Festplattenabgabe im Nationalrat „durchgewunken“

Wie gestern Nacht mitgeteilt wurde, hat der Nationalrat die lange diskutierte und umstrittene Urheberrechts-Novelle mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP beschlossen. Die Mehrheit der Abgeordneten stimmte für die Einbeziehung von digitalen Datenträgern wie Computer-Festplatten und USB-Sticks in die "Leerkassettenvergütung" und für deren Umwandlung zu einer "Speichermedienvergütung". Die Novelle soll am 1. Oktober 2015 in Kraft treten. [...]

SPÖ-Mandatar Johannes Jarolim gab zu bedenken, dass im Sinne der Künstler eine rasche Lösung gesucht wurde. Es war naheliegend, dass man dabei auf einem bestehenden System aufbaut und dieses weiterentwickelt. In einem – mehrheitlich angenommen – SPÖ-ÖVP-Entschließungsantrag wird der Justizminister ersucht, Gespräche über Anpassungen des vorgesehen Deckels aufzunehmen, falls der Richtwert von 29 Mio. Eurp durch die Rückerstattungen wesentlich unterschritten wird. Seine Fraktionskollegin Elisabeth Hakel (S) zeigte sich erfreut darüber, dass nach jahrelangen Diskussionen und Gesprächen mit allen Beteiligten heute ein Entwurf für ein neues Urheberrechtsgesetz vorliegt. Sie räumte ein, dass es sich um einen Kompromiss handelt, der aber aufgrund der Weiterentwicklungen vertretbar ist. So werden etwa Bildungseinrichtungen verstärkt auf neue Technologien zurückgreifen können. Auch der Kopienversand durch Bibliotheken auf Bestellung werde an die neuen Gegebenheiten angepasst. Mit gemischten Gefühlen stand sie der gesetzlichen Verankerung der Speichermedienabgabe gegenüber; sie hätte sich eine zukunftsweisendere Variante gewünscht. Der größte Wermutstropfen sei für sie jedoch die Nachfolgeregelung der „cessio legis“, da im Zweifelsfall immer der Produzent die meisten Rechte hat. Gleichzeitig sei ihr aber völlig klar, dass diese Novelle nur ein Zwischenschritt sein könne und ständig Adaptierungen im Hinblick auf das Internetzeitalter erforderlich sind.

KRITIK DER OPPOSITION

Auch für diese Vorlage gelte wieder einmal das Motto, „was lange währt, wird im österreichischen Parlament nicht gut“, konstatierte FPÖ-Mandatar Walter Rosenkranz. Es sei ein berechtigter Wunsch der Kunstschaffenden, dass ihre Rechte geschützt werden und dass sie für ihre schöpferischen Leistungen ein entsprechendes Entgelt erhalten. Auch die Wirtschaft habe ihre berechtigten Interessen, die berücksichtigt werden sollten. Im vorliegenden Entwurf sind aber beide Seiten die Verlierer, urteilte Rosenkranz, der einzige, der sich freuen könne, sei der Finanzminister. Aus diesem Grund werde seine Fraktion der Vorlage, die ohne Ausschussberatungen durch das Parlament gepeitscht wurde, sicher nicht zustimmen. Philipp Schrangl (F) war überzeugt davon, dass das Gesetz nicht lange hält, da technische Neuerungen wie z.B. Streaming- oder Cloud-Dienste überhaupt nicht berücksichtigt wurden.

Von Rechtssicherheit könne überhaupt keine Rede sein, kritisierte Wolfgang Zinggl von den Grünen, da es weiterhin noch viele offene Fragen gibt. So können namhafte Experten nicht eindeutig beantworten, ob man auf Basis des neuen Gesetzes das Lied „Happy Birthday“ bei Schulveranstaltungen singen dürfe. In einem Abänderungsantrag weist er zudem darauf hin, dass die Urheberrechte von Filmschaffenden nicht gestärkt, sondern noch mehr eingeschränkt werden als bisher. Große Rechtsunsicherheit werde u.a. durch die Möglichkeit der mehrfachen Abtretung der Rechte geschaffen. Besonders die Regelung bezüglich der Einkünfte aus der integralen Kabelweiterleitung benachteilige die Filmurheber und Filmdarsteller sehr stark und sollte daher aufgegeben werden, forderte Zinggl. Ein ebenfalls von ihm eingebrachter Entschließungsantrag enthält den Forderungskatalog der Grünen nach Neugestaltung der Urheberrechtsgesetzes, der vor allem auf die Absicherung der sozialen Standards in den Verträgen der Kunstschaffenden abzielt.

Sigrid Maurer geht auf einen weiteren Abänderungsantrag der Grünen zum Urheberrechtsgesetz ein, der sich vor allem mit dem so genannten Zweitnutzungsrecht befasst. Es sei positiv, dass dieses Prinzip in das Gesetz aufgenommen wurde, konstatierte Maurer, allerdings könne es aufgrund der vorgeschlagenen Fassung nur sehr eingeschränkt wirksam werden. Ausgeschlossen seien davon z.B. Stipendiaten, Mitarbeitern mit freien Dienst- oder Werkverträgen sowie Doktoranden ohne Anstellungsverhältnis. Außerdem soll das Recht nach Ansicht der Grünen auch für Forschungsprojekte gelten, die mindestens zur Hälfte als öffentlich finanziert gelten. Da die Wissenschaftsfelder Naturwissenschaft, Technik und Medizin sehr schnelllebig sind und Beiträge in diesen Fächern nach einem Jahr bereits häufig überholt sind, sollte dafür eine kürzere Frist von sechs Monaten vorgesehen werden, forderte sie.

