Gastkommentar: Die Zukunft im Online-Conferencing kommt – aber noch nicht heute

Warum Flash-Unterstützung bei browserbasierten Lösungen noch eine Weile erhalten bleiben wird. Durch die weitere Entwicklung von HTML5 und WebRTC stehen allerdings Alternativen in den Startlöchern. [...]

Über viele Jahre führte kein Weg an Flash vorbei. Wer Web-Conferencing und -Collaboration über den Browser anbieten und somit universell und ohne Installationen nutzbar machen wollte, für den war die Plattform von Adobe letztlich alternativlos. Die hohe Verbreitung – Flash ist weltweit in über einer Milliarde Browser installiert – ist grundsätzlich auch heute nach wie vor ein Garant dafür, extrem viele Anwender sofort, einfach und komfortabel bedienen zu können. 
Enorme Verbreitung hat Schattenseiten
Gleichzeitig üben diese beindruckenden Zahlen in negativer Hinsicht auch eine hohe Anziehungskraft auf Cyberkriminelle aus. Der Flash Player zählt bekanntermaßen auch deshalb zu den am häufigsten attackierten Lösungen überhaupt. Berichte über schwerwiegende Sicherheitslücken, die teilweise über längere Zeit nicht durch entsprechende Patches geschlossen wurden, haben den Ruf der Plattform – vorsichtig ausgedrückt – in der jüngeren Vergangenheit nicht gerade verbessert.
Auch aus diesem Grund kommt HTML5 und dem offenen Framework WebRTC als möglichen „Flash-Nachfolgern“ im Online-Conferencing-Segment eine große Bedeutung zu. Doch ist der richtige Zeitpunkt für die „Wachablösung“ tatsächlich schon da?
Sinkende Browser-Unterstützung
Fakt ist: Wer die Berichterstattung verfolgt, kann durchaus zu dem Schluss kommen, dass die Tage von Flash insgesamt bereits mehr als gezählt sind. In neuen und geplanten Versionen von weit verbreiteten Browsern wie Mozilla Firefox und Google Chrome wird die Unterstützung für das Web-Plugin zunehmend eingeschränkt. HTML5-Inhalte sollen automatisch bevorzugt werden, wenn beide Formate vorhanden sind; Flash-Elemente müssen vom Nutzer gezielt aktiviert werden beziehungsweise werden zum Teil gänzlich abgeblockt, sofern es sich dabei um Inhalte handelt, die im Hintergrund geladen und dem Benutzer der Website nicht angezeigt werden.
All dies ist durchaus nachvollziehbar. Allein: Es ändert nichts an der Tatsache, dass ein radikaler Umstieg auf HTML5 derzeit in vielen Bereichen noch nicht praktikabel ist, sofern eine heterogene Benutzerbasis angesprochen werden soll. 
HTML5 alleine reicht noch nicht aus
Blicken wir zur Verdeutlichung zunächst auf die technischen Hintergründe: HTML5 alleine reicht für typische Conferencing-Anwendungen (noch) nicht aus, denn es fehlt derzeit die Möglichkeit, auf eine Webcam oder ein Mikrofon zuzugreifen – beides essenzielle technische Grundlagen für den Anwendungszweck. 
Natürlich ist nicht ausgeschlossen, dass dieses Manko in späteren HTML5-Versionen behoben ist. Derzeit sind Hersteller und Benutzer jedoch noch darauf angewiesen, in diesem Fall auf Technologien wie den offenen Standard WebRTC zu setzen – was dramatische Folgen hat. Denn da WebRTC derzeit noch nicht alle Browser vollumfänglich unterstützt, schließt dies beispielsweise auf einen Schlag die Nutzer des Microsoft Internet Explorers bzw. Microsoft Edge und des Safari-Browsers von Apple aus – was die potenzielle Anwenderbasis auf einen Schlag je nach Browser-Statistik allein bereits um rund 35 Prozent reduziert. 
Die „Dunkelziffer“ kann sogar noch weit höher liegen, da sich die meisten Webkonferenzen in einem professionellen, beruflichen Umfeld abspielen. Dabei werden zumeist firmeneigene Rechner verwendet, deren Nutzer aufgrund von internen IT-Regularien nicht die Möglichkeit haben, je nach Belieben einen individuellen Browser zu installieren. Zur Klarstellung: WebRTC-Support für die genannten Browser wird vermutlich kommen. Dies nützt Anwendern aber erst dann etwas, wenn die Umsetzung tatsächlich erfolgt ist – und der genaue Zeitplan bleibt unklar. Noch gar nicht mitgerechnet sind zudem ältere Versionen von Browsern wie Chrome oder Firefox, die WebRTC ebenfalls nicht unterstützen und in der Realität noch wesentlich häufiger im Einsatz sind, als oft gedacht. 
Eine Frage des Timings
Im Endeffekt müssen sich Hersteller und IT-Dienstleister damit eine einfache Frage stellen: Kann man es sich als Anbieter von browserbasierten Webconferencing-Lösungen und/oder -services bereits leisten, Flash gänzlich den Rücken zu kehren? Vergleichbares gilt aus Anwendersicht.
Keine Frage: Aus sicherheitstechnischer Sicht wäre ein schneller Umstieg wünschenswert – was aktuell jedoch unweigerlich damit verbunden wäre, rund der Hälfte der potenziellen Anwender weltweit wesentliche Einschränkungen zuzumuten, die bis hin zur Nicht-Nutzbarkeit der jeweiligen Lösung reichen. 
Blinder Aktionismus zahlt sich hier nicht aus. Es ist absehbar, dass wir noch eine Weile mit Flash leben müssen, denn bekanntermaßen halten sich speziell bereits Totgesagte oft deutlich länger, als vermutet. Flash wird nicht von heute auf morgen komplett verschwinden. Und damit sollten wir uns so gut wie möglich arrangieren. 
Das bedeutet: Parallel zur Vorbereitung und Entwicklung neuer Lösungen für HTML5/WebRTC muss derzeit auch die Flash-Unterstützung weiterhin kontinuierlich gepflegt werden. Nur auf diese Weise lässt sich am „Tag X“ ein möglichst reibungs- und nahtloser Umstieg gewährleisten. 
Die Frage, wann genau der richtige Zeitpunkt für den Umstieg gekommen ist, lässt sich pauschal nur bedingt beantworten. Bei Digital Samba gehen wir derzeit davon aus, dass in der zweiten Jahreshälfte 2017 durch den absehbaren Ausbau der Browser-Unterstützung und durch die weitere Entwicklung von HTML5 und WebRTC die Zeit reif sein wird. Wir arbeiten deshalb derzeit an den entsprechenden Umstiegsplänen für unsere Conferencing- und Online-Collaboration-Plattform OnSync, um bei Bedarf zeitnah auf HTML5 umstellen zu können.
Der Autor Robert Strobl ist CMO von Digital Samba.

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