Google hat auf seiner Hausmesse alle Register gezogen, um den Rückstand gegenüber Amazon Web Services (AWS) und Microsoft im Cloud-Markt zu verkürzen. Partnerschaften mit wichtigen Softwarefirmen und Beratern, Referenzprojekte bei großen Kunden und jede Menge Produktankündigungen prägten das Bild in San Francisco. [...]
Zu den Highlights der Hausmesse Google Next gehörte sicher die beschlossene Partnerschaft mit SAP: Künftig soll die In-Memory-Datenbank SAP HANA auf der Google Cloud Platform (GCP) verfügbar sein. Außerdem ist eine Integration der SAP-Applikationen mit Googles G-Suite geplant. Der Schulterschluss mit den Walldorfern ist für Google wichtig, weil er signalisiert: Google will verstärkt Unternehmenskunden in sein weltweites Cloud-Netzwerk ziehen. Bislang ist Google aber noch im Nachteil: Es fehlt an Erfahrung, um die technischen Anforderungen großer Konzerne hinreichend zu unterstützen.
Diane Greene, die bei Google das Cloud-Geschäft voranbringen soll, ist sich aber sicher, dass es eher auf Technologiekompetenz als auf Business-Erfahrung ankommt. Stolz präsentierte die ehemalige VMware-Managerin unter anderem Colgate-Palmolive, Ebay, Verizon und die Großbank HSBC Holdings als neue Kunden. Die Banker wollen mit Google-Technologien unter anderem dem Phänomen der Geldwäsche auf die Spur kommen, diverse Simulationen vornehmen und komplexe Kalkulationen berechnen.
Google ist die Nummer drei im Cloud-Markt
Wie das „Wall Street Journal“ unter Bezug auf Daten der Deutschen Bank schreibt, liegt Google im Cloud-Business immer noch weit zurück. Amazon Web Services (AWS) habe hier im vergangenen Jahr 12,22 Milliarden Dollar umgesetzt, Microsoft mit den Azure-Diensten 2,42 Milliarden Dollar und Google lediglich 900 Millionen Dollar. Die Bilanz von Microsoft und Google falle allerdings viel besser aus, wenn Umsätze mit Office 365 respektive Gmail und Google Docs eingerechnet würden. Die Banker prophezeien sowohl Microsoft als auch Google eine Verdoppelung ihrer Cloud-Umsätze bis Ende 2018, wobei aber Microsoft trotz des höheren Umsatzvolumens schneller wachsen soll.
Gegenüber dem Journal behaupten sowohl Manager von Microsoft als auch von AWS, Google spiele als Wettbewerber in Ausschreibungen momentan keine Rolle. Das sieht Diane Greene naturgemäß anders: Google hole massiv auf, außerdem beginne das Spiel gerade erst. 95 Prozent der weltweiten Daten seien noch nicht in der Cloud. Man könne sich vorstellen, dass Googles Brot-und-Butter-Geschäft mit Werbung eines Tages vom Cloud-Business überflügelt werde. Das weltweite Cloud-Business könne zu einem Eine-Billion-Dollar-Markt werden.
Software-Entwickler und Berater als Türöffner
Damit Google hier mitspielen kann, muss der Internet-Riese allerdings nicht nur große Unternehmen als Kunden gewinnen, sondern auch Softwareentwickler und Berater auf seine Seite ziehen. Insbesondere letzteres ist im Corporate-IT-Business wichtig: Amazon und Microsoft haben die großen Beratungskonzerne und IT-Dienstleister längst an ihrer Seite. Die Partnerschaft mit SAP ist vor diesem Grund besonders bedeutend: Sie ermöglicht es Google, im gesamten Ökosystem der B2B-IT-Industrie ernster genommen zu werden.
Eine gute Einstiegschance ergibt sich für Google durch die hohe Kompetenz in den kritischen Geschäftsfeldern Data Analytics und Künstliche Intelligenz. Googles KI-Tools gelten als die besten, Airbus etwa setzt sie ein, um Satellitenbilder zu analysieren. Die Ocado Group, ein englischer Online-Lebensmittelhändler, nutzt Googles Spracherkennungs- und Sprachverarbeitung-Tools für Sentiment-Analysen, um die Zufriedenheit der Kunden zu messen.
Jamboard – das smarte Whiteboard
Mit „Jamboard“ bringt Google ab Mai 2017 zunächst in den USA, dann auch weltweit ein Whiteboard heraus – einen großen Touchscreen also, der Business-Usern in Meetings als Präsentations- und Collaboration-Tool dienen soll. Das schon 2016 angekündigte Board erlaubt es Notizen zu machen, Content im Web zu teilen, Dritte mittels Videokonferenz zuzuschalten und vieles mehr. Im Hintergrund läuft ein Cloud-Dienst, auf den auch andere User mit ihren Endgeräten vor Ort oder remote zugreifen können. Man muss also nicht im Raum sein und das Board berühren, um an sogenannten Jams teilzunehmen.
