Russlands Krieg läuft auch im Netz nicht rund. Wladimir Putin möchte zwar den Informationsfluss kontrollieren, doch die sozialen Medien stellen sich ihm in den Weg. Und sie koordinieren humanitäre Hilfe. [...]
Putins Krieg gegen die Ukraine wird in aller Welt verfolgt, vor allem über die sozialen Medien. Deswegen lässt der Kreml nichts unversucht, um auf diesem Weg seine eigene Wahrheit zu verbreiten und die Berichterstattung zu beeinflussen. Doch Meta (ehemals Facebook), Google/Youtube, Microsoft, TikTok, Netflix und Twitter lassen die von Russland lancierte einseitige Berichterstattung – auch aufgrund einer Order seitens der EU – nicht mehr zu.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte am Sonntag verkündet, dass die auf das Ausland gerichteten russischen Staatssender Sputnik und RT (= Russia Today) nicht länger „ihre Lügen verbreiten könnten, um Putins Krieg zu rechtfertigen“. Die EU wies die sozialen Netzwerke an, entsprechende Informationsangebote zu entfernen. Außerdem werde die EU die Entwicklung neuer Tools in Auftrag geben, um Desinformation aus diesen und anderen Quellen zu verhindern.
Meta will alles richtig machen
Die Auseinandersetzung der russischen Behörden mit Meta (vormals Facebook) hatte schon früher begonnen. Am 25. Februar verlangte die russische Kommunikationsaufsicht vom Social-Media-Konzern, den Faktencheck für die Konten von vier staatlich geförderten Medienseiten auf Facebook einzustellen. Der Konzern weigerte sich. Russland schränkte daraufhin für seine Zivilbevölkerung den Zugang zu Facebook ein.
Nick Clegg, Vice President of Global Affairs bei Meta, schrieb in einer Erklärung: „Gestern haben russische Autoritäten uns aufgefordert, die Faktenprüfung und das Kennzeichnen von Inhalten dieser vier Konten einzustellen. Wir haben abgelehnt. Als Ergebnis haben sie nun angekündigt, die Bereitstellung unserer Services für russische Bürger einzustellen.“ Laut NPR hat Meta sogar ein „Operations Center“ eingerichtet, um die Aktivitäten Russlands auf seinen Plattformen im Auge zu behalten.
Keine kriegsrelevanten Daten auf Google Maps
Wie Mashable berichtet, stellt sich auch Google den Russen in den Weg. So blockiert die Videoplattform YouTube staatlich geförderte Werbung aus Russland und schränkt zudem Videoempfehlungen für russische Kanäle ein. Youtube hat zudem in den vergangenen Tagen Hunderte von Kanälen und Tausende von Videos vom Netz genommen, weil diese gegen konzerneigene Richtlinien verstoßen hätten.
In der Ukraine sind aus Russland lancierte Videos gar nicht mehr zu sehen. Hier handelt Google offenbar auf Wunsch der ukrainischen Regierung. Außerdem hat der Konzern die über Google Maps verfügbaren Informationen in der Ukraine eingeschränkt. Es werden keine Echtzeit-Verkehrsdaten mehr angezeigt auch keine Daten über Menschenansammlungen.
Laut der Nachrichtenagentur Reuters hat zudem die Google-Mutter Alphabet das Herunterladen der RT-App auf ukrainischem Gebiet unterbunden. RT ist ein 2005 vom russischen Staat gegründetes Auslands-Fernsehprogramm, das zumindest in Deutschland seit Anfang Februar aufgrund einer fehlenden medienrechtlichen Zulassung nicht mehr ausgestrahlt werden darf.
Twitter schützt Konten von Bürgerrechtlern
Auf Twitter sind staatlich lancierte Anzeigen schon seit 2019 verboten, obwohl RT dort weiterhin einen Account besitzt. Als Reaktion auf den Ukraine-Konflikt zeigt die Plattform weder in der Ukraine, noch in Russland, Anzeigen – unabhängig von der Quelle. Twitter erklärte, man wolle „sicherstellen, dass für die öffentliche Sicherheit kritische Informationen Vorrang haben, und nicht etwa durch Anzeigen davon abgelenkt wird.“ Inzwischen ist auch Twitter für russische Bürger nur noch eingeschränkt nutzbar. Twitter hat zudem Maßnahmen ergriffen, um die Sicherheit zu erhöhen und die Konten von hochrangigen Journalisten, Aktivisten und Regierungsvertretern zu schützen.
