Google Pixel XL im Test

Das erste Made by Google-Smartphone gibt es in Österreich noch nicht. Getestet wurde das Gerät aber immerhin schon. [...]

Man nehme ein Nexus 6P und ein iPhone 7 Plus: So oder ähnlich fühlt sich das erste Riesentelefon an, das Google selber bauen liess. Anders als bei den günstigen Nexus-Smartphones, bei denen der Suchmaschinist jeweils eine Partnerschaft mit den Handy-Herstellern eingegangen ist, kontrolliert Google bei seinen neuen Pixel-Smartphones Design und Hardware-Herstellung selber.
Der Hersteller (HTC) fungierte hierbei nur als Auftragnehmer. Von HTC haftet keine Spur mehr an dem Eigenkonstrukt. Lediglich ein markantes „G“ prangt an der unteren Gehäuseseite, das aber für Google steht. Beim Preis legt man sich direkt mit Apple an: Gut 760 Euro würde man für die XL-Variante in der 32-GB-Speicherbestückung hinblättern. Das lässt aufhorchen.
Noch gibt es die beiden Pixel-Handys nicht bei uns zu kaufen. Das könnte womöglich an Googles intelligenten Assistenten liegen, den man hierzulande gleich in drei Landessprachen mit lokalen Suchergebnissen anreichern müsste, so unsere Vermutung. Trotzdem konnten wir es uns nicht nehmen lassen, einen ersten Blick auf das erste Smartphone aus Mountain View zu werfen.

Ist es ein iPhone?

Bei der Erstbefühlung ist man sich – in der Tat – nicht ganz sicher, ob man ein iPhone in den Händen hält. Der Aluminium-Unibody und die frontseitige Verglasung fühlen sich genauso an, als wäre das Gerät direkt aus Cupertino statt aus Mountain View gekommen. Da wäre höchstens noch der Unterschied zum Touch-Sensor, den man hier wie bei den Nexus-Telefonen mit dem Zeigefinger über die Gehäuserückseite erreicht. Gegen längeres Eintauchen in Wasser geschützt ist das funkelnagelneue Phablet im Vergleich zum letzten iPhone nicht. Was aber freut: Vom selben Glaselement der Vorderseite ist der Laser-Autofokus der Rückkamera abgeschirmt.

Eine sehr gute Entscheidung, die Google hier den Taiwanesen diktiert hat. Hier schwingt aber meine persönliche Erfahrung mit HTC-Bauteilen mit: Damals, sowohl beim HTC One (M7) als auch beim HTC One (M8), hat sich bei mir das Kameraglas schnell abgenutzt. Fotos wurden schon nach anderthalb Jahren schwammig, weil der Sensor durch die Kratzer am Glas nicht mehr genug Licht aufnehmen konnte. Daher auch meine anfängliche Skepsis, ob ich persönlich HTC als Bauteilzulieferer bei der Kamera wieder trauen kann. Löblich: Die zweifarbigen LED-Linsen ragen nicht aus dem Gehäuse. Allerdings auch, weil es hier keinen optischen Bildstabilisator gibt.  
Speicherknappheit
Fast schon Pflicht ist der USB-C-Anschluss, mit dem man auch rechnen konnte. Die Möglichkeit, den Speicher mit SD-Karte zu erweitern, fehlt. Schade: Die Standardausführung mit 32 GB ist ein wenig knapp bemessen. Bedenkt man, dass Samsungs Oculus-Plattform bei Erstinstallation gut 100 MB für die VR-Software verschlingt und viele Video- und Spiele-Apps zum Ausprobieren einladen, dürfte das bei Googles kommender Virtual-Reality-Plattform (Daydream) wahrscheinlich nicht viel anders aussehen. Neugierige, die sich eine solche Brille zulegen, werden hier mit Sicherheit gleich zahlreiche Unterhaltungs-Apps installieren wollen. Eine Ausführung des Pixel XL mit 128 GB Speicher gibt es nur gegen einen Aufpreis. Immerhin: Für unbegrenzten Upload von Fotos offeriert dafür Google uneingeschränkten Gratisspeicher.

