„Evolution statt Revolution“

Der ERP-Spezialist proALPHA führt seine Kunden behutsam in die Cloud-Ära. Eine hochintegrative HTML-5-Oberfläche und intelligente Microservices auf Cloud-Basis veredeln das erfolgreiche Kernsystem, das weiterhin on prem laufen kann. Der neue Österreich-Chef Helmut Reich im Interview. [...]

Helmut Reich, Managing Director proALPHA in Österreich. (c) Erich Reismann
Helmut Reich, Managing Director proALPHA in Österreich. (c) Erich Reismann

Seit 1. Oktober 2022 ist Helmut Reich Managing Director von proALPHA in Österreich und damit Nachfolger von Michael Wüstemeier, der eine Erfolgsgeschichte vorzuweisen hat: zweistelliges Umsatzwachstum im Bereich Professionals Services und bei den Sales-Ergebnissen in einem durch Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg geprägten Marktumfeld. „Ich freue mich immens auf diese neue Aufgabe innerhalb der proALPHA Gruppe“, sagt Reich. „Die Erfolgsstory unserer österreichischen Niederlassung der letzten Jahre weiterzuschreiben ist eine echte Herausforderung. Die damit verbundenen ambitionierten Ziele nehme ich sehr gerne an.“ Für Reich, der zuletzt zwei Jahre lang als Senior Vice President Engineering die Weiterentwicklung der ERP-Lösungen von proALPHA verantwortete, bedeutet die neue Position ein wenig die Rückkehr zu seinen Wurzeln – und das gleich zweifach. Zum einen verbindet ihn mit Österreich Familiäres, zum anderen kommt er aus dem Beratungsgeschäft mit hoher Kundennähe. „Bald nach dem Studium habe ich als Consulter angefangen und mich zum Projektleiter weiterentwickelt. Es geht immer um die Frage, wie man den Kunden voranbringt“, so Reich im Gespräch mit transform! „Die österreichischen Unternehmen sind sehr stark im Wettbewerb. Viele, mit denen ich gesprochen habe, sind in ihrem Segment Weltmarktführer und verspüren natürlich sehr viel Druck. Daher stehen Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit im Mittelpunkt. Und genau hier unterstützen wir. Mit der Übernahme der neuen Position bin ich nun wieder viel näher am Kunden. Interessant war natürlich auch die geografische Nähe. Ich wohne bei Kufstein und befinde mich daher ungefähr in der Mitte einer Region, die von Vorarlberg, Tirol, Oberösterreich bis nach Wien reicht.“

NEMO findet

Helmut Reich ist mittlerweile 25 Jahre im ERP-Geschäft tätig. Die Frage, was sich während dieser Periode verändert hat, beantwortet er so: „Man merkt natürlich, dass sich alles wesentlich schneller dreht als früher – nicht nur die Technologie, sondern auch die Projekte stehen heute unter einem größeren zeitlichen Druck. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass durch die Digitalisierung der Prozesse in den letzten 10 bis 15 Jahren sehr große Fortschritte erzielt worden sind – Stichwort End-to-End-Integration. Die Vollintegration betrifft die Verbindung vom Lieferant zum Hersteller hin zum Kunden, ganze Lieferketten sind miteinander verbunden. Das bietet viele Chancen, bringt aber auch viel mehr Komplexität mit sich. Unternehmen müssen sich daher folgende Fragen stellen: Wie resilient ist das System? Wie kann ich es überwachen und wie schnell merke ich Störungen im Prozessablauf, um darauf reagieren zu können? Genau dafür haben wir das Tool NEMO, das Handlungsempfehlungen im ERP gibt.“ Die Lösung, die als Cloud-Service zur Verfügung gestellt wird, ist laut Reich in mehreren Bereichen einsetzbar – von der Sachbearbeiter- bis hin zur Management-Ebene. Der Österreich-Chef illustriert die Funktionsweise anhand eines konkreten Beispiels: „Ein Unternehmen hat hohe Sicherheitsbestände. Das bedeutet hohe Lieferbereitschaft, aber auch, dass viel Kapital gebunden ist. NEMO erkennt – immer auf finanzieller Basis – den idealen Sicherheitsbestand für die optimale Lieferbereitschaft, wenn gewünscht in Kombination mit saisonalen Faktoren und bestimmten Produktstrukturen. Die möglichen Dimensionen sind grenzenlos. Für die Erkennung der Korrelationen nutzen wir KI als Cloud-Service auf einer Cloud-Plattform. Vor 25 Jahren war die Dynamik noch nicht so groß, die Zyklen waren langsamer. Heute muss ich mit Herausforderungen wie Komponentenengpässen und explodierenden Rohstoffpreisen in unglaublicher Geschwindigkeit kämpfen. Das heißt, man muss sehr schnell reagieren, wofür das Erkennen von Zusammenhängen wesentlich ist. NEMO hilft dabei. Das ist ein sehr spannendes Thema, bei dem Unternehmen viel aus ihren Daten herausholen können.“

