Forscher entwickeln Touchless-Screen

Touchscreens sind praktisch, noch praktischer aber wären Touchless-Screens. Denn auch wenn mit berührungsempfindlichen Bildschirmen der Siegeszug der Smartphones begann und Bank- oder Fahrkartenautomaten über sie gesteuert werden, haben sie einige Nachteile. So zeigen Touchscreens mit der Zeit mechanischen Verschleiß und wirken als Übertragungsweg für Bakterien und Viren. Um das zu vermeiden, haben Forscher des Stuttgarter Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung und der Ludwig-Maximilians-Universität München nun Nanostrukturen entwickelt, die ihre elektrischen und wahlweise auch ihre optischen Eigenschaften ändern, sobald sich ihnen ein Finger nur nähert. [...]

Zum einen lässt sich die Farbe des Sandwich-Materials über die Schichtdicken der Lagen einstellen. Zum anderen verändert sich die Farbe des Sandwichs, wenn die Forscher, etwa durch einen sich nähernden Finger, die relative Luftfeuchtigkeit in unmittelbarer Nähe des Materials erhöhen. „Der Grund dafür liegt in der Einlagerung von Wassermolekülen in die Antimon-Phosphat-Schichten, wodurch die Schichten stark aufquellen“, erklärt Katalin Szendrei. „Da sich auf diese Weise die Schichtdicke ändert, wechselt auch die Farbe des Sensors, die ähnlich erzeugt wird wie die Farbe etwa eines Schmetterlingsflügels oder in Perlmutt.“

MATERIAL SPRICHT RASCH AN

Dieses Verhalten ist prinzipiell bekannt und charakteristisch für sogenannte photonische Kristalle. Noch nie zuvor allerdings hatten Forscher eine so starke Farbänderung beobachtet wie jetzt in Stuttgart. „Die Farbe der Nanostruktur schlägt bei der Annäherung eines Fingers beispielsweise von Blau nach Rot um. Somit lässt sich die Farbe abhängig von der Menge des aufgenommenen Wasserdampfs durch das gesamte sichtbare Spektrum durchstimmen“, betont Bettina Lotsch.

Der neue Ansatz der Forscher besticht aber nicht nur durch seinen deutlichen Farbumschlag. Wichtig ist auch, dass das Material binnen weniger Millisekunden auf die Feuchtigkeitsänderung ansprach – und damit vergleichsweise schnell. Bei früher untersuchten Materialien waren Ansprechzeiten von etlichen Sekunden oder mehr üblich. Viel zu langsam also für den Einsatz in der Praxis. Und noch etwas kommt hinzu, das frühere Materialien nicht immer erfüllten: Die Sandwich-Struktur aus Antimon-Phosphat und den Oxid-Nanopartikeln erweist sich als chemisch äußerst stabil und spricht selektiv auf Wasserdampf an.

HYGIENE

Die Forscher können sich ihre Materialien nicht nur in künftigen Generationen von Smartphones, Tablets oder Notebooks vorstellen. „Vielerorts wo Menschen derzeit Displays berühren müssen, um zu navigieren, sind schließlich auch berührungslos arbeitende Bildschirme denkbar“, so Bettina Lotsch. Etwa an Bank- oder Fahrkartenautomaten oder auch an der Gemüsewaage im Supermarkt. Gerade bei Displays im öffentlichen Raum, die von vielen Menschen genutzt werden, hätte eine berührungslose Variante klar hygienische Vorteile.

Bevor es zu solchen Einsätzen kommt, müssen die Wissenschaftler aber noch weitere Herausforderungen meistern. Wichtig ist zum Beispiel, dass sich die Nanostrukturen wirtschaftlich herstellen lassen. Um Verschleiß zu minimieren, müssten die Strukturen bei einer Verwendung etwa als Display noch mit einer Schutzschicht überzogen werden. Diese wiederum muss hinsichtlich der Anforderungen einen Spagat machen: Einerseits muss sie die feuchtigkeitsempfindlichen Schichten vor chemischen und mechanischen Einflüssen schützen. Zum anderen muss sie Feuchtigkeit natürlich passieren lassen. Die Stuttgarter Forscher haben dafür aber schon eine Idee. Mit einem Kooperationspartner wollen sie diese nun umsetzen. (pi)


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