemini in Österreich und Central Europe, sagt: „Software definiert Mobilität neu und verändert die gesamte automobile Wertschöpfungskette. Der Wettbewerb um Innovation und Wachstum findet zweifellos im Fahrzeug statt. Für Automobilhersteller gilt es, innerhalb des Unternehmens eine Kultur der Agilität und Zusammenarbeit zu schaffen. Die neue Automobilära geht weit über das Fahrzeug hinaus und erschließt neue Differenzierungsmöglichkeiten und neue Fertigungsmethoden sowie Potenziale im Geschäftsmodell. OEMs, die ihr Geschäft erfolgreich ausbauen und das Unternehmen zukunftssicher machen wollen, müssen eine globalere Perspektive einnehmen – und dabei ebenso viel Aufmerksamkeit auf ihr internes Betriebsmodell wie auch auf Softwareentwicklungen legen.“

Die Studie bietet einen Sechs-Punkte-Plan, der OEMs dabei unterstützt, das volle Potenzial ihrer softwaregetriebenen Transformation auszuschöpfen:

  • Aufbau einer softwareorientierten Vision und Strategie für das Unternehmen
  • Nutzung von Software-Toolketten und agile Methodiken, um eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Organisationseinheiten zu fördern
  • Aufbau langfristiger, strategischer Partnerschaften mit Software-, Technologie- und Serviceanbietern für wichtige Softwaretrends
  • Streben nach Softwareexzellenz durch Aufbau und Bindung von Softwareexperten
  • Nutzung der Macht der Daten, um intelligente Fahrzeuge, intelligente Fertigung und intelligente Dienste zu ermöglichen
  • Definition eines klaren Fahrplans für eine standardisierte Fahrzeugsoftwarearchitektur der nächsten Generation

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