Die Geschäfte der Fressnapf Gruppe mit Haustierbedarf laufen rund – eine gute Ausgangsposition, um die Marktkette zu einem veritablen Ökosystem auszubauen und das Angebot um viele neue Dienste zu erweitern. [...]
Vom frostsicheren Hühnerstall über die Wüsten-Deko im Terrarium bis hin zum klassischen Hunde- und Katzenfutter – mehr als 15.000 Produkte finden Haustierbesitzerinnen und -besitzer in den Märkten und im Online-Shop der Fressnapf Gruppe. Doch für den europaweit größten Anbieter von Heimtierbedarf geht es um mehr als den Verkauf von Produkten. Die Verantwortlichen in der Krefelder Unternehmenszentrale bezeichnen sich als „Tierisch engagiert“ und planen den Aufbau eines ganzen Ökosystems rund um das Tier.
1990 wurde der erste „Freßnapf-„Fachmarkt in Erkelenz, Nordrhein-Westfalen, gegründet. Heute gehören über 1.800 Fressnapf- und Maxi-Zoo- Märkte in elf Ländern sowie fast 16.000 Beschäftigte aus über 50 Nationen zur Unternehmensgruppe. In Deutschland wird die überwiegende Anzahl der Märkte von selbstständigen Franchisepartnern betrieben, im europäischen Ausland als firmeneigene Filialen.
Fressnapf arbeitet mit Hochdruck an einer Plattform, um seine Kunden enger an das Unternehmen zu binden und eine Community rund um das Haustier zu schaffen.
„Wir bauen das Ökosystem, um überall Produkte, Services, Dienstleistungen sowie Tierliebhaber und ihre Tiere miteinander zu verbinden und so das Zusammenleben von Mensch und Tier einfacher, besser und glücklicher zu machen“, sagt Benjamin Beinroth , Senior Vice President für IT & Processes bei Fressnapf. Man wolle stabile Prozesse im Backend schaffen, um mit der digitalen Plattform schneller und flexibler neue Services entwickeln zu können.
„Wir integrieren die physische und die digitale Welt innerhalb unseres Ökosystems und stellen über unsere digitale Plattform eine kanalübergreifende und konsistente Verfügbarkeit von Informationen, Services und Produkten sicher“, ergänzt Manuel Cranz, Vice President Enterprise Architecture von Fressnapf. Der Manager spricht von einer „Seamless Customer Journey“ über sämtliche Kanäle hinweg.
Konsequente Ausrichtung auf die Cloud
Fressnapf setzt für dieses Modell konsequent auf die Cloud. Den architektonischen Rahmen bilden die Azure-Infrastruktur von Microsoft sowie die Business Technology Platform (BTP) von SAP. Neue Infrastruktur, Plattformen und Anwendungen werden zuerst in der Cloud umgesetzt. Auch Bestandssysteme würden sukzessive in die Cloud gehoben, um besser mit der Entwicklung des Ökosystems skalieren zu können.
Mit dem Plattformansatz und dem Einsatz neuer Technologien sei es gelungen, veraltete Silostrukturen und Monolithen aufzubrechen. Gleichzeitig habe Fressnapf die Entwicklung neuer digitaler Services beschleunigen und flexibilisieren können. Mit der Entkopplung der Backend-Systeme von den unterschiedlichen Touchpoints bleibe die Stabilität der geschäftskritischen Prozesse im Hintergrund gewährleistet. Gleichzeitig werde die Flexibilität zum Kunden hin erhöht, sagen Othman Zabar und Robin Rettinghaus, Senior Experts Enterprise Architecture bei Fressnapf.
Die technische Neuausrichtung erforderte massive organisatorische Veränderungen. Die Verantwortlichen sprechen von einem neuen Mindset im Unternehmen. Statt auf das klassische Plan-Build-Run-Verfahren setze man nun auf agile DevOps- und Dev-Sec-Ops-Ansätze. Anstelle von Standardsoftware kämen mehr Individuallösungen zum Einsatz, die sich unmittelbar an den Bedürfnissen der Kunden orientierten und oft sehr schnell als Minimum Viable Products (MVPs) ihren Weg zu den Kunden fänden.
Um sie zu entwickeln, beschäftigen sich die ITler von Fressnapf mit neuen Programmiersprachen. Man möchte neue Themen schnell am Markt beziehungsweise am Kunden verproben, damit das Feedback in künftige Entwicklungen einfließen kann.
In nur einem Jahr, vom Januar 2021 bis Februar 2022, haben die Fressnapf-IT und ihre externen Partner die digitale Plattform hochgezogen. Das erste Fazit fällt positiv aus: „Fressnapf konnte mit der SAP BTP und Microsoft Azure als Kernkomponenten in einem Multi-Cloud Ansatz ein neues digitales Ökosystem etablieren und an zentralen Stellen der IT-Systemlandschaft wesentliche Optimierungen vornehmen“, schreiben die IT-Verantwortlichen, die sich mit ihrem Projekt für den Best Practices Award beim CIO „Cloud & Infrastructure Summit“ des CIO-Magazins beworben haben.
„In kurzer Zeit konnten erste Omnichannel-Services durch den Ansatz der digitalen Plattform eingeführt werden. Das Feedback der Stakeholder, insbesondere aus den Filialen und von den Kunden, ist positiv.“
Cloud als Basis für neue Geschäftsmodelle
Um die Möglichkeiten der Plattform weiter auszuschöpfen, baut Fressnapf seit März dieses Jahres unter dem Namen „fnx“ einen neuen Bereich für das Dienstleistungsgeschäft rund um innovative Geschäftsmodelle und Services auf. Dabei könne es sich sowohl um eigene Angebote der Fressnapf Gruppe, als auch um Angebote interessanter Startups handeln. fnx soll Tierfreunden in ganz Europa Unterstützung bei allen Themen zu bieten, die mit dem Haustier zu tun haben.
Dort arbeiten Menschen mit Technologie-, Innovations- und Startup-Hintergrund an Lösungen wie dem digitalen Tierarzt Dr. Fressnapf, einem GPS-Tracker, einer Trainings-Plattform, aber auch an physischen Angeboten wie etwa einem Tierfriseur oder Tierarztpraxen. Zusätzlich werkelt das Team an neuen Produkten wie Tierversicherungen oder einer „Wunschtierberatung“ beziehungsweise -vermittlung.
Fressnapf leistet sich seine Plattforminitiative aus einer Position der Stärke heraus. 2021 erzielte die Gruppe einen Jahresumsatz von 3,17 Milliarden Euro. Das entspricht einem Wachstum von über 500 Millionen Euro beziehungsweise fast 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – das größte Plus in fast 32 Jahren Unternehmensgeschichte. Die Verantwortlichen sehen denn auch eine starke Basis, um die Entwicklung hin zum Ökosystem rund um das Heimtier voranzutreiben.
Es gehe darum, kundenzentrierter, technologiegesteuerter und datengetriebener zu agieren. „Unser Weg vom Versorger zum Umsorger ist die teuerste und größte Transformation der Unternehmensgeschichte“, betonte Fressnapf-Gründer Torsten Toeller. „Wir stemmen diese Unternehmenstransformation aus eigener Ertragskraft. Dabei investieren wir dreistellige Millionenbeträge pro Jahr – ohne Banken oder Investoren.“
*Martin Bayer: Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP; Betreuung von News und Titel-Strecken in der Print-Ausgabe der COMPUTERWOCHE.
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