Generative KI hat laut einer aktuellen Studie das Potenzial, nicht nur die Produktivität zu steigern, sondern auch die Arbeitsweise nachhaltig zu verändern. ITWelt.at hat sich die Studie "2025 Generative AI Report – Learning Fuels Human + AI Collaboration" der University of Phoenix angesehen. [...]
Die von der University of Phoenix in Zusammenarbeit mit Jeanne Meister LLC veröffentlichte Untersuchung basiert auf einer Befragung von 604 Führungskräften und Beschäftigten aus verschiedenen Branchen in den USA. Ziel war es, den Einfluss von generativer KI (GenAI) auf Lernen und Arbeit zu bewerten. Die Ergebnisse zeigen, dass der Einsatz von GenAI im Vergleich zum Vorjahr stark zugenommen hat – sowohl bei Führungskräften als auch bei Beschäftigten. Doch trotz wachsender Akzeptanz zeigen sich weiterhin strukturelle Hürden, insbesondere bei der Integration, dem Vertrauen und der Nutzungskompetenz.
Breite Einführung von GenAI im Bereich Lernen
Innerhalb eines Jahres hat sich die Nutzung von GenAI durch HR- und Learning-and-Development-(L&D)-Leiter fast verdoppelt. 74 Prozent der befragten Führungskräfte geben an, GenAI entweder bereits aktiv einzusetzen oder entsprechende Pilotprojekte durchzuführen. Im Vorjahr lag dieser Anteil noch bei 40 Prozent. Der Großteil investiert inzwischen gezielt in den Einsatz von GenAI zur Neugestaltung des Lernens. An erster Stelle der Investitionsprioritäten stehen GenAI-Anwendungen für Lernzwecke, gefolgt von personalisiertem Lernen, Lernanalysen sowie dem Upskilling und Reskilling von Mitarbeitenden und Lernteams.
Trotz dieser Fortschritte sind GenAI-Anwendungen bisher nur bei rund 17 Prozent der befragten Organisationen fest in die Lern- und Entwicklungsprozesse integriert. Der Großteil befindet sich noch in frühen Phasen der Einführung, etwa der Pilotierung oder Skalierung. Dies deutet darauf hin, dass 2025 ein Jahr intensiver Weiterentwicklung und Integration wird.
Effizienzsteigerung, Innovation und Lernerfahrung im Fokus
Die Einsatzbereiche von GenAI im Lernkontext sind vielfältig. So wird die Technologie genutzt, um administrative Aufgaben im Lernmanagement zu automatisieren (75 Prozent), Lernanalysen zu erstellen (73 Prozent) und erste Entwürfe für Lerninhalte zu generieren (68 Prozent). Darüber hinaus kommt GenAI auch bei der Übersetzung von Inhalten, der Erstellung kreativer Formate sowie als strategischer Impulsgeber für Best Practices zum Einsatz.
Auch die Lernerfahrung selbst wird durch GenAI verändert: Rollenspiele zur Übung von Soft Skills, Kompetenzmessungen sowie automatische Erinnerungen zur Kursfortsetzung sind Beispiele für konkrete Anwendungen. Diese Entwicklungen sollen den Weg zu stärker personalisierten, kontextbezogenen Lernangeboten ebnen, die sich direkt in den Arbeitsalltag einfügen.
Wahrnehmungsdifferenzen zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden
Ein zentrales Ergebnis der Studie ist die Diskrepanz in der Wahrnehmung der Vorteile von GenAI zwischen Führungsebene und Mitarbeitenden. Während HR- und L&D-Leiter die positiven Auswirkungen – etwa auf Arbeitsqualität, Kreativität oder Mitarbeiterbindung – deutlich stärker betonen, erkennen viele Mitarbeitende diese Potenziale (noch) nicht im gleichen Maße.
So glauben etwa 42 Prozent der Führungskräfte, dass GenAI die Arbeitsqualität verbessert, bei den Beschäftigten sind es nur 32 Prozent. Ähnlich verhält es sich beim Thema Kreativität (35 vs. 19 Prozent) und Mitarbeiterbindung (30 vs. 6 Prozent). Dieses Missverhältnis unterstreicht den Bedarf an gezielter Schulung und Kommunikation, um die tatsächlichen Vorteile für alle Beteiligten sichtbar zu machen.
Unsicherheit durch fehlende Richtlinien
Trotz wachsender Nutzung bleibt die Unsicherheit groß – insbesondere im Hinblick auf Richtlinien zur sicheren Anwendung von GenAI am Arbeitsplatz. Der häufigste genannte Kritikpunkt unter den Beschäftigten ist das Fehlen klarer Vorgaben und Policies. Die Angst, durch unsachgemäße Nutzung Fehler zu machen oder gegen Regeln zu verstoßen, hemmt die Nutzung.
Diese Sorge ist generationenübergreifend spürbar, wobei jüngere Mitarbeitende tendenziell stärker befürchten, durch mangelnde KI-Kompetenz in ihrer Karriere benachteiligt zu werden. Ältere Generationen hingegen sorgen sich häufiger um Arbeitsplatzsicherheit. Die Studie empfiehlt daher den Aufbau organisationsweiter Governance-Strukturen, etwa durch interdisziplinäre Steuerungsgremien, die auch eine klare Kommunikationsstrategie beinhalten.
