Laut einer aktuellen Studie von McKinsey beginnen Unternehmen weltweit, ihre Strukturen und Prozesse gezielt umzugestalten, um den potenziellen Nutzen generativer KI (GenAI) besser auszuschöpfen. ITWelt.at hat sich die Studie angesehen. [...]
Unternehmen setzen zunehmend auf generative KI, um Geschäftsprozesse zu modernisieren, Kosten zu senken und neue Einnahmequellen zu erschließen. Die im März 2025 veröffentlichte Untersuchung „The state of AI. How organizations are rewiring to capture value“ von Alex Singla, Alexander Sukharevsky, Lareina Yee, Michael Chui und Bryce Hall basiert auf einer Befragung von 1.491 Führungskräften und Fachleuten aus 101 Ländern. Die Studie zeichnet ein detailliertes Bild davon, wie Unternehmen GenAI heute einsetzen, welche Herausforderungen sie dabei bewältigen müssen und welche Erfolgsfaktoren sich herauskristallisieren.
C-Level-Führung als Schlüssel zum Erfolg
Ein zentrales Ergebnis der Studie ist die Bedeutung der Unternehmensführung für eine erfolgreiche GenAI-Implementierung. Der Einfluss des CEO auf die KI-Governance zeigt den stärksten Zusammenhang mit positiver finanzieller Wirkung. Besonders in großen Unternehmen korreliert die direkte Verantwortung der Geschäftsleitung für KI-Governance mit einer höheren EBIT-Wirkung (Ergebnis vor Zinsen und Steuern). Dennoch berichten nur 28 Prozent der Befragten, dass ihr CEO die Verantwortung für KI-Governance trägt – in Großunternehmen sind es sogar weniger. In vielen Fällen teilen sich zwei Führungskräfte diese Aufgabe.
Die Einführung von GenAI wird von McKinsey nicht als rein technologische Initiative gesehen, sondern als umfassender Transformationsprozess, der ein aktives Change Management auf höchster Ebene erfordert. Die Implementierung müsse von der C-Suite strategisch gesteuert werden, da der Ressourceneinsatz, die unternehmensweite Koordination und die Abwägung zwischen Kontrolle und Flexibilität auf dieser Ebene entschieden werden müssten.
Neue Arbeitsprozesse und organisatorische Modelle
Unternehmen, die signifikante Vorteile aus dem Einsatz generativer KI erzielen, zeichnen sich laut Studie dadurch aus, dass sie Geschäftsprozesse neu denken. Die Umgestaltung von Arbeitsabläufen zeigt die stärkste Korrelation mit einem positiven EBIT-Effekt. Etwa 21 Prozent der Befragten berichten, dass in ihren Organisationen bereits zentrale Prozesse grundlegend überarbeitet wurden – ein deutlicher Schritt in Richtung KI-getriebener Wertschöpfung.
Auch die organisatorische Struktur der KI-Einführung verändert sich: Für kritische Bereiche wie Risikomanagement oder Daten-Governance bevorzugen viele Unternehmen zentrale Modelle (z. B. Centers of Excellence). Dagegen wird technisches Fachpersonal (z. B. Dateningenieure, Machine Learning Engineers) sowie die Implementierung konkreter KI-Lösungen häufiger dezentral oder in hybriden Modellen organisiert.
Heterogene Qualitätssicherung bei KI-Ausgaben
Ein bemerkenswerter Befund betrifft die Überprüfung von GenAI-Ausgaben: Während 27 Prozent der Organisationen angeben, alle KI-generierten Inhalte zu prüfen, bevor sie zum Einsatz kommen, sagen ähnlich viele, dass nur bis zu 20 Prozent kontrolliert werden. Besonders Unternehmen aus den Bereichen Recht, Beratung und professionelle Dienstleistungen legen größeren Wert auf vollständige Kontrolle.
Wachsende Risikosensibilität
Im Vergleich zu Anfang 2024 zeigen Unternehmen eine stärkere Sensibilisierung für die Risiken generativer KI. Besonders häufig genannte Risikofelder sind Ungenauigkeiten, Datenschutz, Urheberrecht und Cybersicherheit. Knapp die Hälfte der Unternehmen gibt an, bereits mindestens eine negative Konsequenz aus GenAI-Nutzung erlebt zu haben. Größere Organisationen berichten häufiger, Maßnahmen zur Risikominimierung ergriffen zu haben, insbesondere in Bezug auf Datenschutz und Sicherheit – allerdings ohne signifikant mehr für Transparenz oder Erklärbarkeit von KI-Ergebnissen zu tun.
Relevanz klar definierter Skalierungspraktiken
Obwohl viele Unternehmen GenAI bereits einsetzen, berichten nur wenige über messbare Erfolge auf Unternehmensebene. McKinsey hebt zwölf sogenannte “Adoption und Scaling Best Practices” hervor, die mit einer positiven EBIT-Wirkung korrelieren. Besonders effektiv ist demnach das Nachverfolgen klar definierter Leistungskennzahlen (KPIs) für GenAI-Lösungen sowie die Einführung einer Roadmap zur Skalierung. Dennoch geben weniger als ein Drittel der Befragten an, dass sie eine Mehrheit dieser Praktiken umsetzen – insbesondere kleinere Unternehmen hinken hinterher.