Riesen-Display mit scharfer Optik
Die Qual der Wahl hat man bei der Display-Grösse. Das 5,5-Zoll-Modell (Pixel XL), das wir vor uns hatten, ist nur wenig kleiner als das iPhone 7 Plus (5,7) und vielleicht für manche Hände schon zu gross. Wer sich riesige Smartphones wie das Nexus 6P gewohnt ist, wird das grosse Telefon gerne in den Händen halten. Normal grosse Hände erreichen den oberen Bildschirmbereich mit dem Daumen gerade noch. Abstriche nimmt man beim 5-Zoll-Display des kleineren Bruders bei der Full-HD-Auflösung in Kauf. Auch Letzteres wird für all jene Anwender ein Unterscheidungskriterium sein, die sich später noch Googles eigene VR-Brille (Daydream View) zulegen wollen, die am 10. November in Deutschland auf den Markt kommt. Denn die hohe Auflösung des grossen Telefons mit 2560 x 1440 Pixeln bewirkt eine höhere Pixeldichte (von über 500 ppi).
Im Test haben wir das Google-Phablet vor allem mit einem Galaxy S7 verglichen, das ebenfalls über ein Amoled-Display verfügt. Allgemein fiel uns dabei kein gewaltiger Unterschied auf, den man von blossem Auge sieht. Einzig die Weisswerte unterstreichen beim Pixel-Gerät die bessere Helligkeit. Im Direktvergleich hat man den Eindruck, als lasse der Helligkeitsregler des Pixel-Telefons gefühlt 10 bis 15 Prozent mehr Helligkeit zu.

Zu Befehl
Eine Besonderheit ist die Siri-Konkurrentin Google Assistant. Diese basiert auf Google Now, wurde aber um einiges weiterentwickelt. Da man der neuen Smartphone-Butlerin das schlaue Nachfragen wirklich gleich anmerkt, sind wir uns sicher: Dem Suchmaschinenriesen geht es letztendlich weniger um die neuen Eigen-Handys als solches, sondern viel mehr um die Vermarktung der dahinterstehenden Technik. Schliesslich sind noch weitere Produkte wie Googles eigener Lautsprecher geplant, und das Smartphone ist erst der Anfang.
 
Schlaues Nachfragen
Die künstliche Intelligenz ist Siri schon teilweise überlegen: Geheisst man ihr beispielsweise eine Weckerabschaltung, fragt die Stimme nach dem zutreffenden Alarm, wenn man mehrere Wecker eingerichtet hat. Darauf kann man sogleich mit der Uhrzeit antworten – und die gewünschte Weckzeit ist deaktiviert. Sogar witzige Konversationen sind möglich, die auf vorherigen Aussagen basieren: Zum Beispiel, wenn man über einen schlechten Computerwitz nicht lachen konnte und einen die digitale Plaudertasche darauf mit einem anderen Witz vertrösten möchte.

Womit Siri dennoch ein wenig trumpfen kann, ist das Repertoire an alternativen Antworten auf sich wiederholende Fragen. Die Spracherkennung funktionierte bis jetzt auf Deutsch und auf Englisch bereits erstaunlich gut, und man ist überwältigt von der schnellen Interaktion. Das fängt schon damit an, wenn man ein wenig tippfaul ist und ein Video auf YouTube sucht – auch das kann die digitale Weggefährtin. Statt jedes Mal OK Google zu sagen, reicht ein Drücken auf das neue Kreissymbol in der Mitte der unteren Symbolleiste. Leider ist die Smartphone-Assistentin, die sich erst am Beginn ihrer Entwicklung befindet, nicht in der Lage, ständig zuzuhören. Das wäre aber bei aufeinander folgenden Fragen sinnvoll gewesen. Smart sind dennoch Antworten auf spontane Fragen. Beispiel: Wenn man noch nicht weiss, was man mit dem Google Assistant alles anstellen kann, fragt man einfach „Was kann ich tun?“, und schon plappert die Assistentin aus dem Nähkästchen. 

Leistung und Bedienung
Bei der Leistung mit Werten jenseits von 130.000 Punkten im AnTuTu-Benchmark müssen wir nicht lange um den Brei herumreden. Dafür sorgt der neuste Qualcomm-Snapdragon-Prozessor 821 mit einem Vierkerner von maximal 2,15-GHz-Taktung. Fast genauso schnell schneidet aber nach wie vor das Galaxy S7 ab, übrigens auch in anderen Leistungstests. Obwohl das Google-Gerät das Galaxy S7 mit seinem eigenen Exynos-Prozessor in den Benchmarks bereits geringfügig übertrumpft, verhält es sich spürbar agiler. Das liegt an der gewohnt aufgeräumten Oberfläche ohne Zusatz-Software. Bemerkbar machte sich dies insbesondere beim Spielen und Betrachten von Videos. Bei Letzterem konnte übrigens die Sound-Ausgabe überzeugen.

