Drei von vier EU-Bürgern haben laut der EU-Kommission keinen 4G-/LTE-Netzzugang an ihrem Wohnort, auf dem Land gäbe es praktisch überhaupt keinen Zugang zur Mobilfunktechnik der 4. Generation. Dagegen könnten in den USA über 90 Prozent der Bevölkerung 4G-Netze nutzen. Vizepräsidentin Neelie Kroes ist außerdem mit ihrem eigenen Handyempfang unzufrieden. [...]
Die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission Neelie Kroes ist unzufrieden: „Ich bin auf der Seite der Bürger, der Steuerzahler und der Wähler, die einfach nur mit ihren Smartphones oder Tablets arbeiten wollen. Es ist frustrierend, wenn mein Telefon mitten in Brüssel den Dienst verweigert, weil wir hier nur 3G haben. Und Millionen andere nervt das jeden Tag genauso wie mich.“
Laut EU-Kommission haben Zypern, Irland, Malta überhaupt kein 4G-Netz, bislang seien nur Deutschland, Estland und Schweden beim 4G-Ausbau vorangekommen – und in ländlichen Gebieten der EU gäbe es praktisch überhaupt keine 4G-Netze. Europa habe kaum fünf Prozent der weltweiten 4G-Verbindungen und 4G-Nutzer vorzuweisen. „Das ist volkswirtschaftlich nicht vertretbar. Außerdem bedeutet es, dass Europäer in ländlichen Gebieten, aber auch Urlauber, wie Bürger zweiter Klasse behandelt werden“, so Kroes weiter. „Egal wo Sie sich gerade aufhalten – Sie bezahlen schließlich für Ihre Smartphones und Mobilfunkverträge, und dann sollten sie auch gut funktionieren.“
Kroes malt ein düsteres Zukunftsszenario: „Die Netze in der EU stehen am Rande des Zusammenbruchs. Der weltweite Mobilfunkverkehr wird voraussichtlich um 66 Prozent pro Jahr zunehmen. Internetfähige Mobiltelefone sind überall, und die Leute wollen damit auch Videos anschauen. Werden nicht bald mehr Funkfrequenzen zur Verfügung gestellt, dann werden die Netze zusammenbrechen.“
KEINE MÖGLICHKEIT FÜR EU-WEITE STRATEGIE
Damit zeigt Kroes einmal mehr ihre Unzufriedenheit mit dem Fortschritt in der Freigabe des 800-MHz-Bands für drahtlose Breitbanddienste, bei der fast ganz Europa in Verzug ist – kürzlich mussten die bereits festgesetzten Fristen verschoben werden. Außerdem stehe den Mobilfunkbetreibern, nachdem sie sich die Nutzungsrechte in Frequenzversteigerungen gesichert haben, nur wenig Geld für den eigentlichen Netzausbau zur Verfügung. Auch angesichts der Fragmentierung in 28 nationale Märkte führt dies laut der EU-Kommission letztlich dazu, dass die Mobilfunkbetreiber „gar keine reale Möglichkeit haben, eine EU-weite Mobilfunkstrategie zu verfolgen“.
Im Durchschnitt seien die Frequenznutzungsrechte in der EU fast viermal so teuer wie in den USA. Wenn ein Land die Unternehmen bei Frequenzversteigerungen zu sehr zur Kasse bittet, schade das letztlich der eigenen Wirtschaft, denn hohe Auktionspreise bedeuten laut einer EU-Studie, dass die Unternehmen die hohen, für den Netzausbau erforderlichen Investitionen von 27 Milliarden Euro dann nicht mehr aufbringen können. Der verzögerte Netzausbau (Infrastrukturinvestitionen sind in den letzten Jahren rückläufig) wiederum bremst laut EU-Kommission die Wirtschaftstätigkeit, und es entfallen Steuereinnahmen, die sonst aus solchen neuen Tätigkeiten in die Staatskassen fließen würden.
Die Unternehmen litten unter zu viel Wettbewerb und die Politik müsse der Branche Freiraum für eine Auslese geben, verlangte auch der Vorsitzende des Branchenverbandes GSMA, Telecom-Italia-Chef Franco Bernabè, beim letzten Mobile World Congress in Barcelona. Laut den Marktforschern von Arthur D. Little stehen die Mobilfunkanbieter zudem trotz der Einführung von LTE in den nächsten drei Jahren vor einer Durststrecke. Zwar würde demnach der Datenverkehr mit LTE europaweit und damit auch die Umsätze in diesem Segment wachsen, dennoch sei es unwahrscheinlich, dass die Unternehmen langfristig höhere Preise für LTE-Dienstleistungen durchsetzen können, um damit die Erosion der Tarife aufzufangen.(pi/rnf)
Be the first to comment