Der Gender Gap bei GenAI bleibt bestehen
Ein weiteres zentrales Thema ist der geschlechterspezifische Unterschied in der GenAI-Nutzung. Der sogenannte „Gender Gap“ zeigt sich sowohl in der Nutzungsfrequenz als auch im Selbstvertrauen. Während 36 Prozent der Männer GenAI täglich einsetzen, trifft das nur auf 25 Prozent der Frauen zu. In Bezug auf die Nutzungssicherheit fühlen sich 47 Prozent der Männer kompetent, bei den Frauen sind es lediglich 39 Prozent.
Auch die Bereitschaft zur Weiterbildung unterscheidet sich: 48 Prozent der Männer möchten gezielt Kompetenzen zur Zusammenarbeit mit GenAI erwerben, bei den Frauen liegt dieser Wert bei 39 Prozent. Diese Unterschiede weisen darauf hin, dass gezielte Maßnahmen notwendig sind, um Chancengleichheit in Bezug auf digitale Kompetenzentwicklung sicherzustellen.
Produktivitätssteigerung und Wohlbefinden als Synergieeffekt
Ein zentrales Argument für den Einsatz von GenAI ist laut Studie die Zeitersparnis. 58 Prozent der Führungskräfte und 61 Prozent der Mitarbeitenden, die GenAI nutzen, berichten von täglichen Zeitgewinnen von ein bis drei Stunden. Etwa fünf Prozent der Befragten zählen sogar zu den sogenannten „Power Usern“, die täglich fünf Stunden oder mehr einsparen.
Interessant ist dabei, wie diese gewonnene Zeit genutzt wird: Neben einer höheren Arbeitsproduktivität (58 Prozent) geben viele Beschäftigte an, sie würden die zusätzliche Zeit für qualitative Arbeit (47 Prozent), zwischenmenschlichen Austausch (20 Prozent) oder familiäre Aktivitäten (21 Prozent) verwenden. GenAI könnte somit nicht nur die Effizienz steigern, sondern auch zur Verbesserung der Work-Life-Balance beitragen – vorausgesetzt, die Arbeitsorganisation unterstützt diesen Wandel.
Kompetenzen für die Mensch-KI-Zusammenarbeit
Die Bereitschaft, neue Fähigkeiten im Umgang mit GenAI zu entwickeln, ist groß. 42 Prozent der Beschäftigten möchten lernen, wie sie ihre Aufgaben schneller erledigen können. An zweiter Stelle steht mit 39 Prozent der Wunsch, gezielt Fähigkeiten zur Zusammenarbeit mit GenAI zu entwickeln. Dahinter folgen Kompetenzen zur Qualitätsverbesserung (ebenfalls 39 Prozent), Kreativität, Problemlösung sowie Vorbereitung auf neue Rollen.
Im Vergleich zum Vorjahr zeigt sich eine deutliche Einstellungsänderung: 2024 äußerten noch 51 Prozent der Mitarbeitenden die Sorge, durch GenAI ersetzt zu werden. Diese Angst ist inzwischen um 26 Prozentpunkte gesunken – ein Zeichen dafür, dass GenAI zunehmend als unterstützendes Werkzeug und nicht mehr nur als Bedrohung wahrgenommen wird.
Neue Jobprofile und Führungsanforderungen
Der Wandel zur Mensch-KI-Kollaboration bringt auch neue organisatorische Herausforderungen mit sich. 31 Prozent der befragten HR- und L&D-Leiter planen die Einführung neuer Rollen, bei denen die Kooperation mit GenAI im Mittelpunkt steht. Zudem betonen 39 Prozent, dass die Fähigkeit, Teams aus Menschen und digitalen Kollegen zu führen, eine der wichtigsten zukünftigen Führungskompetenzen sei.
Dazu gehören nicht nur technologische Kenntnisse, sondern auch soziale Fähigkeiten wie emotionale Intelligenz, Agilität, kultureller Wandel und strategisches Denken. Führungskräfte sollen künftig in der Lage sein, hybride Arbeitsmodelle zu gestalten, bei denen Mensch und Maschine gemeinsam an Lösungen arbeiten.
Das Fazit der ITWelt-Redaktion
Die Studie zeigt deutlich, dass GenAI inzwischen nicht nur punktuell eingesetzt wird, sondern zunehmend Bestandteil strategischer Personal- und Lernentwicklung ist. Doch sie offenbart auch erhebliche Herausforderungen: Unterschiede in der Wahrnehmung, ungleiche Zugangschancen und Unsicherheiten in der Anwendung erschweren eine umfassende Integration.
Damit die Zusammenarbeit von Mensch und KI ihr volles Potenzial entfalten kann, braucht es mehr als nur technologische Infrastruktur – gefragt sind gezielte Weiterbildung, transparente Regeln, kultureller Wandel und Führungskräfte mit neuem Rollenverständnis. Nur so lässt sich das Ziel erreichen, GenAI nicht nur zur Effizienzsteigerung, sondern zur aktiven Mitgestaltung der Arbeitswelt zu nutzen.
Die Studie kann hier heruntergeladen werden.

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