Fachkräftemangel ist eine der größten Hürden für den erfolgreichen Einsatz von künstlicher Intelligenz. Das Beispiel von Salesforce zeigt, dass IT-Entscheider auch ungewöhnliche Wege beschreiten sollten, um KI-Profis aufzutun. [...]
Skills in Sachen KI, Machine Learning und Data Science sind weiterhin stark gefragt. Viele Unternehmen suchen händeringend nach der optimalen Besetzung für Schlüsselpositionen im Umfeld von Datenanalysen zur Entscheidungsfindung, um das Potenzial von KI voll auszuschöpfen. Unternehmen, für die künstliche Intelligenz ein Schlüsselfaktor darstellt, bereitet der Fachkräftemangel besonders viel Kopfzerbrechen. Der CRM-Anbieter Salesforce fällt definitiv in diese Kategorie. Seine Einstein-Plattform ist für viele Firmen die erste Wahl, um KI Tools auszurollen. Schließlich setzen die meisten Betriebe in Sachen KI am liebsten auf Plattformen, die sie ohnehin bereits nutzen.
Laut IBM ist Know-How-Mangel immer noch die größte Hürde für die KI-Implementierung, auch wenn 43 Prozent der Unternehmen angeben, dass sie ihre Bemühungen in diesem Bereich in Folge der Pandemie beschleunigen werden. Für Salesforce, das im vergangenen Jahr mit einem Wachstum von 24 Prozent und einem Gesamtumsatz von 21 Milliarden Dollar einen Ertragsrekord verzeichnete, ist es bei der Suche nach KI- und Data-Science-Experten essenziell, kreativ zu agieren.
Die Vorhersagen von Einstein stiegen von einer Milliarde pro Tag im Jahr 2019 auf 80 Milliarden pro Tag im November 2020. Ohne einen mehrgleisigen Ansatz bei der Personalgewinnung und Weiterbildung wäre es nicht möglich gewesen, das zu stemmen, erklärt Marco Casalaina, Senior Vice President of Product und General Manager von Einstein bei Salesforce. Zum Konzept gehöre dabei auch, eine Reihe von Talentpools abseits der Spitzenuniversitäten anzuzapfen.
KI-Fachkräfte-Recruiting neu gedacht
Um das Wachstum seiner KI-Plattformen und -Dienstleistungen weiter anzukurbeln, greift Salesforce nicht nur auf die üblichen Recruiting-Kanäle zurück. Während die meisten Unternehmen auf Beziehungen zu lokalen oder traditionell technikorientierten Hochschulen setzen, arbeitet Salesforce mit weltweit mehr als 700 Universitäten zusammen. Das erleichtere es dem Unternehmen, Absolventen mit den erforderlichen Fähigkeiten zu finden. Ein Umstand, der nicht nur dem breiter angelegten Suchgebiet geschuldet sei, sondern auch den angepassten Lehrinhalten, die heutzutage an den meisten Universitäten vermittelt werden, meint Casalaina:“Viele unserer Entwickler haben einen Hintergrund in Datenwissenschaft, die jetzt Kernbestandteil der Informatik ist. Es handelt sich quasi um Data-Science-native Fachkräfte.“
Salesforce kooperiert darüber hinaus mit der gemeinnützigen Organisation „Year Up„, die sich für eine Umgestaltung und Diversifizierung der IT-Talente-Pipeline einsetzt und bereits mehr als 34.000 benachteiligte Jugendliche dabei unterstützt hat, Karrierechancen im Finanz- und Technologiebereich wahrzunehmen. „Das Year Up-Programm bringt Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen als Praktikanten zu uns – viele von ihnen werden zu Mitarbeitern“, so Casalaina.