Die Reise in die Cloud

Von ERP wird gesagt, dass es da oder dort mehr als ein Jahrzehnt unverändert im Einsatz ist. „Es gibt nur sehr wenige Firmen, die in einem so stabilen Umfeld agieren, dass sie überzeugt sind, nichts ändern zu müssen. Innovative Unternehmen hingegen wechseln zu den neuen Releases. Man darf nicht vergessen: ERP-Hersteller stecken sehr viel Energie in die Weiterentwicklung der Software. Die Innovationen, die damit inkludiert sind, können nur dann genutzt werden, wenn man mit der Entwicklung mitgeht.“ Während die Release-Zyklen und damit die Innovationsschritte früher beinahe biblische Dimensionen hatten, hat sich mit der Cloud vieles grundlegend zum Besseren verändert. Damit ist eine zentrale Entwicklungsphase im Hause proALPHA angesprochen: die Reise in die Cloud. „Das Wichtigste aus unserer Sicht: Es ist eine Evolution, keine Revolution“, betont Helmut Reich im Gespräch mehrmals. „Ein harter Bruch wäre kontraproduktiv, wir würden Kunden verlieren. Wir müssen also dafür sorgen, dass sie mit der Entwicklung mitgehen können.“

proALPHA betreibt das Cloud-Thema auf drei Ebenen – maßgeblich verantwortlich für diese Strategie war Helmut Reich selbst, da er, wie bereits erwähnt, vor seinem Österreich-Engagement die R&D-Abteilung leitete. „Zum einen ist die Web-basierte Oberfläche unseres ERP Bestandteil der Cloud-Strategie. Mit Web-Technologien kann ich die Integration von einzelnen Feldern, Funktionen oder ganzen An­wendungen viel leichter betreiben. Zum anderen Microservices, die auch hybrid funktionieren. Das heißt, dass Unternehmen ihr ERP wie gewohnt On-Premises in ihrem Rechenzentrum laufen lassen und zusätzlich von einzelnen intelligenten Cloud-Services profitieren können.“ Ein Beispiel kann die Steuerfindung sein: Durch diese wird bekanntlich bei der Belegerfassung im Vertrieb und im Einkauf ermittelt, ob der jeweilige Geschäftsvorgang steuerpflichtig oder steuerfrei ist. „Ändert sich etwa der Mehrwertsteuersatz, können wir diesen für alle Kunden gleichzeitig aktualisieren. Dieses Prinzip gilt für alle Themen, die sich leicht standardisieren und kaspeln lassen, wie etwa Dokumentenmanagement, wo keine Individualisierung notwendig ist.“ Die Cloud-Services basieren entweder auf Eigenentwicklungen wie NEMO oder resultieren aus Übernahmen wie die der Empolis-Gruppe, die ihre KI-gestützten Produkte im Bereich Service-, Wissens- und Content-Management bereitstellt.

