FANUC-CIO Maennle verschlankt die IT

Mit der IT-Agenda 2030 und einem übergreifenden Change-Management befeuert CIO Volker Maennle den digitalen Wandel beim Automatisierungsanbieter FANUC Europe. [...]

"Die IT wird am Ende mit dem Business verschmelzen", sagt Volker Maennle, CIO von FANUC Europe. Foto: FANUC Europe

Zum Gespräch mit uns trägt Volker Maennle ein T-Shirt mit der Aufschrift „BOOST“ unter dem Sakko. „BOOST will accelerate your Business“, erklärt er die Bedeutung. Eigentlich steht das Kürzel für „Building operational excellence based on simplifying technology“ und beschreibt eines der wichtigsten IT-Transformationsprojekte von FANUC Europe. BOOST ist zugleich Teil der „IT-Agenda 2030“, die das Unternehmen seit dem Jahr 2020 verfolgt.

FANUC Europe ist ein Tochterunternehmen der japanischen FANUC Corp., die zu den Weltmarktführern im Bereich Fabrikautomatisierung gehört. Vom europäischen Hauptsitz im luxemburgischen Echternach aus unterstützt die Tochter die 24 europäischen Niederlassungen mit Kernfunktionen etwa in den Bereichen Vertrieb und Service, Lieferkette, Personal und IT.

Als Maennle im August 2020 vom Technologiekonzern Heraeus zu FANUC wechselte, gehörte die Entwicklung einer IT-Agenda zu seinen ersten Aufgaben. Doch kann man IT auf zehn Jahre vorausplanen? – Kann man, sagt der CIO: „Die Japaner planen langfristig. Bei einer strategischen Entscheidung etwa für ein SAP-System geht es schließlich durchaus um solche Zeiträume.“ Entscheidend ist für ihn das damit verbundene Ziel: Die historisch gewachsene IT als vorwiegend unterstützende Funktion soll sich in Richtung einer strategischen Rolle verändern, die Innovationen ermöglicht und das Wachstum befeuert.

Abgeleitet aus der IT-Agenda definierte Maennle eine „Strategic ICT Roadmap“ für die kommenden Jahre, die alle zwölf Monate angepasst wird. „Wir konzentrieren uns dabei auf Plattformen“, erläutert er. Gemeint sind damit in der Regel Cloud-Plattformen. FANUC Europe strebe eine „Cloud-first“-Strategie an. Nur wenige Systeme mit besonders sensiblen Daten sollen auf längere Sicht im eigenen Haus verbleiben.

Neues Kundenportal in der SAP-Cloud

Einen Teil der Roadmap hat Maennle schon abgearbeitet. Zu den Schüsselprojekten gehört ein Kundenportal, das er mithilfe von SAP CX Commerce Cloud realisiert. Die technische Basis bildet SAPs Business Technology Platform. Mitten in der Corona-Pandemie verabschiedete sich FANUC Europe zudem von klassischen On-Premise-Systemen wie Office 2013 und migrierte innerhalb von 12 Monaten auf Microsoft 365. Das lange genutzte Collaboration-System Cisco Webex wurde ausgemustert und durch Microsoft Teams ersetzt.

Der Elektronik- und Maschinenbaukonzern FANUC mit Hauptsitz im japanischen Oshino ist vor allem für seine Industrieroboter bekannt.
Foto: FANUC

Bereits abgeschlossen ist auch die europaweite Implementierung einer SD-WAN-Infrastruktur. Ende 2022 startet ein Pilotprojekt mit dem Ziel, Teile der Data-Center-Infrastruktur in die Cloud zu verlagern. Noch offen ist, ob FANUC dabei am Ende eine Single- oder eine Multicloud-Strategie mit mehreren Providern verfolgen wird.

Schlankere Prozesse und weniger Legacy

Erfolgskritisch für den digitalen Wandel und noch in vollem Gange ist auch das BOOST-Projekt. Der CIO verfolgt damit gleich mehrere ehrgeizige Ziele. Schlankere Geschäftsprozesse, Self-Service- und Automation-Features für Kunden und Anwender sowie eine harmonisierte Anwendungslandschaft mit weniger Legacy-Systemen gehören dazu, aber auch eine „Single Source of Truth“ für wichtige Business-Daten und ein vereinfachtes Betriebsmodell der IT.

