Fünf Industrie-Trends und was Produktionsunternehmen jetzt tun sollten

Die deutschen Unternehmen kennen sich in Sachen neue Technologien und Digitalisierung bestens aus. Doch es gelingt ihnen nur langsam, von der Überlegung zur Umsetzung zu kommen, so aktuelle Studien. Experten warnen, hiesige Betriebe könnten den Anschluss verlieren. Diese fünf aktuellen Trends sollten sie daher auf keinen Fall aussitzen. [...]

Lieferketten beginnen regionaler zu werden und auf einen Bruchteil ihrer derzeitigen Größe zu schrumpfen. (c) zapp2photo - Fotolia
Der Rückgriff auf KI macht Automatisierungsansätze einfach nutz- und programmierbar. (c) zapp2photo - Fotolia

Die vierte industrielle Revolution ist in vollem Gange. Eine ganze Reihe von Studien zeigt jedoch: Die meisten Betriebe sind noch nicht besonders weit mit der Umsetzung. Dies ergab auch eine Umfrage des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) vom Frühjahr 2019. Zwar kannte eine überwiegende Mehrheit der Teilnehmer fast alle der 15 abgefragten Digitaltechnologien. Das Gros der Betriebe hatte jedoch viele davon noch nicht einmal in der Planung, geschweige denn im Testbetrieb.

Zusätzlich zum digitalen Fortschritt verändern sich auch die Rahmenfaktoren für die Industrieunternehmen massiv. Parsable, führender Anbieter einer Software-Plattform für vernetztes Arbeiten, hat fünf Entwicklungen identifiziert, die Produktionsleiter und die Verantwortlichen für Digitalisierung jetzt unbedingt ins Visier nehmen sollten.

Das Ende des Offshoring ist eingeläutet

Lange Zeit wurden Fabriken ins Ausland verlagert, um die Lohnkosten zu reduzieren. Aber die dadurch möglichen Einsparungen schrumpfen. Dabei spielt die voranschreitende Digitalisierung eine zentrale Rolle. Weil immer mehr Arbeiten automatisiert werden, sinkt der Lohnanteil an den Produktionskosten, während gleichzeitig die Gehälter in den sogenannten Billiglohnländern steigen. Daher zieht es immer weniger Unternehmen ins Ausland. Damit nicht genug: Viele verlagern ihre Fertigung sogar zurück nach Deutschland. Dies belegt eine repräsentative Studie des Fraunhofer Instituts ISI und der Hochschule Karlsruhe Technik und Wirtschaft.

Für Unternehmen mit internationalen Fertigungsstandorten bedeutet das, dass sie ihre Auslandsfertigung auf den Prüfstand stellen sollten. „Nehmen Sie deren Prozesse gründlich unter die Lupe. Fordern Sie Ihre Wirtschaftsingenieure dazu auf, sich Gedanken über mögliche Abläufe in einer repatriierten Fabrik zu machen“, rät Lawrence Whittle, CEO von Parsable. „Die Rückführung von Werken bietet zudem die Chance, Ihre technologische Infrastruktur, inklusive IT-Systeme und Operational Technology (OT), zu überdenken. Zudem können Sie Potenziale zur Effizienzsteigerung identifizieren – für das Front Office ebenso wie für die Mitarbeiter im Außendienst.“

Fabriken werden kleiner

Lieferketten beginnen regionaler zu werden und auf einen Bruchteil ihrer derzeitigen Größe zu schrumpfen. In Folge benötigen die einzelnen Fabriken der Zukunft weniger Platz, um die Nachfrage zu decken. Sie werden sich mehr und mehr im Umfeld derjenigen Städte ansiedeln, die sie auch beliefern – ein Trend, den Amazon mit seinen Logistikzentren bereits angestoßen hat.

