Führungskräfte mit hybriden Arbeitsmodellen überfordert

69 Prozent der Führungskräfte sind der Meinung, dass ihr Unternehmen den Übergang zu Remote- und Hybrid-Arbeitsplätzen reibungslos bewältigt hat – dem stimmt jedoch nur die Hälfte (49 Prozent) der Beschäftigten zu. Das zeigt die aktuelle globale Studie des Capgemini Research Institute „Relearning Leadership: Creating the Hybrid Workplace Leader“. [...]

Christoph Holper, Head of Workforce and Organization bei Capgemini invent Österreich (c) Capgemini
Christoph Holper, Head of Workforce and Organization bei Capgemini invent Österreich (c) Capgemini

Der hybride Arbeitsplatz stellt Unternehmen vor einzigartige Herausforderungen und erfordert eine erneute Ausrichtung auf Führungsqualitäten wie Authentizität, emotionale Intelligenz (EI), die Bereitschaft zu Veränderungen sowie die Fähigkeit, eine Vertrauenskultur zu schaffen, in der sich die Mitarbeiter gestärkt fühlen. Unternehmen unterstützen ihre Führungskräfte jedoch noch zu wenig dabei, in einem hybriden Arbeitsumfeld effektiv zu führen. 

Von Führungskräften wird erwartet, dass sie ihre Teams anleiten und inspirieren, indem sie Eigenschaften wie Authentizität und emotionale Intelligenz leben und ihnen die erforderliche Autonomie gewähren. Allerdings gaben nur 37 Prozent der Mitarbeitenden in nicht-leitenden Funktionen an, dass ihr Unternehmen Teams aktiv dabei unterstützt, eigene Entscheidungen zu treffen. Zudem fühlt sich weniger als die Hälfte (47 Prozent) im Verlauf der Pandemie von ihrem Unternehmen einbezogen und gehört. 

Tatsächlich hat die Pandemie die Notwendigkeit, das körperliche und mentale Wohlbefinden der Belegschaft ernst zu nehmen, noch stärker in den Fokus gerückt. Aber es gibt eine Wahrnehmungslücke zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften, was den effektiven Umgang mit den Themen Gesundheit und Wohlbefinden während der Krise angeht. So glauben 72 Prozent der Führungskräfte, dass sich die Unternehmen um das körperliche und geistige Wohlbefinden der Mitarbeiter gekümmert haben, bei den Mitarbeitenden waren nur 49 Prozent dieser Meinung. Darüber hinaus gaben nur 34 Prozent der Befragten an, dass ihr Unternehmen aktiv an Initiativen zur Verringerung des Burnouts arbeitet.

Kernkompetenzen für Führungskräfte in einer hybriden Welt

Die Studie zeigt, dass für die neue hybride Arbeitswelt auch neue Ansätze der empathischen Mitarbeiterführung erforderlich sind. Vertrauen ist für diesen Wandel von zentraler Bedeutung: Eine überwältigende Mehrheit (84 Prozent) der Befragten sieht die Fähigkeit, eine Vertrauenskultur zu schaffen, in der sich die Mitarbeitenden selbstbestimmt fühlen, als eine der wesentlichen Kompetenzen von Führungskräften an. In den meisten Unternehmen fehlt es jedoch an geeigneten Maßnahmen zur Förderung einer Vertrauenskultur und zur Befähigung von Teams. So führen nur 34 Prozent der Unternehmen Programme zur Schulung von Führungskräften durch, um die für den Aufbau einer Vertrauenskultur erforderlichen Fähigkeiten zu entwickeln.

Das gilt auch für andere Kompetenzen. So sehen die Mitarbeiter eine Diskrepanz zwischen den wichtigsten Fähigkeiten, die sie von ihren Führungskräften erwarten, und deren derzeitigem Leistungsniveau. Aus Sicht der Mitarbeitenden halten 75 Prozent emotionale Intelligenz für eine wesentliche Eigenschaft, aber nur 47 Prozent glauben, dass die Führungskräfte in diesem Bereich wirklich kompetent sind. Trotz des wahrgenommenen Mangels an Kompetenzen und Eigenschaften der Führungskräfte setzen Unternehmen noch zu wenig Trainingsprogramme auf, um die benötigten Fähigkeiten aufzubauen. Nur 27 Prozent der Unternehmen bieten beispielsweise umfassende Programme zur Entwicklung von Führungsqualitäten an. 

Anpassen von Methoden und Prozesse an den hybriden Arbeitsplatz

Es kommt allerdings nicht nur auf die Schulung von Führungskräften an. Die Unternehmen müssen auch die Voraussetzungen schaffen, damit die Führungskräfte effektiv arbeiten können. Dazu gehört die Neugestaltung von Prozessen und Rahmenbedingungen für die Einstellung und Leistungsbeurteilung von Führungskräften – diese sind notwendig, damit die für hybride Arbeit erforderlichen Fähigkeiten und Eigenschaften angemessen berücksichtigt und honoriert werden können. Grundlegende Änderungen in solchen Prozessen sind eine notwendige Ergänzung für die Schulung von Führungskräften. Die Studie macht allerdings deutlich, dass sich die Unternehmen nicht ausreichend auf diese grundlegenden Veränderungen konzentrieren. So geben beispielsweise nur 33 Prozent der Personalverantwortlichen an, dass ihr Unternehmen die Einstellungspraktiken überarbeitet hat, um Führungskräfte zu gewinnen, die über die in einer hybriden Arbeitswelt erforderlichen Eigenschaften und Verhaltensweisen verfügen. Und nur 36 Prozent gaben an, dass sie die Prozesse in Bezug auf Vergütung und Sozialleistungen angepasst haben, um diese Führungskräfte zu belohnen.

