Europas Hightech-Industrie verliert an Boden

Hightech als Kernindustrie in Europa ist bedroht. Nur noch neun der weltweit führenden 100 Hightech-Unternehmen haben ihren Hauptsitz in Europa, so eine Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney. Zurückzuführen sei die Entwicklung der Untersuchung zufolge unter anderem auf die Verlagerung der Nachfrage in andere Märkte, fehlende Fachkräfte und finanzielle Mittel, unzureichende strategische Weitsicht und das Fehlen einer koordinierten gesamteuropäischen Initiative. [...]

ZEHN PUNKTE FÜR MEHR WETTBEWERBSFÄHIGKEIT
Aus der Studie gehen konkrete Maßnahmen für EU-Institutionen, nationale Regierungen, Branchenverbände und einzelne Unternehmen hervor, um die ICT-Branche wiederzubeleben. Sie lassen sich in drei Kategorien unterteilen: „Enable“, „Focus“ und „Excel“.

1. „Enable“: Rahmenbedingungen für Wachstum schaffen

Europa sollte das Angebot an qualifizierten Arbeitskräften durch eine stärker technologieorientierte Ausbildung und gezielte Zuwanderung erhöhen. Es gilt zudem, eine bessere Risikokapital- und Wachstumsfinanzierung für Hightech-Unternehmen zu gewährleisten, Freiräume für unternehmerisches Handeln zu schaffen und Erfolge zu belohnen. Durch einheitliche Standards und Vorschriften sollte darüber hinaus ein einheitliches Wettbewerbsumfeld etabliert werden.

2. „Focus“: Fokussierte Strategie zur Überwindung der Fragmentierung umsetzen
Die EU und Länderregierungen sollten zusammen mit der Industrie einen EU-weiten Masterplan entwickeln, der erfolgversprechende ICT-Bereiche in den Mittelpunkt stellt, um in diesen weltweit eine Spitzenposition zu erlangen. Angesichts der verbleibenden Hightech-Unternehmen und der industriellen Basis in Europa bieten sich hier insbesondere Hightech-Lösungen für Unternehmen (B2B) als Fokus für einen solchen Master-Plan an. Eine Fokussierung der Investitionen gewährleistet dabei, dass Ressourcen gezielt verteilt werden. In der Folge sollte Europa paneuropäische Exzellenz-Cluster für diese Schwerpunkte aufbauen und seine Ausgaben und Investitionskraft für die Entwicklung dieser Bereiche nutzen.

3. Excel: Mit Innovation, Partnerschaft und Führungsstärke gegen den weltweiten Wettbewerb antreten
Die europäischen Unternehmen müssen auf zukünftige Herausforderungen mit größerer strategischer Weitsicht und Entschlossenheit reagieren. Durch höhere Investitionen in Forschung und Entwicklung können sie ihre Innovationskraft steigern und Wachstum generieren. Insbesondere strategische, auf längerfristige Zusammenarbeit ausgelegte Partnerschaften von Unternehmen europäischer Kernbranchen sowie von europäischen Institutionen mit europäischen Hightech-Unternehmen können den erforderlichen Impuls für Innovationen und Wachstum geben – dabei sind kurzfristige Kosteneinsparungen gegenüber dem strategischen Wert einer Partnerschaft mit einem in Europa ansässigen Hightech-Anbieter immer auszubalancieren.  

SCHNELLES HANDELN GEFORDERT
Aufgrund der speziellen geografischen, geschichtlichen und kulturellen Gegebenheiten Europas können hierzulande unmöglich die Bedingungen reproduziert werden, die das Wachstum von ICT-Unternehmen in Nordamerika und Asien so beflügelt haben. „Die besondere Struktur Europas fördert einerseits eine gesunde Konkurrenz, erschwert aber zugleich das Wachstum“, sagt Kratzert.

Die europäischen Institutionen und Regierungen können noch mehr dazu beitragen ihre industrielle Wettbewerbsfähigkeit zu festigen. „Horizont 2020“ ist ein guter Anfang, aber es kann noch mehr getan werden. „Die politischen Entscheidungsträger haben die Möglichkeit, die Regeneration der ICT-Industrie zu einer Top-Priorität zu machen“, sagt Freyberg. „Regierungsbehörden, ICT-Firmen, Investoren und Branchenverbände sollten gemeinsam einen langfristigen Masterplan erarbeiten.“

Wenn jetzt keine Entscheidungen getroffen werden, wird die europäische Hightech-Industrie weiter an Relevanz verlieren, ist man seitens A.T. Kearney überzeugt. Wenn jedoch die richtigen Maßnahmen ergriffen werden, könnte sich Europa eine starke Stellung im internationalen Technologiesektor zurückerobern. „Wir brauchen mehr paneuropäische Führung, nicht weniger“, so Freyberg abschließend. (pi)


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