Produktionsleiter sollten sich daher jetzt mit der Frage befassen, wie eine Mikrofabrik für ihre Produkte aussehen könnte: Welche Technologie würden sie einsetzen? Wie sähen die Arbeitsplätze dort aus? Von diesem Gedankenexperiment ist es dann nicht mehr weit bis zum nächsten Schritt: zu einem Test oder einem Prototyp. So sammeln sie wertvolle Erfahrungen, bevor der Wettbewerb nachzieht.

Variantenvielfalt wird die neue Norm

Zu den großen Trends zählt der Wunsch vieler Kunden nach immer mehr Auswahl. In der Fertigung geht die Entwicklung daher zu kleineren Losgrößen bis hin zu Einzelanfertigungen. Technologien wie Konfiguratoren oder der 3D-Druck ermöglichen es Herstellern, diese Nachfrage zu decken. Das Umrüsten findet dann nicht nur wenige Male am Tag, sondern quasi laufend statt. Damit die Betriebskosten dabei nicht aus dem Ruder laufen, müssen die Fabriken jedoch nicht nur unendlich flexibel, sondern auch sehr effizient sein.

Industrieunternehmen sollten daher überlegen: Für welche Produkte möchten sie noch mehr Anpassungen oder Varianten anbieten? Um diese „Mikrobedürfnisse“ ihrer Kunden zu verstehen, sollten sie zuallererst etwas Marktforschung betreiben. Im zweiten Schritt können sie dann überlegen, welche Varianten sie dafür benötigen und welche Technologien, Maschinen und Verfahren sie brauchen, um diesen Grad der Individualisierung umzusetzen.

Der Fachkräftemangel verschärft sich

Die flexible, kleinere Fabrik von morgen wird wesentlich automatisierter sein als die meisten Fabriken heute. Daher werden dort auch ganz andere Mitarbeiterqualifikationen gebraucht. Zugleich fällt diese Entwicklung mit einem massiven Fachkräftemangel zusammen. Denn laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes beginnt ab 2025 für die geburtenstarken Baby-Boomer-Jahrgänge der Ruhestand. Allein im Jahr 2030 werden voraussichtlich eine halbe Million Menschen mehr in Rente gehen, als in den Arbeitsmarkt eintreten.

Da sich das Profil der Arbeitnehmer in der Produktion mit der fortschreitenden Digitalisierung ändert, heißt es umdenken, sagt Whittle: „Jobs in der Produktion gewinnen an strategischer Bedeutung und können folglich besser bezahlt werden. Das bedeutet, dass sie Arbeitskräfte aus anderen Berufen anziehen, beispielsweise aus der Hightech-Branche, die gerne praktischer arbeiten möchten. Ebenso könnten Fertigungsunternehmen schon jetzt nach technikaffinen Talenten in den Reihen ihrer Arbeiter Ausschau halten und diese in ihre zukünftige Rolle hineinentwickeln.“

Vernetzung umfasst Shopfloor und Außendienst

In der Fabrik der Zukunft wird jeder Arbeiter eine kleine Armee von Maschinen bedienen. Er muss mit ihnen ebenso in Echtzeit kommunizieren wie mit seinesgleichen. Weil dabei Millionen Euro für komplexe Geräte und Leistungen auf dem Spiel stehen, gilt es präziser zu arbeiten denn je.

Mitarbeiter im Werk oder vor Ort beim Kunden benötigen daher jederzeit klare Arbeitspläne sowie genaue und verständliche Anweisungen. Zudem bedarf es einer Echtzeit-Feedbackschleife zwischen der Fabrikhalle und den Betriebsleitern sowie international übergreifender Auswertungsmöglichkeiten für das Management. Das heißt: Produktionsunternehmen brauchen Technologien, mit deren Hilfe ihre Mitarbeiter stets auf alle Informationen und das gesamte Fachwissen zugreifen können, das sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen.

Wie bei den meisten großen Veränderungen gewinnen diejenigen, die am mutigsten voranschreiten. Hersteller, welche die genannten fünf Entwicklungen als Katalysatoren für ihre digitalen Innovationen nutzen, haben beste Chancen sich selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eine Führungsrolle zu sichern.<


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