Google-Director Karl Pall: „Ich würde nicht alle meine Handydaten hergeben!“

Big Data, also das massenhafte Sammeln von Daten und deren Vermarktung, ist Fluch und Segen zugleich: Einerseits eröffnet es Unternehmen neue Chancen und Märkte, andererseits prophezeien Datenschützer das Ende unserer Privatsphäre. [...]

„Gott würfelt nicht“, schrieb Albert Einstein einmal zum Thema Zufall. Und selbst wenn: Datenbanken und ausgetüftelte Algorithmen machen dem Himmelsvater heute Konkurrenz. Das Hamstern von Daten und deren Analyse und Vermarktung sollen unser Leben vorhersehbar machen. Was Datenschützern schlaflose Nächte bereitet, ist für Karl Pall (Google Director Brand Solutions DACH) der Schlüssel zum Erfolg von morgen. „Big Data befeuert die Innovation“, lautet sein Credo.

Der gebürtige Österreicher präsentierte in seiner Keynote Speach im Rahmen der Top Speakers Lounge der Handelskammer Schweiz-Österreich-Liechtenstein (HKSÖL) im Novomatic Forum Thesen zum Thema. Palls Schlussfolgerung: „Wir können Big Data nicht verhindern. Wir müssen damit leben und das Beste daraus machen. Wenn ich im vernetzten Auto unterwegs bin, gebe ich auch meine Daten her und bekomme dafür relevante Verkehrsinformationen. Das ist ein Geben und Nehmen.“ Doch selbst ein Google-Director hat in Sachen Datenschutz seine Schmerzgrenze. Und die beginnt ausgerechnet beim „Spion in der Hosentasche“ schlechthin, dem Smartphone. Pall: „Was ist privat? Nicht alles muss man hergeben. Man muss sich bewusst sein, wo produziere ich Daten? Ich würde nicht alle meine Handydaten hergeben. Ich verlasse mich da auf meinen Provider.“

Laut Medienprofi Rudi Klausnitzer kann Pall sein Smartphone allerdings ruhig für jedermann zugänglich machen, denn in Sachen Privatsphäre haben wir die Datenschlacht längst verloren. Klausnitzer: „Der Zug ist abgefahren. Die meisten Transaktionen, die wir machen, sind digital und damit nachvollziehbar. Zudem nützen wir digitale Services, auch wenn wir sie nicht wirklich benötigen. Wir erzeugen ständig Bewegungsmuster bzw. ökonomische Muster durch unsere Kreditkarten. Zu glauben, alles regeln zu können, ist eine europäische Krankheit. Europa ist Regelweltmeister. Die Innovationen machen die anderen.“

Missbrauch vs. Innovation
Doch was ist Innovation und wo beginnt Missbrauch? Liechtensteins Datenschutzbeauftragter Philipp Mittelberger: „Es geht darum, wohin wir wollen. Ich kenne den Fall einer 16-Jährigen, die aufgrund ihres Einkaufsverhaltens vom Algorithmus eines Supermarktes als schwanger eingestuft wurde. Daraufhin bekam sie personalisierte Werbung zugesandt, die dann ihr Vater gesehen hat. Die Warenhauskette wusste etwas über das Mädchen, dass der Vater nicht wusste. Und auch das Mädchen hatte keine Ahnung, dass es ein Kind erwartet. Big Data hat eben gute und schlechte Seiten. Leider ist die allgemeine Begeisterung so groß, dass keine genaue Nachfrage mehr erfolgt.“

Für Patientube.com-Gründerin Andrea Rinderknecht liegt die Schuld am Datenhunger nicht nur bei den Entwicklern. „Der Hunger kommt mit dem Essen. Als Unternehmer weiß man zuerst nicht, was man mit diesen Daten anfangen soll. Dann muss man sich Gedanken dazu machen, wie man den Datenschutzverordnungen standhalten kann. Verwendet man diese Daten richtig, dann gibt es einen konkreten Kundennutzen, wo z.B. Patienten mittels Apps während einer Therapie begleitet werden. Eine Gefahr besteht aber immer: Bin ich wirklich krank, oder fühle ich mich krank, weil meine App das so sagt?“

IT-Sicherheistsexperte Peter Katko: „Ich muss die Möglichkeit haben, meine Daten zu kontrollieren. In Seitensprungportalen in den USA konnte man seine Daten löschen. Daran glaubten zumindest die User, bis jemand den Server gehackt hat und einige Leute ziemliche Probleme bekommen haben. Privacy bedeutet, meine Daten zu kontrollieren und zurückholen zu können, wann immer ich es will.“


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