Nach mehr als eineinhalb Jahren mühsamen Tauziehens gibt es nun doch grünes Licht für die Elektronische Gesundheitsakte (ELGA). Die beiden Koalitionsparteien haben sich auf einen gemeinsamen Gesetzesentwurf geeinigt, der am morgigen Dienstag vom Ministerrat beschlossen wird. Damit werden künftig alle Befunde und gesundheitsrelevanten Dokumente der Patienten elektronisch gespeichert. [...]
Für die Patienten bleibt es bei der freiwilligen Teilnahme mit einer Opting-Out-Regelung, für die Ärzte wurde die von Gesundheitsminister Alois Stöger (S) geplante verpflichtende Teilnahme jedoch aufgeweicht. Stöger und ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger zeigten sich bei der gemeinsamen Präsentation des Entwurfes zufrieden, die Ärztekammer ist es hingegen noch immer nicht.
Für die Ärzte gibt es nur eine Verpflichtung zur Speicherung von vier Befunddaten: Entlassungsbriefe aus dem Spital, Labor- und Radiologiebefunde sowie verschriebene Medikamente. Ansonsten sieht das Gesetz für sie nur ein grundsätzliches „Verwendungsrecht“ vor. Allerdings haften die Ärzte, wenn sie aufgrund einer Nicht-Verwendung von ELGA-Daten einen Fehler machen, weil sie nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Forschung behandeln müssen. Stöger ist allerdings überzeugt: „Der gute Arzt wird ELGA verwenden und ich bin überzeugt, wir haben nur gute Ärzte.“
Für die Patienten wird die Freiwilligkeit mittels sogenannter Opting-Out-Regelung gewährleistet, wonach man automatisch teilnimmt, wenn man nicht ausdrücklich widerspricht. Der Patient kann sich entweder gänzlich abmelden oder nur einzelne Befunde, Behandlungsfälle oder Medikamente ausblenden lassen. Die Daten werden dezentral beim Arzt bzw. Spital nach genau definierten technischen Qualitätskriterien gespeichert. Die Patienten können die Zugriffsrechte selbst bestimmen und sehen, wer auf ihre Daten zugegriffen hat. Für Stöger ist damit „die höchste Form des Datenschutzes“ gewährleistet, die es etwa bei Kredit- oder Bankomatkarten nicht gebe.
ELGA startet Ende 2013/Anfang 2014 durch die Nutzungsmöglichkeiten des ELGA-Portals für Patienten. Danach ist eine stufenweise Einführung vorgesehen: ab 2015 ELGA-Betrieb bei Spitälern und Pflegeanstalten, ab 2016 in Arztpraxen und Apotheken, ab 2017 in Privatkrankenanstalten. Für die Ärzte, Apotheken und Privatspitäler wird es eine Anschubfinanzierung von insgesamt 15 Millionen Euro geben. Die Gesamtkosten bis 2017 werden mit insgesamt 130 Millionen Euro beziffert. Dafür soll ab dem Jahr 2017 eine Kostendämpfung von 129 Mio. Euro pro Jahr erreicht werden. Dem stehen dann laufende Kosten von 18 Mio. Euro jährlich gegenüber.
Sowohl Stöger als auch Rasinger verwiesen darauf, dass die Verhandlungen mehr als eineinhalb Jahre gedauert haben und nicht leicht gewesen seien. Der Minister zeigte sich „sehr froh, das Kind auf die Welt zu bringen“, auch wenn es länger gedauert habe als erwartet. Der ÖVP-Gesundheitssprecher meinte, es habe doppelt so lange wie eine normale Schwangerschaft gedauert, er hoffe, dass es „keine Steißgeburt“ sei. Das jetzige Ergebnis sei „ein Sieg der Vernunft“, mit dem man die Möglichkeit für ein sehr erfolgreiches Projekt geschaffen habe. Stöger meinte, Österreich könne damit seine Vorreiterrolle in der Gesundheitspolitik weiter ausbauen.
Diese Einschätzung kann die Ärztekammer nicht teilen. „Schlechtes ist wohl besser geworden, aber immer noch nicht gut genug“, sagte Präsident Artur Wechselberger. Auch die Wiener Ärztekammer, eine der vehementesten Kritikerinnen des Projekts, zeigte sich mit einigen Punkten noch nicht einverstanden, Präsident Thomas Szekeres sieht allerdings einen „Teilerfolg“, indem einige wesentliche Punkte entschärft beziehungsweise nachgebessert worden seien.
Auch von der Opposition kam heftige Ablehnung. Die FPÖ fürchtet einen „gesundheitspolitischen Skylink“, Orange und Grüne sprachen sich zwar für elektronische Gesundheitsdatenspeicherung aus, der nun gefundene Kompromiss missfiel ihnen aber wegen Datenschutzbedenken. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (V), einer der Mitverhandler, bejubelte hingegen einen „Meilenstein“, auch Industriellenvereinigung (IV) und Wirtschaftskammer begrüßten die Ministerratsvorlage. (apa)
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