Erstmals hat sich Branchenprimus Google mit einer großen Kampagne auf seinen eigenen Webseiten in die Diskussion über ein Gesetzesvorhaben im deutschen Bundestag eingeschaltet. Der Internetkonzern ist gegen ein, von der schwarz-gelben Regierung geplantes, Leistungsschutzrecht (LSR) zugunsten von Presseverlagen. Dieses LSR wird am Donnertag im Parlament behandelt. [...]
Dabei fordert Google die Nutzer auf, sich in E-Mails und Anrufen bei den Bundestagsabgeordneten gegen das geplante Gesetz stark zu machen. Vertreter von Verlagen und einzelne Politiker kritisierten die Aktion von Google. „Ein Leistungsschutzrecht bedeutet weniger Informationen für Bürger und höhere Kosten für Unternehmen“, begründete Stefan Tweraser, Deutschland-Manager von Google, die Kampagne. Das umstrittene Leistungsschutzrecht soll Presseverlagen „das ausschließliche Recht“ geben, „Presseerzeugnisse zu gewerblichen Zwecken im Internet öffentlich zugänglich zu machen“. Damit müssten Anbieter wie Google die Darstellung von kleinen Textauszügen („Snippets“) auf ihren Webseiten bei den Verlagen lizenzieren oder darauf verzichten.
Kampagne gestartet
Herzstück der am Dienstagmorgen gestarteten Kampagne „Verteidige Dein Netz. Finde weiterhin, was Du suchst“ ist die Webseite http://www.google.de/campaigns/deinnetz/. Außerdem weist der Konzern auf der Startseite von Google Deutschland und in YouTube-Videos auf die Aktion hin. Damit nutzt erstmals ein Internet-Konzern in Deutschland massiv seine Online-Reichweite, um eine politische Kampagne anzustoßen.
Die meisten Bürger hätten noch nie von diesem Gesetzesvorschlag gehört, erklärte Google. Dabei träfe ein solches Gesetz jeden Internetnutzer in Deutschland. „Das Suchen und Finden, eine Grundfunktion des Internets, würde durch ein Leistungsschutzrecht gestört“, sagte Google-Manager Tweraser. Für Gegner des Leistungsschutzrechtes, die sich direkt an die Abgeordneten aus ihrem Wahlkreis wenden möchten, hat Google eine eigene „MdB-Landkarte“ erstellt. Dort werden öffentlich zugängliche Kontaktinformationen der Parlamentarier und ihrer Büros zusammengefasst angeboten.
Vernünftige Antworten werden versprochen
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Tauber, der einem Leistungsschutzrecht skeptisch gegenüber steht, sagte der dpa, er habe bisher weniger als zehn E-Mails erhalten. „Die Absender werden alle eine vernünftige Antwort erhalten.“ Sein Fraktionskollege Peter Beyer kritisierte die Google-Kampagne scharf: „Ich halte diese gigantische Aktion des Google-Konzerns für reichlich überzogen“, erklärte der CDU-Rechtspolitiker den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe (Mittwochausgaben). „Google hat eine immense Wirtschaftsmacht und setzt diese für seine Kampagne ein“, sagte Beyer.
Die Befürworter eines Leistungsschutzrechtes verweisen auf Milliarden-Erlöse beim Geschäft mit Online-Werbung bei der Internet-Suche. Die Verleger müssten daran fair beteiligt werden.
Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) zeigte sich „überrascht, dass ein Wirtschaftsunternehmen so auftritt“. „Es ist doch selbstverständlich, dass jemand, der einen Inhalt gewerblich nutzt, auch dafür bezahlt“, sagte BDZV-Sprecherin Anja Pasquay. „Die Panikmache von Google entbehrt jeglicher Grundlage. Die Behauptung des Suchmaschinen-Konzerns, das Suchen und Finden von Informationen im Netz werde erschwert, ist unseriös. Die private Nutzung, das Lesen, Verlinken und Zitieren, bleiben möglich wie bisher.“ Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zeigte sich laut „Handelsblatt“ (Mittwochausgabe) erstaunt, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen versuche, die Meinungsbildung zu monopolisieren. „Es gibt noch andere Suchanbieter als Google“, sagte sie der Zeitung.
Gefahr für die öffentliche Meinungsbildung?
Der Verein „Digitale Gesellschaft“ sprach von einer „Lobbyschlacht“. Sowohl Google als auch den Presseverlagen gehe es nur ums Geld, sagte Vereinsvorsitzender Markus Beckedahl. Zwar sei das Leistungsschutzrecht auch aus Sicht der Nutzer falsch und abzulehnen, weil es digitale Meinungsfreiheit einschränke und ein ohnehin überkomplexes Urheberrecht weiter verkompliziere. Aber „die Signalwirkung der Lobbyschlacht“ hält Beckedahl für fatal: „Wenn morgen Google und die Presseverlage bei der EU-Datenschutzreform plötzlich gemeinsame Sache machen, ist die öffentliche Meinungsbildung ganz schnell in Gefahr.“
Die deutsche Regierung hatte Anfang März die bereits im Koalitionsvertrag festgehaltene Absicht bekräftigt, ein Leistungsschutzrecht als Teil einer Reform des Urheberrechts einzuführen.
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