Während beispielsweise ein Team in Wien das Jamboard in einem Meeting-Raum nutzt, kann sich eine andere Person via iPad oder Android-Tablet von New York aus zuschalten und eine dritte über PC oder Mac von London aus. So sollen sich Meeting-Räume in digitale „Collaboration Spaces“ verwandeln. Der Preis soll bei rund 5.000 Dollar pro Jamboard liegen, zusätzlich solle eine jährliche Servicegebühr von 600 Dollar anfallen.
Addons für Gmail tief integriert
Während bislang Third-party-Add-ons über eine Browser-Extension in Gmail integriert werden konnten, sollen User sie künftig direkt in der Anwendung aktivieren können. Entwickler schreiben dazu einen Code in der Google-Apps-Scriptsprache, und die Add-ons werden sowohl im Web-Frontend als auch in den iOS- und Android-Apps von Gmail bereitgestellt. User des E-Mail-Clients sollen erste Add-ons „irgendwann in diesem Jahr“ vom G-Suite-Marktplatz aus installieren können. Google arbeitet mit einigen Softwarepartnern zusammen, um vermehrt Business-Funktionen zu integrieren. So soll der Zugriff auf Salesforce-Kontakte direkt aus Gmail heraus möglich werden, ebenso das Versenden von Rechnungen via QuickBook.
Neues zu Machine Learning, Analytics und Datenbanken
„Google Cloud Dataprep“ ist ein neuer Service, der Data Scientists dabei unterstützen soll, Informationen so aufzubereiten, dass sie optimal für Machine-Learning-Workloads zur Verfügung stehen. Das Tool entdeckt automatisch Datenschemata, Joins und Anomalien wie fehlende oder doppelte Werte, ohne dass Codierung erforderlich wird. Danach unterstützt es die Experten dabei, einen Satz an Regeln für die Informationsverarbeitung aufzustellen. Diese Regeln werden im Format „Apache Streams“ gebaut und können in Produkte wie Googles „Cloud Dataflow“ importiert werden.
Cloud Dataprep ist zwar dazu gebaut, Daten für Machine Learning vorzubereiten, das System nutzt aber selbst auch Machine Learning, um festzustellen, welche Regeln für User am nützlichsten sein könnten. Die Software ist derzeit als Private Beta verfügbar.
Um sich im Bereich KI und Machine Learning weiter zu verstärken, hat Google zudem die Übernahme des australischen Startups Kaggle angekündigt. Das Unternehmen betreibt eine Plattform, auf der Wettbewerbe für Machine Learning, Data Mining und Vorhersagemodelle veranstaltet werden. Unternehmen und Forschungseinrichtungen können ihre Daten hochladen, Mitglieder der Community entwickeln Modelle zur Auswertung. Google und Kaggle haben unter anderem einen Wettbewerb gestartet, in dem es um die Klassifizierung von Youtube-Videos geht. Themen auf der Plattform sind außerdem beispielsweise die Früherkennung von Lungenkrebs, die Identifizierung handgeschriebener Ziffern oder die Prognose von Sportergebnissen.
Google hat auch dem Data-Warehouse-Service „BigQuery“ einige Verbesserungen angedeihen lassen, darunter das Programm „Commercial Datasets“ (Public Beta). Anwender erhalten damit die Möglichkeit, Informationen aus externen Datenquellen wie AccuWeather, DowJones, Xignite und anderen direkt in BigQuery für die weitere Verarbeitung zu integrieren. Außerdem kann BigQuery nun Daten abfragen, die in Googles NoSQL-Datenbank „Cloud Bigtable“ abgelegt sind. So können Anwender mit eine SQL-Abfrage sowohl Informationen aus Bigtable als auch aus BigQuery ziehen. Vorher mussten für die Bigtable-Abfragen eigens Programme geschrieben werden.
Für Werbetreibende ergibt sich nun die Möglichkeit, Daten von Google Adwords, dem DoubleClick Campaign Manager, DoubleClick for Publishers und Youtube für die weitere Nutzung in Analytics- und Big-Data-Anwendungen an BigQuery zu senden. Wie die amerikanische CW-Schwerpublikation „Computerworld“ schreibt, könnten mit diesen Features Googles Werbekunden dazu bewegt werden, auch Googles Cloud-Angebote auzuprobieren. Der Internet-Gigant hat zudem angekündigt, dass sein Managed-Datenbank-Angebot „CloudSQL“ ab sofort nicht mehr nur MySQL, sondern auch PostgreSQL unterstützt (Beta).