Ein ERP, das „atmet“

Schließlich geht es um die Frage, wie das bestehende ERP effizient in der Cloud betrieben werden kann. „Wir wollen ein elastisches, atmendes ERP schaffen“, so Reich. Cloud sei dann spannend, wenn Themen wie Skalierbarkeit ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Würde man dieses im eigenen Rechenzentrum umsetzen, müsste man die Hardware für den maximalen Bedarf auslegen. Läuft es künftig jedoch beim Hyperscaler, müsse man nur das bezahlen, was wirklich gebraucht wird. ERP in der Cloud sei daher kosteneffizent. Außerdem können die Hyperscaler unbegrenzte Kapazitäten zur Verfügung stellen.

Wie intensiv Unternehmen ihr ERP in Richtung Cloud lenken wollen, hängt natürlich sehr stark vom jeweiligen Standardisierungsgrad ab. „Die Automotive-Branche, zum Beispiel, ist stark standardisiert. Diese wird auch eine der ersten Branchen sein, die mit ERP in die Cloud gehen wird. Auf der anderen Seite legen gerade mittelständische Unternehmen in Österreich und Deutschland viel Wert auf ihre Individualität, was zum Teil einen Wettbewerbsvorteil darstellt. Daher Evolution statt Revolution. Außerdem helfen hier die Best-Practice-Prozesse, die wir zur Verfügung stellen.“

Aktuelle Themen

Ein großes Thema ist derzeit der Fachkräftemangel. Dies bringt potenzielle Neukunden dazu, nachzufragen, wie ressourcenschonend die Lösung implementiert werden kann. „Hier hilft es, prototypisch vorzugehen. Wir können sehr rasch einen Prototypen bauen und entwickeln ihn iterativ nach vorne. Diese Vorgehensweise reduziert zudem die Komplexität im Projekt.“ Was eine immer größere Rolle spielt, ist Sicherheit. „Wir haben ausgebildete Experten, die sich ausschließlich um Security kümmern, was sich nicht jeder Mittelstandskunde leisten kann.“ Last but not least gewinnt Nachhaltigkeit stark an Bedeutung. Zu diesem Zweck stellt proALPHA unter anderem mit ENIT eine integrierte Energiemanagement-Lösung zur Verfügung. Auf diese Weise dient das ERP-System als Data Hub für das Monitoring und die Steuerung sämtlicher Energieflüsse und stellt Verbräuche sowie Emissionen transparent dar.

Pläne für Österreich

„Es ist immer leicht gesagt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die wichtigste Ressource sind. Das will ich auch leben. Es geht um Mitarbeiterausbau, aber vor allem um das Halten der bestehenden Belegschaft, also einen attraktiven Arbeitsplatz schaffen. Remote-Arbeit funktioniert sehr gut, es ist mir auch wichtig, dass wir wieder persönlich mehr zusammenkommen.“

Weiterbildung ist ein weiteres Thema: „Kunden können nur dann gut bedient werden, wenn die Mitarbeiter entsprechend ausgebildet sind und Freiräume haben, um sich zu bewegen und kurzfristig zu reagieren. Was die Neukunden betrifft, so waren wir in den vergangenen Jahren äußerst erfolgreich. Das möchte ich natürlich weiterführen, aber auch die Bestandskunden stärker betreuen.

Im Zentrum steht immer, die Effizienz und die Wettbewerbsfähigkeit beim Kunden zu steigern. Innovationen spielen hier eine essentielle Rolle: Die spannende Reise hat erst begonnen.“

Der Artikel erschien in der Ausgabe 03/2022 des Magazins transform!


Mehr Artikel

News

Große Sprachmodelle und Data Security: Sicherheitsfragen rund um LLMs

Bei der Entwicklung von Strategien zur Verbesserung der Datensicherheit in KI-Workloads ist es entscheidend, die Perspektive zu ändern und KI als eine Person zu betrachten, die anfällig für Social-Engineering-Angriffe ist. Diese Analogie kann Unternehmen helfen, die Schwachstellen und Bedrohungen, denen KI-Systeme ausgesetzt sind, besser zu verstehen und robustere Sicherheitsmaßnahmen zu entwickeln. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*