Beispiele für solche Maßnahmen sind die Einrichtung spezieller Transformations-Teams, regelmäßige interne Kommunikation über den Nutzen von GenAI, gezielte Schulungsprogramme für unterschiedliche Rollen sowie Maßnahmen zur Vertrauensbildung bei Mitarbeitern und Kunden. Unternehmen, die GenAI erfolgreich einsetzen, schaffen es, diese Praktiken systematisch umzusetzen – nicht als Einzelmaßnahmen, sondern als Teil einer übergeordneten Strategie.
Wandel am Arbeitsmarkt: Neue Rollen und veränderte Anforderungen
Auch der Arbeitsmarkt verändert sich spürbar durch die Einführung generativer KI. Etwa die Hälfte der Unternehmen, die GenAI nutzen, plant in den nächsten zwölf Monaten mehr Datenwissenschaftler einzustellen. Besonders gefragt sind darüber hinaus Machine Learning Engineers, Dateningenieure, aber auch Spezialisten für KI-Ethik und Compliance – Letztere wurden 2024 erstmals in größerem Umfang rekrutiert. Die Studie zeigt zudem, dass es Unternehmen inzwischen etwas leichter fällt, KI-Fachkräfte zu finden als noch in den Vorjahren.
Parallel zur Einstellung neuer Talente steigt die Bedeutung von Weiterbildung. Laut Studie haben 48 Prozent der Unternehmen im vergangenen Jahr bis zu fünf Prozent ihrer Belegschaft im Zusammenhang mit KI geschult. In den kommenden drei Jahren planen fast zwei Drittel eine intensivere Umschulung von Mitarbeitenden, insbesondere in größeren Organisationen.
Personalplanung: Kein drastischer Abbau, aber Verschiebungen
Im Hinblick auf die Beschäftigungswirkung zeigen sich differenzierte Erwartungen. Zwar berichten einige Unternehmen, durch den Einsatz von GenAI Personal abgebaut zu haben, doch der Großteil erwartet mittelfristig keine wesentlichen Veränderungen der Mitarbeiterzahl. Nur in Bereichen wie Kundenservice und Logistik rechnen viele mit einem Rückgang. In Bereichen wie IT, Softwareentwicklung und Produktentwicklung hingegen wird eher mit einem Anstieg der Mitarbeiterzahlen gerechnet.
Steigende Nutzung, aber begrenzter Unternehmenserfolg
Die Nutzung von KI nimmt weiter zu: Im Juli 2024 geben 78 Prozent der Befragten an, KI in mindestens einem Geschäftsbereich einzusetzen – gegenüber 72 Prozent Anfang desselben Jahres. GenAI wird aktuell am häufigsten in den Bereichen Marketing, Vertrieb, Produktentwicklung, Service sowie Softwareentwicklung eingesetzt. Unternehmen mit mehr als 500 Millionen US-Dollar Jahresumsatz zeigen dabei eine deutlich breitere Nutzung über verschiedene Geschäftsbereiche hinweg.
Interessant ist, dass sich die individuelle Nutzung von GenAI-Tools im Arbeitsalltag stark erhöht hat. Besonders C-Level-Führungskräfte greifen häufiger auf solche Werkzeuge zurück – mehr als die Hälfte nutzt sie regelmäßig im beruflichen Kontext. Auch in anderen Regionen und Altersgruppen nimmt die Nutzung kontinuierlich zu.
Inhalte: Text dominiert, doch Bilder und Code gewinnen an Bedeutung
Textgenerierung ist aktuell der dominierende Anwendungsbereich generativer KI – 63 Prozent der Unternehmen nutzen GenAI dafür. Über ein Drittel generiert Bilder, mehr als ein Viertel erstellt Programmcode. Besonders technologieorientierte Unternehmen nutzen eine größere Bandbreite an Ausgabeformaten. In der Automobil- und Fertigungsindustrie kommen vermehrt KI-generierte Bilder und Audiodateien zum Einsatz.
Erste finanzielle Effekte sichtbar – aber nicht flächendeckend
Ein wachsender Anteil der Unternehmen gibt an, innerhalb der Geschäftsbereiche positive Umsatz- oder Kosteneffekte durch den Einsatz von GenAI zu verzeichnen. Besonders in den Bereichen Strategie, Supply Chain Management, Marketing und Entwicklung berichten Organisationen von Umsatzsteigerungen. Auch die Kostenreduktion hat im Vergleich zur ersten Jahreshälfte 2024 zugenommen. Dennoch sehen bislang nur 17 Prozent der Befragten substanzielle Auswirkungen auf den EBIT auf Unternehmensebene.
Der Unterschied zwischen punktuellen Erfolgen und ganzheitlicher Transformation wird in der Studie mehrfach betont. Erfolgreiche Unternehmen nutzen GenAI nicht isoliert für einzelne Anwendungsfälle, sondern als Bestandteil eines umfassenden Transformationsprozesses mit klarer Vision, zentraler Koordination und integrierter Architektur.
Das Fazit der ITWelt-Redaktion
Die aktuelle McKinsey-Studie liefert wertvolle Einblicke in den Stand der Einführung generativer KI in Unternehmen weltweit. Sie zeigt, dass viele Organisationen noch am Anfang stehen, jedoch erste konkrete Fortschritte sichtbar werden – insbesondere bei großen Unternehmen mit klarer Führungsverantwortung, strukturiertem Vorgehen und Investitionen in Fähigkeiten, Talente und Governance. Die Herausforderung bleibt, aus technologischer Möglichkeit echten wirtschaftlichen Nutzen zu schaffen. Die Studie kann hier heruntergeladen werden.

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