Maennle, Diplom-Betriebswirt mit umfassenden Erfahrungen in der Unternehmens-IT, sieht sich gut gerüstet, die digitale Transformation bei FANUC voranzutreiben. Schon als E-Business Consultant bei Burda Digital Systems beschäftigte er sich mehrere Jahre mit Kundenportalen. Themen wie UI/UX und E-Commerce gehörten zu seinen Schwerpunkten. Später arbeitete er mehr als zehn Jahre für den Technologiekonzern Heraeus. Als Senior Vice President Global Infrastructure & IT Service Management verantwortete er zuletzt unter anderem alle Data Center und war in Projekte zur Konsolidierung von SAP-R/3-Systemen eingebunden. „Von diesen Erfahrungen profitiere ich heute“, so der CIO.

IT Service-Management modernisiert

Mit dem Thema IT Service-Management (ITSM) bekam es Maennle auch bei FANUC zu tun. Innerhalb von vier Monaten ersetzte er das bisherige System durch eine Plattform von ServiceNow. Mitarbeiter können jetzt über einen digitalen Shop auf einfache Weise IT-Dienste und -Ausrüstung beziehen. Der IT-Chef verweist vor allem auf die damit verbundenen Effizienzgewinne: „Wir bekommen damit Ressourcen frei für wichtige strategische Projekte.“

Die gibt es zunehmend im Bereich IT Security. Wie viele andere CIOs berichtet auch Maennle von einer starken Zunahme an Cyber-Attacken seit Beginn des Ukraine-Kriegs. Doch FANUC Europe sei gut gegen Angriffe gewappnet: „Wir haben massiv investiert und beispielsweise 2021 ein Security Operations Center (SoC) aufgebaut.“ Seit der Migration auf Microsoft 365 ist für alle Anwendungen eine Zwei-Faktor-Authentifizierung der User obligatorisch.

Change-Management schafft Bewusstsein

Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bereichen wie dem Business Process Management treibt der IT-Chef zudem die abteilungsübergreifende Change-Management-Initiative FXX voran. F steht für FANUC, das x für Xponential growth, user Xperience und Xcellence. „Wir müssen die Mitarbeiter mitnehmen beim digitalen Wandel und ein Bewusstsein dafür schaffen, dass alles was wir tun, zusammenhängt“, erklärt er die Hintergründe. Jedem Einzelnen müsse klar sein, was der Change für ihn und sein Team bedeute. Dafür hat die FANUC-Tochter eine Reihe neuer Informations- und Kommunikationsformate eingeführt.

Alle zwei Wochen etwa treffen sich Teamleiter und Angestellte zum Dialogformat „Ask the change leader“, um sich über aktuelle Themen auszutauschen. Einmal im Monat organisieren Führungskräfte mit „Lunch & LearnX“X“ eine Weiterbildungsveranstaltung zu IT- und Digitalthemen, darunter Business Intelligence, Data und Analytics. Zur Change-Initiative gehört zudem der Content Hub „Change Microsite FXX, der allen Angestellten und dem Management offensteht.

CIO berichtet an den CEO

Hilfreich für die strategischen IT-Projekte ist auch Maennles organisatorische Verankerung in der obersten Führungsebene. Als CIO berichtet er direkt an Shinichi Tanzawa, den President & CEO der Fanuc Europe Corporation. Zudem sitzt er in diversen internationalen Gremien, um sich mit IT-Verantwortlichen in anderen Regionen abzustimmen.

Breit angelegte agile Transformationsvorhaben, wie sie derzeit einige IT-Organisationen von Großunternehmen verfolgen, beurteilt Maennle zurückhaltend: „Viele reiten jetzt auf der agilen Welle und bauen die IT komplett um“. Das passe aber häufig gar nicht zur Arbeitsweise der internen Kunden. „Wir machen das situativ.“

Die Einführung des neuen CRM-Systems von Salesforce etwa wurde mithilfe agiler Methoden organisiert, die sowohl von der IT als auch von der Fachabteilung mitgetragen wurden. Unterm Strich verfolge die FANUC-IT in Europa einen hybriden Ansatz: In einzelnen Projekten oder Projektphasen arbeite man nach agilen Prinzipien, in anderen nutze man klassische Methoden oder eine Kombination.

Kritisch sieht Maennle auch das einst von Gartner propagierte Konzept einer IT der zwei Geschwindigkeiten (Bimodal IT). Der laufende IT-Betrieb und IT-getriebene Innovationen und Verbesserunen sollten nach seiner Meinung von einem einzigen Team gemanagt werden: „Die Unterscheidung in eine alte und eine neue Welt ergibt in der Praxis keinen Sinn.“ Dazu passt seine Vorstellung von der Zukunft der Unternehmens-IT: „Die IT wird am Ende mit dem Business verschmelzen.“

*Wolfgang Herrmann ist Editorial Manager CIO Magazin bei IDG Business Media. Zuvor war er unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO und Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.


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