Neue Hangouts-Versionen Meet und Chat
Google hatte ja bereits vor einigen Monaten angekündigt, mit seinem Chat- und Videokonferenz-Service Hangouts Business-Kunden besser adressieren zu wollen. Dazu hat das Unternehmen nun mitgeteilt, Hangouts in zwei Funktionen aufsplitten zu wollen: Hangouts Chat und Hangouts Meet. Hangouts Chat soll Teams einen „Shared Space“ für die Zusammenarbeit bieten und so Dienste wie Slack, HipChat 19und Microsoft Teams attackieren. Hangouts Meet ermöglich Audio- und Videokonferenzen auch für größere Gruppen – für das Business.
Die Hangouts-Ankündigungen sind Bestandteil der Strategie, die Entwicklung und Vermarktung der Productivity-Toolsammlung „G Suite“ voranzutreiben. Die Neuerungen zu Meet waren bereits vor kurzem an die Öffentlichkeit geraten. Geplant ist unter anderem, mehr Menschen in professionellere Videokonferenzen einbinden zu können und dabei auf ein leistungsstärkeres Backend zurückzugreifen, als es die bislang bekannten Voice- und Videodienste von Hangouts bieten. Enterprise-Kunden der G Suite erhalten künftig bei Bedarf Einwählnummern für Meetings und können sich so auch einfach per Telefon zuschalten.
Hangouts Chat wird mit dem neuen „@meet“-Bot geliefert, der Nutzern die einfache Planung von Meetings ermöglicht. Man beauftragt den Bot, ein Meeting zu planen, und der durchkämmt die Kalender der Kollegen, so dass einfach ein freier Termin gefunden wird. Chat ist derzeit noch in einer geschlossenen Betaphase. Meet ist für Kunden der G Suite verfügbar.
Business-Funktionen für Google Drive
Der Cloud-Speicher Google Drive soll für größere Unternehmen interessanter werden, entsprechende Lösungen hat Google präsentiert. So gibt es als Bestandteil der G Suite verbesserte „Team Drives“ für Arbeitsgruppen, in denen abgelegte Dateien nur für zuvor festgelegte Gruppenmitglieder und Admins zugänglich sind. Mitglieder, die ein Team verlassen, verlieren ihre Zugriffsrechte, was ungewollten Datenabfluss verhindern soll. Außerdem lässt sich über das Rechtemanagement bestimmen, welche User Inhalte verändern dürfen.
Darüber hinaus führt Google das Feature „Drive File Stream“ ein. Google bezeichnet es als intelligenten Cache: Drive-Dateien werden auf dem PC oder Mac via Icon sichtbar, ohne dafür heruntergeladen werden zu müssen. Das Feature ähnelt also der Smart-Sync-Funktion von Dropbox. Erst beim Zugriff wird die Datei heruntergeladen und abgesichert. Präsentiert wurde zudem „Vault for Drive“, mit dem Unternehmen die langfristige Datenspeicherung und rechtlich verpflichtende Aufbewahrung managen können sollen.
Damit Unternehmen auf Google Drive als zentrale Speicher und Filesharing-Plattform wechseln können, hatte der Hersteller mit AppBridge ein Partnerunternehmen übernommen, das Kunden professionell unterstützt. Es bietet Migrationsdienste von Quellen wie SharePoint, Exchange oder unternehmenseigenen File-Systemen. So soll Google Drive besser gegen Enterprise File-, Sync- und Share-Services wie Dropbox oder Microsofts OneDrive for Business positioniert werden.
Cloud-Plattform App Engine
Google bereichert die App Engine PaaS-Umgebung mit neuen Sprachoptionen und bringt die ereignisgesteuerte Computing Plattform „Cloud Functions“ ins Public-Beta-Stadium. App Engine bietet nun out oft the box Entwicklungsumgebungen für C#, Node.js und Ruby, nachdem bereits Go, Java 8, PHP 5-7 und Python 2 und 3 unterstützt worden waren. Node.js stand bereits als Betaversion zur Verfügung. App Engine unterstützt darüber hinaus Docker-Container, die in der Google-Cloud, aber auch woanders laufen können, und sie erhält besseren Support für „High-Control-Szenarien“, indem sie Secure-Shell-Zugriff (SSH) unterstützt.
Zudem geht die ereignisgesteuerte Architektur Cloud Functions vom Alpha- ins Betastadium über. Cloud Functions bietet eine Serverless-Umgebung, in der ein Ereignis von einem HTTP-Event oder einem Notification-Mechanismus angetriggert werden kann. Entwickler können in dieser Umgebung Event-getriebene Microservices bauen. Google-Manager Navneet Joneja verglich Cloud Functions mit Amazons AWS-Lambda-Service. Cloud Functions wird zudem mit der mobilen Anwendungsentwicklungs-Plattform Firebase verknüpft, ein Firebase-SDK wurde bereits vorgestellt. Firebase ist als leichtgewichtiges Backend für die mobile Entwicklung konzipiert worden, es bietet Datenbank-, Authentifizierungs-, Analytics- und Speicherfunktionen.
* Heinrich Vaske ist Editorial Director von COMPUTERWOCHE und CIO.
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