Die Urheberrechtsnovelle enthalte zwar einige gute Regelungen, konstatierte Niko Alm von den NEOS, nicht erfreulich sei jedoch die Nachfolgeregelung der „cessio legis“. Aus diesem Grund brachte er einen Abänderungsantrag ein, der vorsieht, dass die Filmregisseure von der neuen Vermutungsregel ausgeschlossen werden. Kritisch beurteilte er auch die Festplattenabgabe, die aus seiner Sicht eine versteckte Steuer darstellt, die auch viele Unschuldige treffe.  Außerdem werde das Bewusstsein für urheberrechtliche Leistungen immer weiter geschwächt, mutmaßte Alm.

Während die Leerkassettenabgabe sinnvoll und notwendig war, gebe es keine Berechtigung für eine Festplattenabgabe, da im Falle von legalen Kopien niemanden ein Schaden entstehe, argumentierte Robert Lugar vom Team Stronach. Er verstehe auch nicht, warum nun Handybesitzer automatisch eine Abgabe zahlen müssen, obwohl sie mit ihren Geräten vielleicht nie Musik hören. Wenn man schon etwas für die Künstler tun will, dann müsse man eine Abgabe auf das Original und nicht auf die Speichermedien einheben, schlug Lugar vor.
Inzwischen haben sich auch Branchenvertreter, wie die WKÖ, zu Wort gemeldet. „Der Handel lehnt die Mehrbelastung durch eine Festplattenabgabe, wie sie heute im Parlament beschlossen wurde, weiterhin ab, weil wir darin einen falschen Weg sehen. Wir unterstützen aber das Ziel, mit einem neuen, zeitgemäßen Urheberrecht einen fairen Ausgleich für Urheberinnen und Urheber zu schaffen“, hält Roman Seeliger, stv. Geschäftsführer der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), fest. „Die vorgesehenen Beträge und Obergrenzen sind allerdings zu hoch“, so die Bundessparte Handel, die auch eine „Gleichbehandlung von ausländischen Plattformen und heimischen Anbietern“ verlangt: Zukunftsorientiert wäre aus Sicht des Handels vielmehr eine europäische Lösung. Eine solche muss fair gegenüber den Künstlerinnen und Künstlern sein, Rechtsklarheit für Konsumenten und Wirtschaft bringen und außerdem standortverträglich, treffsicher und transparent sein.“ Es sei jedoch zumindest gelungen, die Belastungen für betroffene Unternehmen „einigermaßen einzugrenzen“, so Seeliger mit Verweis auf die doppelte Deckelung der Höhe der Speichermedien- und Reprographieabgabe, die Einführung einer klaren Regelung, dass die Abgabe im Fall von geringen Schäden für Urheber durch die Privatkopie gänzlich entfällt, was etwa bei Speicherkarten in Fotoapparaten der Fall wäre, sowie den Verzicht auf die Einführung einer Gerätekettenvergütung.

REGIERUNG BEGRÜSST KOMPROMISS

Man dürfe nicht vergessen, dass EU-rechtliche Bestimmungen Ausgangspunkt für die Neuregelung des Urheberrechts waren, betonte Justizminister Wolfgang Brandstätter. Diese weisen nämlich ausdrücklich darauf hin, dass die private Vervielfältigung fremder Werke nicht ohne gerechten Ausgleich zu Gunsten der Urheber möglich sein darf. Es gehe also primär um den Schutz der Rechte der Künstler und nicht um eine versteckte Steuer, stellte der Minister klar. Aufgrund der technologischen Entwicklungen musste die Leerkassettenvergütung angepasst werden, wobei ein Modell gewählt wurde, das rasch umsetzbar ist. Ein Kompromiss könne wohl nie alle Betroffenen völlig zufrieden stellen, räumte der Minister ein, aber das vorliegende Gesetz sei auf jeden Fall besser als gar keines. Sollte aber jemanden ein besseres Modell einfallen, dann werde er es gerne aufgreifen. Auch die Aufregung um die „cessio legis“ verstehe er nicht ganz, da es jedem Vertragspartner unbenommen sei, zu vereinbaren, was er will.

Bundesminister Josef Ostermayer gab zu bedenken, dass es sich um ein sehr kontroversielles Thema handelt, das seit Jahren diskutiert wurde. In Österreich habe man sich nun entschlossen, einen Weg zu gehen, der auch in den meisten europäischen Ländern gewählt wurde, nämlich die Anknüpfung an das Speichermedium. Aufgrund des technischen Fortschritts war allen Beteiligten natürlich bewusst, dass diese Lösung nicht für die Ewigkeit ist. Um jedoch den Künstlern nicht länger ihr gerechtfertigtes Entgelt vorzuenthalten, wurde nun dieser Schritt gesetzt, erläuterte Ostermayer. (pi)


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