Microsoft schließt sich dem RT- und Sputnik-Bann an
Auch Microsoft zeigt im Newsfeed und auf MSN keine staatlich geförderten RT- und Sputnik-Inhalte mehr an. Die Sender können auch nicht länger Anzeigen in Microsofts Werbenetzwerk schalten. Der Softwareriese lässt zudem die RT-Nachrichten-Apps aus dem Windows-App-Store verschwinden. Die Suchmaschine Bing soll allerdings weiterhin Links zu RT und Sputnik anzeigen. Microsoft will aber die entsprechenden Suchergebnisse schlechter ranken. Man stelle sicher, dass die Links nur dann angezeigt werden, wenn jemand eindeutig die Absicht habe, diese Seiten zu besuchen.
TikTok in Alarmbereitschaft
Auch bei TikTok bemüht man sich um Neutralität. Schon vor dem offiziellen Einmarsch in den frühen Morgenstunden des 24. Februar waren dort Videos mit russische Militärfahrzeugen und Waffen auf dem Weg zur ukrainischen Grenze zu sehen. So wurden Beobachter und Zivilisten frühzeitig auf die Bedrohung aufmerksam. Der russische TikTokker Niki Proshin postete ein Video, das einen Kriegs-Protest in Russland zeigte.
Auch TikTok blockiert die russischen Staatssender Sputnik und RT, die auf diesem Kanal nun keine EU-Bürger mehr erreichen können. Ein Sprecher erklärte gegenüber „Business Insider“: „Wir beobachten die Situation genau und haben unsere Ressourcen aufgestockt, um auf Trends reagieren und verletzende Inhalte so schnell wie möglich zu entfernen“. Das gelte etwa für Fehlinformationen und gewaltverherrlichende Darstellungen. TikTok arbeite zudem mit unabhängigen Fact-Checking-Organisationen zusammen, um „ein sicherer und authentischer Ort“ zu bleiben. Auch die Journalisten von CNN prüfen ständig virale Videos, um sicherzugehen, dass keine manipulative Absicht dahinter steckt.
Netflix strahlt keine russischen Staatssender mehr aus
Eigentlich wäre Netflix nach russischem Recht verpflichtet, eine ganze Reihe kostenloser staatlicher TV-Kanäle im Lande anzubieten. Das Vitrina-TV-Gesetz verpflichtet Diensteanbieter mit mehr als 100.000 Abonnenten in Russland dazu, insgesamt 20 öffentliche Sender auszustrahlen. Die nationale Regulierungsbehörde Roskomnadzor hatte Netflix erst im Dezember als einen solchen Dienst eingestuft. Allerdings ist die Verpflichtung noch nicht in Kraft, und so weigert sich Netflix angesichts „der aktuellen Situation“ die Sender auszustrahlen. Unter anderem sind Channel One, NTV oder Spa in Russland zumindest auf diesem Wege nicht mehr zu sehen.
Telegram – beliebt und kaum zu kontrollieren
Der beliebteste Messenger in Russland und der Ukraine ist Telegram, vor dessen Nutzung allerdings der Schöpfer der konkurrierenden App Signal, Moxie Marlinspike, warnte. Die Cloud-basierte Natur von Telegram mache das System anfällig für Bedrohungen aus Russland. Wer von Telegram nicht lassen wolle, möge wenigstens die Funktion „geheime Nachrichten“ nutzen, die mehr Privatsphäre und Sicherheit bieten würde. Der Messaging-Dienst von Signal verspricht eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und wird von Cybersicherheits-Experten allgemein als die sicherste private Messaging-App angesehen.
Spenden in Form von Kryptowährungen
Gleichzeitig engagieren sich die sozialen Medien, um Geld für die Opfer des Ukraine-Kriegs zu sammeln. Am 26. Februar gab die Regierung der Ukraine auf Twitter bekannt, man nehme Spenden in Form von Kryptowährungen an. Bis heute sollen laut The Verge mehr als 9,9 Millionen Dollar zusammengekommen sein. Das Land akzeptiert Bitcoin, Ethereum und Tether, während sich dezentrale autonome Organisationen (DAOs) gebildet haben, die auch andere Formen von Krypto-Spenden annehmen können. Offenbar haben Bürger in der Ukraine berichtet, dass ihre Kreditkarten nicht mehr funktionieren, weshalb sie auf Kryptowährungen ausweichen.
Wichtige Akteure der Krypto-Community unterstützen das Land, unter ihnen auch der in Russland geborene Ethereum-Erfinder Vitalik Buterin. Er twitterte, dass die „Invasion ein Verbrechen gegen das ukrainische und russische Volk“ sei. Nadya Tolokonnikova, ein Mitglied der russischen Performance-Kunstgruppe Pussy Riot, gründete UkraineDAO, um Spenden zu sammeln. Außerdem rief eine Gruppe von NFT- und Web3-Künstlern RELI3F ins Leben, um damit eine weitere Drehscheibe für Kryptospenden an die Ukraine zu schaffen.
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