GAIA-X als Wegbereiter für eine europäische Cloud- und Dateninfrastruktur

Die Corona-Krise verdeutlicht, wie abhängig Europa von Produkten und IT-Services außereuropäischer Anbieter ist. Aus Sicht der DSAG wären mehr Eigenständigkeit und damit mehr digitale Souveränität mit Hilfe des Staates und der EU durchaus sinnvoll. Ein Weg könnte hier das Netzwerk GAIA-X sein, wie die DSAG kürzlich in einem Positionspapier veröffentlicht hat. [...]

Otto Schell, stellvertretender DSAG-Vorstandsvorsitzender
Otto Schell, stellvertretender DSAG-Vorstandsvorsitzender (c) DSAG

In den offiziellen Informationen der deutschen Bundesministerien für Wirtschaft und Energie sowie für Bildung und Forschung heißt es, dass mit GAIA-X eine leistungs- und wettbewerbsfähige, sichere und vertrauenswürdige Dateninfrastruktur für Europa geschaffen werden soll. Es geht darum, die Serverkapazitäten vieler kleiner und großer Unternehmen in Europa so miteinander zu vernetzen, dass die Daten sicher und vertrauensvoll verfügbar gemacht, zusammengeführt und geteilt werden können.

„Dieses angestrebte Agieren in Netzwerken sehen wir für Unternehmen als essentiell an, um in einer digitalen Welt erfolgreich zu sein. Aus Sicht der DSAG ist es wichtig, dass Unternehmen die eigenen Geschäftsprozesse nicht aus Effizienzgründen optimieren, sondern in komplett neuen z.B. serviceorientierten Modellen denken“, erläutert Otto Schell, stellvertretender DSAG-Vorstandsvorsitzender. Hier sieht die Interessenvertretung die Gefahr, dass ähnlich wie bei der Fokussierung auf Industrie 4.0, Deutschland der Rang von anderen Ländern, wie z.B. den USA, abgelaufen werden könnte. „Fakt ist nun einmal: Erfolgreiche Supply-Chains finden sich bei den Unternehmen, die mit offenen Infrastrukturen groß geworden sind“, so Schell.

GAIA-X-Potenzial für die Öffentliche Verwaltung

Allerdings ist der Einsatz von offenen Infrastrukturen und Cloud-Diensten nicht für jede Branche problemlos möglich. In der Öffentlichen Verwaltung ist der Einsatz von Cloud-Diensten z.B. mit vielen Herausforderungen und Unbekannten verbunden. Ein wesentlicher Punkt, der hier eine Rolle spielt, ist, dass die Souveränität von Daten und Systemen gewahrt bleiben muss. „Vor diesem Hintergrund hätte ein europäisches Modell wie GAIA-X ebenfalls großes Potenzial“, so Hermann-Josef Haag, DSAG-Fachvorstand Personalwesen & Public Sector. Die Plattform könnte außerdem ein guter Ansatzpunkt sein, Innovationen in der Verwaltung zu fördern. Die meisten Plattformen für Prototyping und Innovationen laufen in der Cloud. Schwierig ist jedoch der dezentrale Ansatz. „Das Projekt sieht die Vernetzung dezentraler Infrastrukturdienste, insbesondere Cloud- und Edge-Instanzen, zu einem homogenen, nutzerfreundlichen System vor“, weiß der DSAG-Fachvorstand.

Eine zertifizierte Umgebung für den Öffentlichen Dienst ohne Abhängigkeiten zu einzelnen Anbietern hätte große Vorteile auch hinsichtlich der Einhaltung der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). „Viele Kunden könnten von einem vertrauensvollen Anbieter profitieren. Für die Öffentliche Verwaltung sehen wir die GAIA-X-Initiative deshalb als große Chance“, so Hermann-Josef Haag. Datenpools, um Daten über Länder hinweg auszutauschen, sind sinnvoll und richtig – und das nicht nur, um Terrorismus zu bekämpfen, sondern auch für unterschiedliche Register, die durch die Verwaltungen geführt werden.

Kooperationen bleiben notwendig

Wichtiger als ein eigenes Ökosystem für eine gemeinsame Dateninfrastruktur in der Cloud ist jedoch aus Sicht der DSAG eine Planungssicherheit für kleine und mittelständische Unternehmen. „Zurzeit wird innerhalb der GAIA-X-Initiative vor allem produktorientiert diskutiert und nicht langfristig auf Veränderungsprozesse hin. Dies ist jedoch kontraproduktiv“, erläutert Otto Schell.

Einige Experten erhoffen sich von GAIA-X zudem, dass sich der Wettbewerb verändert und die Marktmacht der Tech-Giganten durchbrochen wird. Diese Hoffnung teilt die DSAG nur bedingt. Denn auch, wenn sich GAIA-X mit dem Aufbau einer europäischen, souveränen und offenen Dateninfrastruktur beschäftigt, wird es Kooperationen geben müssen. „Es würde Ressourcen verschwenden, ein Alternativprodukt zu bestehenden Hyperscalern über ein Konsortium abzuwickeln. Gleichzeitig würde es zu Wettbewerbsverzerrungen führen, auf eine einheitliche Lösung zu warten“, sagt das DSAG-Vorstandsmitglied.

DSAG als Schnittstelle zu Anwenderunternehmen

Damit GAIA-X zum Erfolg wird, ist es aus DSAG-Sicht unabdingbar, dass alle Beteiligten ihre Anforderungen einbringen. „Sie dürfen die Verantwortung für die Initiative nicht in die Hände von Unternehmen geben, die letztendlich primär daran interessiert sind, ihre Produkte zu platzieren“, so Otto Schell. Die DSAG sieht sich daher in der Pflicht, als Schnittstelle zu ihren Mitgliedsunternehmen zu agieren, indem sie über ihre Kanäle eine Rückkopplung der GAIA-X-Themen sowie eine tiefe inhaltliche Verankerung anstrebt. Als Anwenderverband bringt die DSAG sowohl inhaltlich als auch in der Breite die Anwendermeinung in ihre Aktivitäten ein und trägt damit auch zum Knowhow-Transfer zwischen dem Programm und ihren mehr als 3.500 Mitgliedsunternehmen bei.

Das Positionspapier der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe e. V. (DSAG) finden Interessierte hier.


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