Systemorientierter Ansatz notwendig

Laut der Studie hat nur eine kleine Gruppe führender Unternehmen (in der Studie auch „Vorreiter“ genannt), umfassend und unternehmensweit Programme zur Entwicklung von Führungskräften umgesetzt und ihre Führungsstrukturen und -prozesse grundlegend überarbeitet. Die Mitarbeitenden dieser Organisationen genießen im Gegensatz zu den übrigen Unternehmen eine sehr gute Employee Experience. So sind beispielsweise 80 Prozent der Mitarbeitenden in führenden Unternehmen der Meinung, dass ihre Organisation sie unterstützt hat, ihre Arbeit selbst in die Hand zu nehmen und mehr Autonomie und Ehrlichkeit zu entwickeln (im Vergleich zu durchschnittlich 52 Prozent der Mitarbeiter in anderen Unternehmen).

Unternehmen, die ihre Führungsprogramme umfassend ausbauen, können ihre Belegschaft stärker davon profitieren lassen. Sie müssen allerdings eine kulturelle Grundlage schaffen, die den Wandel ermöglicht. Dies erfordert eine radikale Überarbeitung von Prozessen und Methoden – nur so können sie Führungskräfte gewinnen und belohnen, die das erforderliche Verhalten vorleben und die letztlich die Unternehmen in eine erfolgreiche hybride Zukunft zu führen.

Christoph Holper, Head of Workforce & Organization bei Capgemini Invent Österreich, resümiert: „Unsere Studie zeigt eine deutliche Diskrepanz zwischen den Ansichten des oberen Managements und der Beschäftigten in vielen Unternehmen. Während die Technologie die rasche Einführung des hybriden Arbeitens erleichtert hat, haben die Management- und Führungspraktiken in vielen Fällen nicht Schritt gehalten. Es ist klar, dass das Konzept der Führung für den hybriden Arbeitsplatz der Zukunft erneuert werden muss. Um dies zu erreichen, müssen Unternehmen ihre Führungskräfte befähigen, empathisch, authentisch und glaubwürdig zu sein. Sie müssen in den Aufbau der notwendigen Infrastruktur für die Entwicklung von Führungskräften investieren sowie die erforderlichen Rahmenbedingungen wie Steuerungsprozesse, Managementpraktiken und -richtlinien zur Unterstützung des erforderlichen Führungsverhaltens schaffen.“

Details zur Studienmethodik

Die Ergebnisse von Capgemini basieren auf einer zweistufigen globalen Studie, die große Unternehmen in zwölf Ländern in Schlüsselbranchen wie der Automobilindustrie, Energie und Versorgungsunternehmen, der Fertigung, Finanzdienstleistungen, Gesundheitswesen, Konsumgüter und Einzelhandel und den öffentlichen Sektor umfasst. Es wurden 1.380 Personen aus 548 Unternehmen befragt sowie Interviews mit Führungskräften aus der Industrie, Wissenschaftlern und Experten für die Entwicklung von Führungskräften geführt.


Mehr Artikel

Rüdiger Linhart, Vorsitzender der Berufsgruppe IT der Fachgruppe UBIT Wien. (c) WeinwurmFotografie
Interview

IT-Berufe im Fokus: Innovative Lösungen gegen den Fachkräftemangel

Angesichts des anhaltenden IT-Fachkräftemangels ist schnelles Handeln gefordert. Die Fachgruppe IT der UBIT Wien setzt in einer Kampagne genau hier an: Mit einem breiten Ansatz soll das vielfältige Berufsbild attraktiver gemacht und innovative Ausbildungswege aufgezeigt werden. IT WELT.at hat dazu mit Rüdiger Linhart, Vorsitzender der Berufsgruppe IT der Fachgruppe UBIT Wien, ein Interview geführt. […]

News

ISO/IEC 27001 erhöht Informationssicherheit bei 81 Prozent der zertifizierten Unternehmen

Eine Umfrage unter 200 Personen verschiedener Branchen und Unternehmensgrößen in Österreich hat erstmals abgefragt, inwiefern der internationale Standard für Informationssicherheits-Managementsysteme (ISO/IEC 27001) bei der Bewältigung von Security-Problemen in der Praxis unterstützt. Ergebnis: Rund 81 Prozent der zertifizierten Unternehmen gaben an, dass sich durch die ISO/IEC 27001 die Informationssicherheit in ihrem Unternehmen erhöht hat. […]

News

Public Key Infrastructure: Best Practices für einen erfolgreichen Zertifikats-Widerruf

Um die Sicherheit ihrer Public Key Infrastructure (PKI) aufrecht zu erhalten, müssen PKI-Teams, sobald bei einer Zertifizierungsstelle eine Sicherheitslücke entdeckt worden ist, sämtliche betroffenen Zertifikate widerrufen. Ein wichtiger Vorgang, der zwar nicht regelmäßig, aber doch so häufig auftritt, dass es sich lohnt, PKI-Teams einige Best Practices für einen effektiven und effizienten Zertifikatswiderruf an die Hand zu geben. […]

News

UBIT Security-Talk: Cyberkriminalität wächst unaufhaltsam

Jedes Unternehmen, das IT-Systeme nutzt, ist potenziell gefährdet Opfer von Cyberkriminalität zu werden, denn die Bedrohung und die Anzahl der Hackerangriffe in Österreich nimmt stetig zu. Die Experts Group IT-Security der Wirtschaftskammer Salzburg lädt am 11. November 2024 zum „UBIT Security-Talk Cyber Defense“ ein, um Unternehmen in Salzburg zu unterstützen, sich besser gegen diese Bedrohungen zu wappnen. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*