Unternehmen, die Fachwissen vom anderen Ende des Erfahrungsspektrums suchen, empfiehlt Casalaina, KI-Forschungsarbeiten auf Websites wie arXiv.org zu lesen und die Netzwerke der Mitarbeiter zu durchforsten. Viele Teammitglieder bei Salesforce könnten einen Doktor in Mathematik oder Datenwissenschaften vorweisen, allerdings sei so tiefgehendes KI-Fachwissen nicht für jeden ein Muss, wie Casalaina erklärt: „Data Science macht 20 Prozent von KI aus. Gefragt ist vor allem ein souveräner Umgang mit der Salesforce-Plattform und ein Verständnis darüber, wie die Kunden diese nutzen. Maschinelles Lernen ist dabei nur ein Bestandteil.“ Entsprechend besteht eine weitere unkonventionelle Rekrutierungsstrategie von Salesforce darin, nach Personen aus anderen Berufsfeldern zu suchen, die an einem Wechsel interessiert sind. Laut einer LinkedIn-Analyse war die Hälfte der Mitarbeiter, die in die Bereiche Datenwissenschaft und künstliche Intelligenz wechselten, Quereinsteiger.
Bei Salesforce versucht man aber auch, nichttechnisches Personal intern zu rekrutieren, wie Casalaina preisgibt: „Viele Leute in unserem Unternehmen wollen Teil des KI-Teams sein und es ist für uns von Vorteil, wenn Leute aus allen Unternehmensbereichen zu uns stoßen. Mitarbeiter, die sich innerhalb eines Unternehmens lateral bewegen, kennen bereits Firmenkultur und Produktlinien des Unternehmens.“
Casalaina führt das Beispiel eines ehemaligen Vertriebsmitarbeiters an, der inzwischen Einstein-Produktmanager ist: „Er leitet mehrere Entwicklerteams, arbeitet mit Ingenieuren zusammen, legt die Vorgaben fest und spricht mit den Kunden“, beschreibt Casalaina das Tätigkeitsfeld seines Kollegen. “ Der Job erfordere keine Python-Kenntnisse, die derzeit wohl beliebteste Programmiersprache unter Datenwissenschaftlern. „Aufgrund der Zusammensetzung der Einstein-Plattform muss er nicht in alle Untiefen vorstoßen, sondern maschinelles Lernen in seinen Grundzügen verstehen, was er auch tut. Jedoch muss er nicht zwangsläufig eine Entscheidung über die Verwendung eines neuronalen Netzes oder eines Random Forest treffen. Die Einstein-Plattform kann vieles automatisieren“, so Casalaina.
Wenn Mitarbeiter aus anderen Bereichen von Salesforce in das KI-Team wechseln, absolvieren sie in der Regel zunächst den Salesforce-internen Kurs „KI für Produktmanager“ oder andere interne Zertifizierungsprogramme. Auch externe Zertifizierungen stünden bei einigen Mitarbeitern hoch im Kurs.
Weiterbildung to go mit Trailhead
Das wichtigste Tool für Salesforce-Schulungen ist die Trailhead-Plattform, die sowohl für interne Mitarbeiter als auch öffentlich zugänglich ist. Die Plattform umfasse mehr als 200 Lernmodule und 15 Projekte, so der Salesforce-Manager: „Bei den praxisorientierten Projekten wird ein Bereich von Salesforce zur Verfügung gestellt, in dem wir Daten vorgeladen haben. Die Nutzer können eine Einstein-Funktion ausprobieren, wobei wir sie durch den Prozess führen. Es werden sehr spezifische, realitätsnahe Datensätze verwendet, die für Machine Learning konzipiert wurden.“
Die öffentlich zugänglichen Inhalte von Trailhead sind kostenlos. Unternehmen, die Trailhead nutzen möchten, um ihre eigenen Mitarbeiter zu schulen, können sich bei „myTrailhead“ registrieren.
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.
*Maria Korolov berichtet seit über zwanzig Jahren über aufstrebende Märkte und Technologien. Sie schreibt für die US-amerikanische IDG-Publikation CSO.
**Daniel Fejzo ist freier Mitarbeiter der Redaktion COMPUTERWOCHE.
Be the first to comment