Die Fujitsu Laboratories wollen mittels App Menschenstaus speziell nach Großereignissen verhindern. Dazu trifft Hightech auf Verhaltenspsychologie. Die Idee: Manche Nutzer sind ohnehin eher bereit, noch etwas zu verweilen. Wenn man sie noch dazu mit Gutscheinen beispielsweise für billige Burger lockt, werden sie also wirklich erst noch einkehren anstatt gleich mit der Masse heimwärts zu strömen. Ein großer Feldversuch dazu, der bis Ende 2017 laufen soll, ist in Singapur gestartet. [...]
Ob Konzert oder Fußballmatch: Danach wollen die Besucher alle gleichzeitig von der Event-Location nach Hause. Öffentliche Verkehrsmittel sind hoffnungslos überfüllt und keiner kommt wirklich vom Fleck. Wenn ein Teil der Leute noch etwas bleiben würde, beispielsweise in Lokalen in der nahen Umgebung, wäre das schon hilfreich. Genau hier setzen die Fujitsu Laboratories mit dem neuen System, das die hauseigene KI-Technologie „Zinrai“ nutzt, an. Die Lösung beurteilt, wen ein Verweilen nicht so stört und macht solchen Nutzern per App passende Vorschläge – beispielsweise doch erst noch einen verbilligten Burger essen zu gehen.
Die App nutzt Maschinenlernen, um Nutzer besser kennenzulernen. Das erlaubt eine Einschätzung, wie gut diese mit großem Gedränge klarkommen, ob sie bereit sind, mit dem Aufbruch zu warten und wie ausgabefreudig sie sind. So kann das System einschätzen, bei wem man am ehesten mit kleinen Anreizen ein längeres Verweilen erreichen kann. Die App warnt dann vor Menschenstaus und gibt Empfehlungen, wie dem auszuweichen ist. Das umfasst beispielsweise einen schnellen Kaffee für jemanden, der vermutlich einige Minuten entbehren kann oder eben ein Burger-Essen für jemanden, der sich auch etwas mehr Zeit nehmen würde.
Damit solche Vorschläge wirklich funktionieren, setzt das System auf kleine Lockangebote. Denn eine Vorbefragung von 500 Sportfans in Singapur hat ergeben, dass schon kleine Beträge große Wirkung zeigen. 73 Prozent würde demnach schon ein Gutschein im Gegenwert von 3,27 Euro zum Verweilen in einem Einkaufszentrum bewegen, ein doppelt so hoher Betrag sogar mehr als neun von zehn: Eine Simulation hat ergeben, dass es bei einem Ereignis mit 10.000 Teilnehmern zu 30 Prozent weniger Menschenstauung kommen würde, wenn sich rund 40 Prozent der Besucher dank App-Angeboten in ihrem Verhalten beeinflussen lassen.
Das Fujitsu-Konzept ist freilich davon abhängig, dass genug Menschen wirklich die App nutzen. Die Aussicht auf weniger Stress durch Menschenhorden und Angebote könnte freilich ausreichen, um Nutzer dazu zu motivieren. Wie effektiv das System wirklich ist und wie es sich noch optimieren lässt, soll ein Anfang November gestarteter Feldversuch an mehreren Locations in Singapur klären. Dieser ist bis Ende 2017 anberaumt. Jedoch will Fujitsu die Technologie bereits ab März 2016 kommerzialisieren, voraussichtlich als Teil der Cloud-Lösung SPATIOWL zur Echtzeitanalyse von Standortdaten. (pte)
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