Wie die Europäische Kommission mittels einer Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel herausgefunden hat, ist Geoblocking in der EU weit verbreitet. [...]
Obwohl immer mehr Waren und Dienstleistungen im Internet gehandelt werden, wächst der grenzüberschreitende Onlinehandel innerhalb der EU nur langsam. Einer der Gründe dafür ist Geoblocking, also das Ausschließen von Kunden anderer Regionen von allen oder bestimmten Angeboten – etwa wie bei Netflix und anderen Streaming-Diensten.
Die Europäische Kommission hat jetzt ihre ersten Erkenntnisse über die Verbreitung von Geoblocking in der EU veröffentlicht. Die Informationen wurden im Rahmen einer laufenden kartellrechtlichen Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel zusammengetragen. Laut den Antworten von mehr als 1.400 Einzelhändlern und Anbietern digitaler Online-Inhalte aus allen 28 Mitgliedstaaten der EU ist Geoblocking sowohl beim Verkauf von Gebrauchsgütern als auch beim Zugang zu digitalen Inhalten alltäglich. 38 Prozent der Gebrauchsgüter verkaufenden Einzelhändler, die sich an der Untersuchung beteiligten, und 68 Prozent der Anbieter digitaler Online-Inhalte gaben an, Verbraucher aus anderen EU-Mitgliedstaaten durch Geoblocking auszuschließen.
Die Erkenntnisse sollen in die im Rahmen der Sektoruntersuchung durchgeführte laufende Analyse der Kommission zur Feststellung etwaiger Wettbewerbsbedenken einfließen und ergänzen zudem die Maßnahmen im Rahmen der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt, die auf die Beseitigung von Hindernissen für den grenzüberschreitenden elektronischen Handel abzielen.
PRÜFEN ODER NICHT?
Die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager erklärte dazu: „Die im Rahmen unserer Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel zusammengetragenen Informationen bestätigen die Hinweise, die uns zur Einleitung der Untersuchung veranlasst hatten: Geoblocking hindert die europäischen Verbraucher oftmals daran, in anderen EU-Ländern Waren zu kaufen und auf digitale Online-Inhalte zuzugreifen, und ist darüber hinaus in einigen Fällen auf Beschränkungen in Vereinbarungen zwischen Lieferanten und Vertreibern zurückzuführen. Wenn ein nicht marktbeherrschendes Unternehmen einseitig beschließt, seine Waren bzw. Dienstleistungen nicht im Ausland anzubieten, dann verstößt dies nicht gegen das Wettbewerbsrecht. Wenn Geoblocking jedoch auf Vereinbarungen zurückzuführen ist, müssen wir genau prüfen, ob ein wettbewerbsschädigendes Verhalten vorliegt, dem wir mit den Instrumenten der Wettbewerbspolitik begegnen können.“ Dies müsse allerdings jeweils im Rahmen einer Einzelfallprüfung beurteilt werden.
Einzelhändler und Dienstleister können aus verschiedenen Gründen entscheiden, ihre Waren bzw. Dienstleistungen nicht grenzüberschreitend anzubieten. In diesem Zusammenhang müsse die freie Wahl der Handelspartner unangetastet bleiben, so die Kommission. Vor diesem Hintergrund besteht eine Hauptpriorität der Kommission darin, ungerechtfertigte Hindernisse für den grenzüberschreitenden elektronischen Handel durch gesetzgeberische Maßnahmen im Rahmen ihrer Strategie für einen digitalen Binnenmarkt zu beseitigen. Sie will im Mai weitere Vorschläge vorlegen. Sowohl die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts als auch die Legislativvorschläge der Kommission zielen den Angaben zufolge jedenfalls darauf ab, einen Raum zu schaffen, in dem europäische Bürger und Unternehmen unabhängig von ihrem Wohnsitz schrankenlos Online-Angebote nutzen bzw. bereitstellen können.
WIE UND WARUM WIRD GEBLOCKT?
Im Einzelhandel, beispielsweise von Gebrauchsgüter wie Bekleidung, Schuhen, Sportartikeln oder Unterhaltungselektronik, die über das Internet verkauft werden, erfolgt Geoblocking meist auf sehr einfachem und technologisch unkompliziertem Weg: Die Lieferung ins Ausland wird einfach verweigert. Außerdem wird teilweise die Annahme von Zahlungen aus dem Ausland abgelehnt oder in selteneren Fällen auf Website-Umleitungen oder Verweigerung des Zugangs zu einer Website zurückgegriffen. Während ein Großteil des Geoblockings aus einseitigen Geschäftsentscheidungen von Einzelhändlern resultiert, klagen 12 Prozent der Einzelhändler über vertragliche Beschränkungen des grenzüberschreitenden Verkaufs von Produkten mindestens einer Kategorie ihres Sortiments.
Was Online-Inhalte betrifft, so gab wie erwähnt eine überwiegende Mehrheit – 68 Prozent – der Anbieter an, Nutzern in anderen EU-Mitgliedstaaten durch Geoblocking den Zugang zu verwehren. Dies erfolgt in der Regel durch Erkennung der IP-Adresse des Nutzers, durch die der Standort eines Computers oder Smartphones ermittelt werden kann. 59 Prozent der auskunftgebenden Inhalteanbieter erklärte, durch die Bereitsteller der Inhalte vertraglich zum Geoblocking verpflichtet zu sein. Hinsichtlich der Verbreitung von Geoblocking in diesem Bereich gibt es große Unterschiede zwischen den EU-Mitgliedstaaten und verschiedenen Kategorien digitaler Inhalte.
Die Zahl der Personen, die sich an der Sektoruntersuchung beteiligten, war von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich. Dies war der Kommission zufolge in erster Linie darauf zurückzuführen, dass die Märkte für elektronischen Handel in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich groß seien und dass aus bestimmten Mitgliedstaaten mehr spontane Teilnahmeanträge bei der Kommission eingingen. Die Ergebnisse der Sektoruntersuchung würden somit zwar „wertvolle Einblicke in die Verbreitung von Geoblocking in der EU“ bieten, seien aber „statistisch nicht repräsentativ für die EU-Märkte für elektronischen Handel insgesamt“.
Eine eingehendere Analyse aller Ergebnisse der laufenden Sektoruntersuchung zum elektronischen Handel wird in einem vorläufigen Bericht vorgenommen, der voraussichtlich Mitte 2016 zur öffentlichen Konsultation veröffentlicht werden soll. In dem Bericht wird nicht nur auf Geoblocking eingegangen, sondern auch auf alle anderen potenziellen Wettbewerbsprobleme auf den europäischen Märkten für elektronischen Handel. Der Abschlussbericht soll voraussichtlich im ersten Quartal 2017 erscheinen. (rnf)
Be the first to comment