Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes sorgt für neues Konfliktpotenzial in der ohnehin schon aufgeheizten Diskussion um die möglicherweise noch dieses Jahr anstehenden Entscheidung für oder gegen die sogenannte Festplattenabgabe. Das Urteil besagt, dass bei der Festlegung der Vergütung für Privatkopien unrechtmäßige Vervielfältigungen – sprich Raubkopien – nicht berücksichtigt werden dürfen. Sowohl Gegner als auch Befürworter der Festplattenabgabe sehen ihre Argumente durch dieses Urteil bestätigt. [...]
Die Diskussion scheint festgefahren: Gegner der Festplattenabgabe, zum Großteil im Lager des Elektronik-Handels und der Mobilfunker zu funden, warnen vor einer Verteuerung von Geräten, angefangen bei externen Speichermedien, über Computer bis hin zu Smartphones und Tablets, die auf die Konsumenten zukommen könnte. „Im Falle der gesetzlichen Verankerung einer Festplattenabgabe würde ein Belastungspaket in geschätzter Höhe von 45 Mio. Euro die Branche hart treffen. Auch die Konsumenten werden durch die Abgabe zur Kasse geben. Im Durchschnitt würde die Festplattenabgabe Mobilfunkgeräte in Österreich um bis zu 30 Euro pro Device verteuern“, warnt etwa die „Internetoffensive Österreich“ (IOÖ), ein Zusammenschluss österreichischer IKT-Unternehmen wie A1 Telekom Austria, Alcatel-Lucent, Compass-Verlag, HP, Hutchison Drei, Microsoft, Raiffeisen Informatik Consulting, SAP, T-Mobile, WH Medien und des WKO Fachverband für Telekommunikations- und Rundfunkunternehmungen.
„Das derzeitige System oder gar eine Ausweitung der Abgaben auf Festplatten ist nicht mehr zeitgemäß. Eine pauschale Belastung der Branche und damit der Konsumenten, die diese Kosten tragen müssen, ist für alle Mobilfunkanbieter in Österreich inakzeptabel. Der unmittelbare Zusammenhang von Wirtschaftswachstum und starker Mobilfunkstruktur ist klar belegt. Somit würde eine weitere Belastung des Sektors eine massive Schwächung des IKT Standortes Österreich darstellen. Gerade für die Mobilfunkbranche müssen wir die Investitionskraft für die Zukunft sicherstellen“, erklärte etwa Andreas Bierwirth, CEO von T-Mobile Austria und IOÖ-Vorstand im Rahmen einer Pressekonferenz.
Das jüngste Urteil des EuGH (hier als PDF) unterstreicht laut der IOÖ „einmal mehr, dass eine allgemeine Festplattenabgabe der falsche Weg ist“. Die Verwertungsgesellschaften würden eine Entschädigung nicht nur für Privat-, sondern auch für Raubkopien, fordern. „Das EuGH-Urteil verlangt nach einem Neustart der politischen Diskussionen in Österreich zum Thema Urheberrecht. Wir halten eine technologiebezogene Speichermedienabgabe für unzeitgemäß“, so Hannes Ametsreiter, CEO der Telekom Austria Group und Vizepräsident der IOÖ.
„Die rechtliche Unterscheidung zwischen Raubkopie und Privatkopie durch den Europäischen Gerichtshof stellt die Urheberrechtsdiskussion in Österreich auf eine völlig neue Basis“, bläst auch Thomas Schöfmann, Geschäftsführer von Conrad Electronic Österreich und Sprecher der Plattform für ein modernes Urheberrecht, einem der erbittertsten Gegner der Festplattenabgabe, in das gleiche Horn wie seine „Kollegen“ von der Internetoffensive Österreich.
„Das EuGH-Urteil darf nicht ignoriert werden. Es muss jetzt eine Wende in der festgefahrenen politischen Diskussion geben“, fordert Thomas Schöfmann. „Man kann nicht einfach die Konsumenten und Steuerzahler auf Basis von falschen Tatsachen zur Kasse bitten.“ Die Plattform für ein modernes Urheberrecht ist für die Abschaffung der bestehenden Geräteabgaben. Als „zeitgemäßes Alternativmodell“ schlägt die Plattform einen technologieneutralen Kulturbeitrag von 50 Cent monatlich pro Haushalt vor.
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