Forscher wollen langfristig Gehirn-Computer-Schnittstelle entwickeln. [...]
Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich haben zusammen mit Kollegen der TU München und des niederländischen Leiden Institute of Chemistry Mikrosensoren entwickelt, die elektrische Signale der Nervenzellen belauschen. Für die winzigen Messfühler nutzen die Experten das ungewöhnliche Material Graphen. Es besteht aus einer Schicht von Kohlenstoff und ist gerade einmal eine Atomlage dünn. Die einzelnen Atome bilden darin ein sechseckiges Wabenmuster.
Extrem reißfest und äußerst biegsam
Als aktive Schicht in den Sensoren vereint das Graphen gleich drei vorteilhafte Eigenschaften: Es reagiert äußerst empfindlich auf die schwachen Zellimpulse, ist biologisch verträglich und kann auf einer biegsamen Unterlage aufgebracht werden. „Das ist entscheidend für die Anwendungen, die wir uns für diese Bauteile vorstellen können. Auf lange Sicht geht es darum, eine Gehirn-Computer-Schnittstelle zu entwickeln“, erklärt Dmitry Kireev, Experte für Mikrotechnologie am Institute of Complex Systems in Jülich.
Solche Implantate greifen Signale im zentralen Nervensystem auf und leiten sie nach draußen. Davon profitieren Patienten mit einer Prothese, die dadurch eine direkte Kontrolle über ihr künstliches Körperteil erhielten. Doch bevor es soweit sei, können die Sensoren dabei helfen, grundlegende Erkenntnisse über die Funktion von Nervenzellen zu gewinnen. Weil Graphen extrem reißfest und gleichzeitig äußerst biegsam ist, kann für die Jülicher Sensoren auch eine Kunststofffolie als flexibles Trägermaterial dienen. So lassen sich die Bauteile rollen und biegen, ohne dass sie ihre Funktionsfähigkeit einbüßen. Das ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass sie im Körper eines Patienten implantiert werden können.
60 Sensoren auf Stecknadelkopf-Fläche
Gut 60 Sensoren sind auf den Bauteilen auf einer Fläche angeordnet, die gerade mal so groß wie ein Stecknadelkopf ist. Den Rest des Bauteils nehmen die Zuleitungen ein. Zwei verschiedene Architekturen für die Mikrosensoren hat Kireev bereits verwirklicht: „Im einfachsten Fall bildet die dünne Graphen-Schicht bloß eine Mikroelektrode, welche die Impulse der Nervenzellen aufnehmen und weiterleiten kann. Dieser Aufbau besitzt ein geringes Grundrauschen und liefert daher sehr saubere Signale.“
Etwas komplexer stellt sich der zweite Aufbau dar, in dem die Graphen-Schicht einen Teil eines Feldeffekttransistors (FED) auf dem Bauteil bildet. Dieses Schaltelement funktioniert wie ein winziges Ventil für elektrischen Strom: Eine Steuerspannung bestimmt, wie weit das Ventil geöffnet ist und wie viele Ladungen somit in einer bestimmten Zeit hindurchfließen können. Wenn eine Nervenzelle auf solch einem Graphen-FET ein Signal abfeuert, beeinflusst dieser Impuls die Steuerspannung und damit auch den Stromfluss.
Das Grundrauschen dieser Transistoren ist jedoch höher als bei einfachen Mikroelektroden. Das liegt an der guten Leitfähigkeit des Graphens, wie Kireev erläutert: „Die Stromfluss in einem Graphen-Transistor lässt sich nicht komplett abstellen. Das Ventil ist immer ein klein wenig geöffnet. Deshalb ist es hier schwieriger, das Messsignal vom Rauschen des Sensors zu trennen.“ Das wiegt der Graphen-Transistor jedoch durch eine andere Eigenschaft wieder auf, betont der Jülicher Forscher. Denn mit den winzigen Bauteilen lassen sich logische Schaltungen aufbauen. Die zeichnen dann nicht nur die Signale auf, sondern können auf demselben Bauteil gleichzeitig die gemessenen Werte weiter verarbeiten und analysieren.
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