Gamification wird zum Tourismus-Hype

Nichts ist langweiliger als ein Produkt, das die Erwartungen des Kunden nicht erfüllt. Und nichts ist frustrierender als eine Reise ohne Höhepunkte. Innovative Unternehmen und Dienstleister setzen daher immer mehr auf das Kundenerlebnis, um erfolgreich zu bleiben und um der Preisspirale nach unten zu entgehen. "The Experience of Well-Being" wird nun auch zum Wachstumstreiber der weltweiten Reiseindustrie - und eine Chance für Differenzierung, so das Fazit einer Networking-Veranstaltung des Travel Industry Club Austria am Mittwoch im Hotel Le Méridien in Wien. [...]

Paul Bulencea, Autor der Buch-Neuerscheinung „Gamification in Tourism“, sprach von einer „Experience Economy“, der wir entgegen gehen. Wer wettbewerbsfähig bleiben will, muss die sich laufend verändernden Kundenwünsche erkennen, verstehen und rasch bedienen können – hoher Erlebnisfaktor inklusive – und dabei gleichzeitig preiswert sein, da der nächste Anbieter nur einen Klick entfernt ist. Die „Experience“ erfolgt heute zuerst einmal über Internet, Handy und Co. Erst wenn diese Hürde genommen ist, kann der echte Kauf-, Unterhaltungs- und Erlebnisprozess beginnen. „If your business is not interested, I’m going somewhere else.“

Die Bedürfnisse des Kunden haben sich verändert. Wenn Nahrung, Kleidung und Wohnung gesichert sind, dann zählen persönliche Challenge und Selbstverwirklichung: „Instant, Constant and Consistent“. Hier kommt „Game Design“ ins Spiel. Wer mit seinem Produkt dem natürlichen Spieltrieb des Konsumenten entgegenkommt oder Produkte nach solchen Regeln entwickelt, generiert messbar mehr Erfolg und Nachfrage, sagt Bulencea. Da ist auch die Ansprache aller fünf Sinne gefragt, neben Sehen und Hören auch Tasten, Riechen und Schmecken. Gamification ist ja nicht nur eine Technologie-Frage, so der Autor.

POSITIVE PSYCHOLOGIE

Grundlage jedes Gamification-Konzepts sind „positive Psychologie“ und Motivation zur Verhaltensänderung, sagt Irene Kothbauer vom weltweiten Geschäftsreisenanbieter Carlson Wagonlit Travel. Freiwilligkeit statt Zwang, Lob und Anerkennung für gemeisterte Hürden und Kundenloyalität sind das simple Geheimnis. Bonusprogramme und Prämien haben einen großen Einfluss auf Entscheidungen von Geschäftsreisenden und auf die Wahl des Anbieters, versichert Kothbauer. Mehr als ein Drittel der US-Geschäftsreisenden sind bereits Mitglied eines Kundenbindungsprogramms bei Fluglinien (70 Prozent) oder Hotelketten (65 Prozent).

Ein weiteres Motiv ist die erwartete Kostenersparnis. Bei Carlson Wagonlit Travel USA konnten Geschäftsreisekunden nach Einführung eines Gamification-Tools zweistellige Prozentzahlen ihrer Reiseausgaben beziehungsweise 158 Dollar pro Reisenden einsparen. Die größten Einsparungspotenziale liegen ihrzufolge bei „internen Prozessen“ (zwölf bis 13 Prozent), nur rund 7 Prozent sind bei den Leistungsträgern zu holen und nur ein bis zwei Prozent bei Transaktionen. Je früher Unternehmen mit der Virtualisierung von Angeboten und Datenströmen beginnen, desto stärker werden sie dem Wettbewerb begegnen können, ist sie überzeugt.

GUTES GEFÜHL

Ein gutes Gefühl – „How to bring people well-being“ – ist die Grundlage des neuen Hypes, Belohnung für adäquates Verhalten das Lockmittel, zumeist in Form von virtuellen Punkteguthaben, Abzeichen, Rankings, aber auch – wie es Loyalitätsprogramme von Fluglinien, Hotelketten und Mietwagenanbietern vorzeigen – in Form von Bonusmeilen, Gratisübernachtungen und Freifahrten. Wer als Konsument schön brav mitmacht, wird gelobt und belobigt. Alle anderen zahlen den „vollen Preis“. Für die Reiseindustrie ist dies mittlerweile ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor. Aber auch für Tourismusregionen und Betriebe wird die Frage nach dem besonderen Erlebnis wichtiger.

Was Social Media für den Einstieg in die virtuelle Community war, ist „Gamification“ nun für die „Share Economy“. Das ist keine neue Erfindung, sagt Bulencea, aber ein echter Wettbewerbsfaktor im Business. Schon in der Antike hat man „Olympische Spiele“ erfunden, um Menschen zu körperlichen Höchstleistungen zu animieren, sich öffentlich mit anderen zu messen und am Ende einen Lorbeerkranz als Belohnung zu erhalten. (pte)


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