Führungskräfte stehen heute häufig vor der Herausforderung, dass neben der Alltagsarbeit in ihren Bereichen noch Change-Projekte laufen. Deshalb müssen sie zugleich Change-Manager sein. Hierfür benötigen sie spezielle Kompetenzen. Michael Schwartz, Leiter des Instituts für integrale Lebens- und Arbeitspraxis (ilea) in Esslingen, hat die wichtigsten zusammengefasst. [...]
Kompetenz 8: Menschen für Veränderung motivieren können
Gerade ältere, berufserfahrene Mitarbeiter stehen geplanten Veränderungsvorhaben häufig zunächst skeptisch gegenüber – oft weniger, weil sie an deren Sinnhaftigkeit, sondern weil sie an deren Realisierbarkeit zweifeln. Viele Führungskräfte neigen dazu, die Bedenken dieser Mitarbeiter nicht ernst zu nehmen, sondern hierin einen Ausdruck mangelnder Veränderungsbereitschaft zu sehen. Entsprechend schnell werden oder fühlen sich die Mitarbeiter oft in die „Ecke“ gedrängt, weshalb aus ihnen echte „Widerständler“ werden. Das hat für Projekte häufig fatale Konsequenzen, unter anderem weil diese erfahrenen Mitarbeiter in den Augen ihrer Kollegen „etwas zu sagen“ haben. Entsprechend wichtig ist es, die Bedenken dieser Mitarbeiter ernst zu nehmen und sie soweit möglich als Mitstreiter zu gewinnen – zum Beispiel, indem man sie in das Ausarbeiten möglicher Lösungen integriert.
Zuweilen stecken hinter scheinbar sachlich begründeten Bedenken aber auch Ängste, gewisse Privilegien oder Besitzstände zu verlieren. Dann gilt es, Konsequenz zu zeigen, indem man den Betreffenden vermittelt: Die Veränderung ist nötig und unumgänglich. Und wer nicht bereit ist, sich auf das Neue einzulassen, zählt mittelfristig zu den Verlierern.
Kompetenz 9: Individualisten und Spezialisten integrieren können
Je komplexer ein Changevorhaben ist, umso stärker sind Führungskräfte auf das Spezialwissen und die aktive Mitarbeit von Spezialisten angewiesen – da ihnen selbst häufig das Know-how zum Entwickeln der Problemlösung fehlt. Deshalb müssen sie nicht nur bereit sein, auf die Empfehlungen der Spezialisten zu hören, sie müssen diese auch in die Arbeitsteams integrieren. Das erfordert häufig viel Fingerspitzen-Gefühl, unter anderem weil die Spezialisten meist, um die Bedeutung ihres Wissens für den Erfolg wissen. Entsprechend selbstbewusst sind sie. Entsprechend schwierig lassen sie sich häufig auch führen. Deshalb sollten Führungskräfte ein besonderes Augenmerk auf das Gewinnen dieser Mitarbeiter als Mitstreiter legen. Zum Beispiel, indem sie regelmäßig das Gespräch mit ihnen und den Rat von ihnen suchen und ihnen so ihre Wertschätzung signalisieren. Oder indem sie ihren Beitrag zum Erfolg bei Teambesprechungen öffentlich loben; des Weiteren, indem sie diese gezielt in die Projektteams einbinden, die für den Projekterfolg von zentraler Bedeutung sind.
Kompetenz 10: den energetischen Prozess Change lenken können
In Change-Projekten, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, ist es normal, dass die anfängliche Aufbruchsenergie abnimmt – zum Beispiel, weil Erfolge auf sich warten lassen. Dann ist es die Aufgabe der Führungskräfte, Zuversicht zu verbreiten. Ähnlich wie dies angeblich Thomas Edison nach dem 1000sten Fehlversuch, eine Glühbirne zu entwickeln, tat, als ein Mitarbeiter zu ihm sagt: „Wir sind gescheitert.“ Daraufhin soll Edison erwidert haben: „Wir sind nicht gescheitert. Wir kennen nun 1000 Wege, wie man eine Glühbirne nicht entwickeln kann.“
Wichtig ist es in solchen Situationen, dass die Führungskräfte auf ein attraktives Zielbild zurückgreifen können, das sie ihren Mitarbeitern vor Augen führen – also eine Vision davon, wie ihr Arbeitsalltag, ihre Arbeitssituation usw., sich gestaltet, wenn die angestrebte Veränderung realisiert ist – verknüpft mit der Frage, ob sich hierfür die Anstrengung nicht lohnt.
Wichtig ist es zudem, gerade bei Change-Vorhaben, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, immer wieder Teilerfolge zu kommunizieren und zu „feiern“. Denn Kulturveränderungen vollziehen sich in Unternehmen oft so langsam, dass die Beteiligten das Gefühl haben „Da bewegt sich ja gar nichts“, selbst wenn die Organisation sich auf einem guten Weg befindet.
Kompetenz 11: Rückgrat sowie Ausdauer und Geduld haben
Gerade weil insbesondere kulturverändernde Projekte häufig sehr lange dauern, müssen die Führungskräfte Rückgrat haben. Das heißt, sie sollten für gewisse Werte stehen und auch nicht wanken, wenn ihnen mal der Wind ins Gesicht bläst. Denn nur dann können sie ihren Mitarbeitern den gewünschten Halt und die benötigte Orientierung bieten. Zudem sollten sie eine relative Gelassenheit ausstrahlen – selbst wenn ein Projekt zu scheitern droht. Das setzt voraus, dass die Führungskräfte selbst ein Leben in Balance führen und in ihm Oasen existieren, an denen sie neue Energie tanken können.
*Michael Schwartz ist Leiter des Instituts für integrale Lebens- und Arbeitspraxis (ilea) in Esslingen bei Stuttgart.
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