Free, der zweitgrößte Internet-Provider des Landes, hat seinen Kunden via Firmware-Update des DSL-Routers Freebox einen Werbe-Blocker frei Haus geliefert. Davon waren die Inhalteanbieter aber nicht begeistert, mittlerweile hat die zuständige Ministerin Fleur Pellerin die Nutzung untersagt. Die daraus entstandene Diskussion hält aber noch an. [...]
Die französische Regierung hat dem zweitgrößten Internet-Provider des Landes verboten, standardmäßige Werbeblocker in seine Angebote zu integrieren. Die Entscheidung könnte richtungsweisend für andere europäische Länder sein, wie die New York Times schreibt. Durch die Integration von Reklamefiltern in seine Zugangssoftware wollte der Provider Free Druck auf Unternehmen, die Inhalte im Netz bereitstellen – allen voran Google – ausüben. Hintergrund ist ein Streit zwischen den Anbietern von bandbreitenintensiven Anwendungen wie YouTube und Providern, bei dem es darum geht, wer von Werbeeinnahmen profitiert und wer die Rechnung für den Ausbau der Infrastruktur bezahlt.
Free hat vor rund einer Woche damit begonnen, das Firmwareupdate an seine über fünf Mio. Kunden auszuliefern, der standardmäßig alle Reklameeinschaltungen verhindern soll – was er Meldungen zufolge jedoch ohnehin nicht sehr zuverlässig tut. Das wurde jedoch quasi als offene Kriegserklärung an Onlinemedien und andere Anbieter von Inhalten verstanden, die praktisch vollständig von den Einnahmen durch Werbung abhängig sind. Die französische Regierung hat diesem Treiben jetzt mit der Begründung ein Ende gesetzt, dass ein standardmäßiger Werbeblocker einen Eingriff in das Recht der Nutzer auf uneditierte Informationen darstelle. Werbeblocker sind demzufolge eine Zensurmaßnahme.
WERBEBLOCKER SIND ZENSUR?
Der Entscheidung der französischen Politik war eine Protestwelle kleinerer Inhaltsanbieter vorausgegangen. Der Vorstoß von Free ist als Warnung an die Content-Anbieter zu verstehen. Der Streit um Gewinn- und Kostenverteilung im Geschäft mit Online-Inhalten scheint sich zuzuspitzen. Da Angebote wie YouTube immer mehr Bandbreite erfordern, sehen sich Internet-Provider in einer Zwickmühle: Sie fürchten die Kosten für die Ausweitung der technischen Infrastruktur tragen zu müssen, ohne an den Einnahmen beteiligt zu werden, während Firmen wie Google sich praktisch auf ihrem Rücken eine goldene Nase verdienen.
Während die US-amerikanische Federal Communications Commission schon seit 2010 Net-Neutrality-Richtlinien erlassen hat, die es Providern verbieten, legale Inhalte auszublenden oder zu benachteiligen, haben die europäischen Behörden sich in dieser Frage bisher zurückgehalten. Die Entscheidung in Frankreich könnte also ein Präzedenzfall für den Rest Europas werden. Sollte sich die Netz-Neutralität, die den freien Fluss von Information im Internet gewährleisten soll, durchsetzen, heißt das aber noch nicht, dass Google gewonnen hat. Nicht nur in Frankreich steigt der Druck auf den Konzern, seine Gewinne mit seinen Zuarbeitern zu teilen.
Medienhäuser, die jene Inhalte liefern, mit denen Google den Platz neben seinen Werbeeinschaltungen füllt, beklagen schon seit Jahren die ungerechte Verteilung der Gewinne, die mit ihrem Content gemacht werden. In Deutschland wird das Leistungsschutzrecht diskutiert, in Frankreich wird überlegt die Steuern, die Google auf seine Werbeeinnahmen zahlt, für die Subventionierung lokaler Webseiten zu verwenden. Dass Problem mit dieser Idee ist, dass Google sein Werbenetzwerk derzeit steuersparend über Irland zu französischen Usern umleitet.
KRISE IN ONLINE-WERBUNG
Till Faida, Mitgründer des beliebten Reklame-blockenden Browser-Plugins Adblock Plus, analyisiert: „Der Vorstoß des Internetproviders Free in Frankreich zeigt, in welcher Krise sich Online-Werbung derzeit international befindet. Mittlerweile wurde Free zwar untersagt, diese Funktion zu nutzen; dennoch ist die Nachfrage der Verbraucher nach Werbeblocker groß. Die Suchanfragen nach ‚Adblock‘ in Frankreich haben sich nach der Bekanntgabe von Free, einen automatischen Werbeblocker als Funktionalität zu integrieren, mehr als verdoppelt. Rund 100.000 neue Abonnenten haben sich in den letzten Tagen das Add-on Adblock Plus heruntergeladen. Tatsache ist: Das Vertrauen der Nutzer in Internet-Werbung schwindet. Entweder ignorieren sie blinkende Banner oder suchen nach Möglichkeiten, Werbung dauerhaft zu blockieren. Die Werbewirtschaft reagiert bisher leider, indem Banner immer noch aufdringlicher gestaltet werden, was diese Negativspirale fortsetzt.“
Die zunehmende Verbreitung von Werbeblockern würden viele Online-Medien und Blogger als Bedrohung emfinden, so Faida weiter. „Uns ist bewusst, dass Werbung eine wichtige Rolle für kostenlose Inhalte im Internet einnimmt. Im Rahmen der ‚Acceptable Ads‘-Initiative wollen wir daher einen Kompromiss zwischen Nutzern und Websites finden, indem wir eine nachhaltige Lösung für das wachsende Problem der Ablehnung von Werbung im Internet schaffen.“ Mit der Initiative solle ein Anreiz geschaffen werden, ansprechendere Werbung einzusetzen, da sich mit „nicht-nervenden Formaten“ viel mehr Nutzer erreichen lassen würden. Faida: „Unaufdringliche Werbung funktioniert viel besser, dadurch dass User nicht durch blinkende Banner abgelenkt oder von der Website vertrieben werden.“ (rnf/pte)
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