Europäische Toleranzgespräche 2020: Wege aus der digitalen Sklaverei

Die digitalisierte Gesellschaft sucht Auswege aus der profitgetriebenen Abhängigkeit - mit Umweltzerstörung, Klimawandel und globalen Migrationsströmen als Folgen. Welche Optionen Europa dabei hat, diskutieren internationale Philosophen und Wissenschafter bei den 6. Europäischen Toleranzgesprächen, die vom 27. bis 30. Mai im Kärntner Bergdorf Fresach stattfinden. [...]

Der Kuratoriumsvorsitzende der Europäischen Toleranzgespräche Hannes Swoboda erläuterte bei einem Pressegespräch in der Wiener Oberbank die Beweggründe für das Programm 2020.
Der Kuratoriumsvorsitzende der Europäischen Toleranzgespräche Hannes Swoboda erläuterte bei einem Pressegespräch in der Wiener Oberbank die Beweggründe für das Programm 2020. (c) Fotodienst / Anna Rauchenberger

„Exodus – Auszug aus dem Vertrauten“ beziehungsweise „Aufbruch in eine neue Freiheit“ ist das Motto der Toleranzgespräche 2020, und dass es in diesem Jahr wieder kontroversielle Gespräche werden, dafür sorgen über 40 Autorinnen und Autoren, Wissenschafterinnen und Wissenschafter, Ökonomen, Trendforscher, Dichter und Denker, die in der Woche vor Pfingsten in Kärnten erwartet werden. Das Programm besteht aus einem Jugendforum und einem internationalen Tourismusforum in Villach (27. Mai), dem Toleranzforum mit Bürgerdialog in Fresach (28. Mai) und dem Wirtschaftsforum (29. Mai) sowie erstmals Kuchl- und Kamingesprächen, die zur Vertiefung von Gedanken und dem besseren Kennenlernen von Experten beitragen sollen.

„Die Gespräche im Forum und in den teilnehmenden Häusern sollen Mut machen, die Wanderungen zum Denken anregen. Wir werden uns mit der Frage auseinandersetzen, was Europa dazu beitragen kann, um die umweltbedingten und sozialen Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen“, erklärte der Präsident des Kuratoriums der Europäischen Toleranzgespräche, Hannes Swoboda, bei der Programmvorstellung am Donnerstag abend in der Oberbank Wien. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern beschwörte Swoboda die Kraft der Innovation und den Willen zur positiven Veränderung und Diversität, durch die gerade Europa in der Vergangenheit Großes bewirkt habe. 

Chance für radikales Umdenken

Laut Swoboda werden zwei ganz große Themenkomplexe Politik und Gesellschaft, Europa und seine Mitgliedstaaten in den nächsten Jahren beschäftigen, nämlich Klimawandel und Migration. Beide bergen ausreichend Sprengstoff für neue Konflikte, aber auch unglaubliche Chancen für ein radikales Umdenken unserer auf Industrie und Wohlstand aufgebauten Gesellschaft. Da sind neue Ideen, Konzepte und politische Ansätze gefragt. „Solche brauchen wir für die Neugestaltung Europas, aber auch für unsere Beziehungen zu jenen Nachbarn, die von Ausbeutung und Krieg betroffen sind“, sagte Swoboda. 

Das Motiv der Europäischen Toleranzgespräche 2020 – der Exodus – sei dabei als Chance und Wahlmöglichkeit zu verstehen, gab der ehemalige Europaparlamentsabgeordnete und Listenführer der Sozialdemokraten zu bedenken. „Der Auszug aus Ägypten war für Israeliten ja ein Abschütteln der Sklaverei und ein Aufbruch in eine neue Zukunft. Genau das ist für uns, für Europa, für die demokratische Welt ein ständiger Auftrag, denn nichts ist schlimmer als das Verharren und Erstarren in alten Konventionen.“ 

Ernst Ulrich von Weizsäcker eröffnet

Für die #ETG20 haben die Organisatoren eine Reihe herausragender Persönlichkeiten gewonnen. Die Eröffnungsrede hält der Umweltwissenschafter und Club-of-Rome-Ehrenpräsident Ernst Ulrich von Weizsäcker. Die Industrie wird durch Magna-Europe-Chef Günther Apfalter vertreten sein, die Trendforschung und Managementberatung durch Patrick D. Cowden, Stefan Bergsmann und Herbert Unterköfler. Die Tourismuswirtschaft wird von Reisephilosoph Klaus Kufeld und Evolutionsbiologin Elisabeth Oberzaucher Tipps erhalten, die beinamputierte Extremsportlerin Christina Wechsel wird insbesondere Frauen und Jugend auf der Suche nach „Future without Limits“ ansprechen.