Der 3450 mAh starke Akku ist in 15 Minuten schon für einige Stunden geladen. In unserem Test war er innert dieser Zeitspanne von 1 Prozent auf ca. 35 Prozent geladen. Im Alltag liegt die Akkulaufzeit im oberen Mittelfeld. Nach einem intensiven Smartphone-Alltag mit vielen Surf- und Hotspot-Aktivitäten bleiben gegen Abend noch ca. 30 bis 40 Prozent. Spürbar besser ist das Galaxy S7, das manchmal gegen Abend noch über 40 Prozent Saft übrig lässt. Das Nexus 6P, das ich besitze, schneidet ähnlich ab wie Googles Neuling. Mir persönlich ist schon das als vielreisender Journalist fast ein bisschen zu wenig und ich hätte bei einem (teuren) High-End-Phablet eindeutig mehr erwartet. Allerdings bin ich ein Hardcore-Smartphone-Surfer mit immensem Akkubedarf, da ich pro Tag mindestens zwei Stunden mit dem Zug unterwegs bin.
Der neue Pixel-Launcher
Ein wenig gewöhnungsbedürftig ist der neue App-Drawer zur Öffnung aller installierter Apps, den man nun über ein kleines Pfeilchen oberhalb des mittleren App-Symbols öffnet. Die ständig eingeblendete Google-Suchleiste auf dem Home Screen, die auch vergangene Suchergebnisse einblendet, braucht es nicht unbedingt. Wir haben auf Anhieb noch keine Option gefunden, wie man diese ausschaltet.

Das Android 7.1, mit dem wir es hier zu tun haben, kann man auch auf den Nexus-Handys über das Beta-Programm haben. Zu dessen Hauptneuerungen zählen die App-Shortcuts. Das kennt man ansatzweise von Apple seit dem iPhone 6s. Android unterscheidet aber nicht zwischen verschiedenen Druckstufen, sondern reagiert einfach auf längeres Gedrückthalten eines App-Symbols. Einige Systemanwendungen bringen bereits Abkürzungen zu Hauptfunktionen hervor. Auf diese Weise öffnet man bei der Telefon-App beispielsweise die kürzlich gewählten Kontakte oder beim Chrome-Browser einen neuen Tab. Viele andere Apps wie Twitter gibt es aber noch nicht, die solche Abkürzungen unterstützen. Kurz: Hauptneuerungen an der Oberfläche und Android 7.1 sind eigentlich nur der neue Pixel-Launcher, etwas andere Ordnersymbole und die (nervige) Google-Suchleiste.
 
Kamera: Galaxy S7 vs. Pixel XL
Die 12,3-Megapixel-Kamera ist schnell und schiesst hervorragende Fotos. Wir haben ein wenig mit dem Galaxy S7 verglichen. Uns fällt nur auf, dass die Fotos vom Samsung-Handy etwas knalliger ausfallen. Allgemein wirken die Fotos vom Pixel-Smartphone einen Hauch kühler, dafür ist die Schärfe minim besser. In der Dunkelheit hatten wir manchmal den Eindruck, als nehme der Sensor des Pixel-Handys etwas mehr Licht auf. Ein Alltagsanwender wird aber fast keine Unterschiede bemerken.

Fazit
Bis jetzt überzeugt uns das Google Pixel XL – aber nicht beim Preis. Berücksichtigt man die mittelmässige Akkulaufzeit im Vergleich zum Galaxy S7, könnte man angesichts des hohen Strassenpreises von rund über 800 Franken im Moment auch zu halb so teuren Alternativen wie dem schon etwas älteren, jedoch hervorragenden Nexus 6P von Huawei zurückgreifen, das sich mit seiner Top-Kamera vor einem Jahr auf dem dritten Podestplatz im DxOMark-Rating der Kamera-Experten einreihte (gleich nach dem Galaxy S6 Edge und dem Sony Xperia Z5).
Wie gut der neue Google Assistant wirklich ist, wird sich erst im Zusammenspiel mit weiterer Google-Hardware wie dem smarten Google-Lautsprecher zeigen. Auch gespannt darf man sein, was die VR-Plattform Daydream bringt. Doch all diese Produkte kommen erst noch auf den Markt. Nett, aber eher ein Tropfen auf den heissen Stein, ist der unbegrenzte Upload-Speicher auf Google Fotos.
*Der Autor Simon Gröflin ist Redakteur der PCTIPP.


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