Die renommierte Informatikerin Frances E. Allen (88) ist letzte Woche gestorben. Sie war die erste Frau, die den Turing-Award erhalten hatte. [...]
Eine Ikone der weiblichen Informatik-Szene hat vergangene Woche ihre letzte Reise angetreten. Frances Elizabeth Allen ist am 4. August, genau an ihrem 88. Geburtstag, in einem Altersheim an den Folgen einer Alzheimer-Erkrankung gestorben. Sie war über 45 Jahre bei IBM beschäftigt, war renommierte Compiler-Spezialistin und wurde zudem als erster weibliche „IBM Fellow“ ausgezeichnet. Auch das Thema „Frauen und IT“ war ihr ein großes Anliegen, als Mentorin ermutigte Allen Frauen in den 80er und 90er Jahren, sich ihren Platz in der Informatik und IT-Branche zu suchen. So übte Allen auch einen nachhaltigen Einfluss auf ihre Studentin Anita Borg (1949 – 2003) aus. Borg arbeitete selbst als Informatik-Forscherin und gründete das Institute for Women and Technology and die Grace Hopper Celebration of Women in Computing.
Erst Anfang diese Jahres hatte das US-amerikanische Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) angekündigt, ihr zu Ehren die „IEEE Frances E. Allen Medal“ zu vergeben. Mit der neuen Medaille sollen ab 2021 Frauen ausgezeichnet werden, die sich für Frauen in der Informatik und in der IT-Branche einsetzen. „Frances Allen war von entscheidender Bedeutung, um Menschen immer einfachere Möglichkeiten zu bieten, Computern zu sagen, was zu tun ist“, würdigte Prof. Michelle Mills Strout, die an der Universität von Arizona Informatik unterrichtet und sich selbst auf Compiler-Technologie spezialisiert hat, in einem Interview mit der NY Times die verstorbene Compiler Spezialistin aus den USA.
Auf Farm ohne Strom aufgewachsen
Frances Elizabeth Allen wurde am 4. August 1932 in Peru, New York, in der Nähe des Champlain-Sees und etwa 30 Meilen von der kanadischen Grenze entfernt geboren. Ihre Eltern, John und Ruth (Downs) Allen, besaßen eine Milchfarm, und die kleine „Fran“, das älteste von sechs Kindern, wuchs dort ohne fließendes Wasser oder Strom auf. Strom kam erst in den frühen 1940er Jahren an, und selbst dann lief er nur zur Scheune, nicht zum Haus der Familie.
Allen besuchte eine Einraumschule in weniger als einer Meile Entfernung und leistete ihren Beitrag auf der Farm, vom Melken der Kühe bis zur Hilfe bei der Feldarbeit. Nach ihrem Abschluss mit Auszeichnung an der örtlichen High School studierte sie am New York State College für Lehrer (heute Universität in Albany, Teil der State University of New York).
Zurück in Peru arbeitete sie kurz als Lehrerin. Ihre Schwester Catherine war unter ihren Schülern. Allen erwarb 1957 einen Master-Abschluss in Mathematik an der University of Michigan und nahm eine Stelle bei IBM in einem Büro in Poughkeepsie, New York, an, um ihre College-Schulden zu begleichen. Obwohl sie geplant hatte, wieder zu unterrichten, blieb sie die nächsten 45 Jahre im Unternehmen.
Als Forscherin für IBM jahrzehntelang im Einsatz
1959 wurde sie in das Projekt Stretch eingebunden, wo sie für die Compileroptimierung und die Entwicklung der Kryptoanalyse-Hochsprache Alpha für die NSA-Abwandlung des 7030 Stretch, 7950 Harvest, verantwortlich war. Anschließend war sie in Kalifornien an der Entwicklung des Compilers für den IBM ACS-1 und IBM ACS-360 beteiligt, wo sie ihre Zusammenarbeit mit John Cocke intensivierte. Allen veröffentlichte viele Erkenntnisse aus diesen Arbeiten in richtungsweisenden Papers Bei IBM war sie in den siebziger Jahren mit dem Projekt Future Systems und experimentellem Compilerbau befasst.
Anfang der 1980er-Jahre gründete sie auf Anraten von Irving Wladawsky-Berger die Parallel Translation Group (PTRAN), eine Gruppe zur Erforschung von Compilern für Parallelrechner. Diese entwickelte sich zu einer führenden Forschungsgruppe für Parallelisierung und brachte grundlegende Algorithmen und Techniken der Programmoptimierung hervor, die in heutigen Compilern allgegenwärtig sind. Mitte der 1990er-Jahre wurde die PTRAN-Gruppe aufgrund eines Strategiewechsels von IBM geschlossen, und Allen wurde 1995 erste Vollzeit-Präsidentin der IBM Academy of Technology, in die sie seit deren Gründung 1989 involviert war, und die die Aufgabe hat, die technischen Positionen von IBM den Angestellten zu vermitteln.
Frances Allen wurde 1989 als erster Frau der Titel eines IBM Fellow verliehen. Im Jahr 2002 ging Allen offiziell in den Ruhestand, 2006 wurde sie dann als erste Frau überhaupt für ihre Leistungen in der Compiler-Optimierung mit dem Turing-Award ausgezeichnet, der jährlich von der Association for Computing Machinery (ACM) an Personen verliehen, die sich besonders um die Entwicklung der Informatik verdient gemacht haben. Die Auszeichnung gilt als der „Nobelpreis der Informatik“. Präsidentin der ACM ist seit heuer übrigens die Österreicherin Gabriele Kotsis, Informatik-Professorin an der Uni Linz.
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