Für die Politik– und Wirtschaftsforschung werden Kathrin Stainer-Hämmerle (FH Kärnten) und Margit Schratzenstaller-Altzinger (Ex-Wifo) in Fresach vertreten sein, für die Bankenszene BKS-Vorstandsvorsitzende Hertha Stockbauer, für die Regionalentwicklung Raumforscherin Gerlind Weber und der Agrarwirtschaftler Rainer Langosch von der Hochschule Neubrandenburg. 

Die Literaturszene wird durch zahlreiche Jungautorinnen und Jungautoren vertreten sein, die sich im Rahmen des Poetry Festivals (29.5.) vor dem Publikum messen werden. Mit dem PEN-Club Austria, Partner und Mitstreiter seit Beginn der Europäischen Toleranzgespräche, kommen u.a. Jungverleger Albert C. Eibl, die Lateinamerika-Spezialistin Erna Pfeiffer, die Sozialanthropologin Ingrid Thurner, die Theaterautorinnen Sophie Reyer, Nathalie Rouanet und die Journalistinnen Henriette Schroeder und Clementine Skorpil zu Wort, außerdem der Psychotherapeut Wolfgang Martin Roth und der Autor Mario Keszner.

Erleuchtung vor Pfingsten

Die Toleranzgespräche finden in der Pfingstwoche statt. Der erste Tag (27.5.) wird dabei mit zwei Veranstaltungen erstmals in der Fachhochschule Villach (Europastraße 4) bestritten. Das Jugendforum wird sich u.a. mit der neuen Umweltbewegung „Fridays for Future“ befassen, das Tourismusforum mit der unwiderstehlichen „Utopie des Reisens“ und der zerstörerischen „Natur des Menschen„.

Das Generalthema „Exodus – Auszug aus dem Vertrauen“ wird am zweiten Tag (28.5.) mit Referaten, Diskussionen und Panels im Toleranzmuseum Fresach aufgearbeitet. Der Bürgerdialog auf dem Museumsplatz soll Erkenntnisse dazu liefern, wie man „Vom Verzicht zum Gewinn“ kommt. Lesungen, ein Konzert und eine Sonderausstellung zu Mythos Exodus runden den zweiten Tag ab.

Das Wirtschaftsforum am dritten Tag (29.5.) geht der Frage nach, wie wir Klima, Wandel und CO2-Handel bewältigen und wie sich die Autoindustrie neu erfindet. Nach einer Wanderung zu Mittag geht es am Nachmittag um gerechte Steuern, die Zukunft der Landwirtschaft und den Umgang mit Verlust und Niederlagen. 

Die 6. Europäischen Toleranzgespräche 2020 werden von zahlreichen Förderern, Organisationen und Institutionen unterstützt, u.a. Stadt und Tourismusverband Villach, Land Kärnten, Außenministerium, Bundeskanzleramt und Europäische Union. Weitere Informationen finden Interessierte unter www.fresach.org.


Mehr Artikel

Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, über die Digitalisierung im Mittelstand und die Chancen durch Künstliche Intelligenz. (c) timeline/Rudi Handl
Interview

„Die Zukunft ist modular, flexibel und KI-gestützt“

Im Gespräch mit der ITWELT.at verdeutlicht Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, wie sehr sich die Anforderungen an ERP-Systeme und die digitale Transformation in den letzten Jahren verändert haben und verweist dabei auf den Trend zu modularen Lösungen, die Bedeutung der Cloud und die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Unternehmenspraxis. […]

News

Richtlinien für sichere KI-Entwicklung

Die „Guidelines for Secure Development and Deployment of AI Systems“ von Kaspersky behandeln zentrale Aspekte der Entwicklung, Bereitstellung und des Betriebs von KI-Systemen, einschließlich Design, bewährter Sicherheitspraktiken und Integration, ohne sich auf die Entwicklung grundlegender Modelle zu fokussieren. […]

News

Datensilos blockieren Abwehrkräfte von generativer KI

Damit KI eine Rolle in der Cyberabwehr spielen kann, ist sie auf leicht zugängliche Echtzeitdaten angewiesen. Das heißt, die zunehmende Leistungsfähigkeit von GenAI kann nur dann wirksam werden, wenn die KI Zugriff auf einwandfreie, validierte, standardisierte und vor allem hochverfügbare Daten in allen Anwendungen und Systemen sowie für alle Nutzer hat. Dies setzt allerdings voraus, dass Unternehmen in der Lage sind, ihre Datensilos aufzulösen. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*