Komplexe Datenlandschaften und ein unübersichtliches Tool-Angebot machen Anwendern bei der Einführung von Advanced Analytics zu schaffen. Doch die Hoffnung, mit besseren Informationen mehr Geschäft zu machen, ist unvermindert groß. [...]
Viele Unternehmen investieren derzeit in ihre technischen und organisatorischen Analytics-Fähigkeiten sowie in das Training ihrer Mitarbeiter. Von ausgefeilten Datenanalysen versprechen sie sich tiefere Einsichten, die zu fundierteren Entscheidungen und damit zu besseren Geschäften führen sollen. Doch die Früchte hängen hoch: Ein funktionierendes Datenmanagement inklusive Advanced Analytics aufzustellen und in den Abläufen zu verankern, fällt den meisten Unternehmen schwer.
Das Business Application Research Center (BARC) hat untersucht, wie weit fortgeschritten die Anwenderunternehmen in Sachen Advanced Analytics sind. Für die Studie „The Future of Analytics“ wurden weltweit mehr als 300 Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen befragt. „Obwohl Advanced Analytics schon seit mehreren Jahren ein heiß diskutiertes Thema darstellt, haben nur wenige Unternehmen einen zufriedenstellenden Reifegrad auf diesem Gebiet erreicht“, heißt es in einer Mitteilung von BARC.
In vielen Betrieben geht es demnach immer noch darum, eine Basis für moderne Analytics-Methoden zu schaffen. Auf die Frage, welche Aspekte dafür wichtig sind, rangiert der Aspekt, Kompetenzen im Bereich Analyse und Datenverständnis innerhalb der eigenen Organisation zu fördern, weit oben: 97 Prozent sagen, das sei sehr wichtig (58) oder wichtig (39). Auf den Plätzen folgen die Identifikation der richtigen Tools für die jeweiligen Nutzer (95 Prozent) sowie das Training der Anwender (91 Prozent).
Auch organisatorische Aspekte spielen eine wichtige Rolle. Die Definition einer ganzheitlichen Datenstrategie (86 Prozent), eine bessere Kollaboration zwischen Business-Analysten und Data Scientists (84 Prozent) sowie eine Neuorientierung der Business-Intelligence- und Analytics-Abteilung (81 Prozent) stehen ganz oben auf der Hausaufgabenliste der Verantwortlichen.
Trotz aller Probleme setzen immer mehr Unternehmen Advanced Analytics ein. Jeder fünfte Betrieb wendet entsprechende Tools und Methoden breitflächig in der gesamten Organisation an. Vor drei Jahren waren gerade einmal fünf Prozent so weit. Umgekehrt reduzierte sich zwischen 2017 und 2020 der Anteil derjenigen, die Advanced Analytics nicht einsetzen und dies auch nicht planen, von 19 auf fünf Prozent.
Trotz allem befindet sich der Markt in einem frühen Entwicklungsstadium, konstatieren die BARC-Analysten. „Das ist keine Überraschung, denn um fortschrittliche Analytik richtig einzusetzen, sind im Vorfeld viele Investitionen erforderlich“, heißt es in der Studie. Zwei Drittel der Befragten geben an, dass zu wenig ausgebildetes Personal und Zeitmangel die größten Herausforderungen seien. Die Kosten stellen für 44 Prozent eine hohe Hürde dar. Hinzu kommen fehlendes analytisches Know-how auf der Abteilungs- beziehungsweise Endanwender-Ebene (43 Prozent) sowie Lücken im technischen Know-how (32 Prozent). Drei von zehn Befragten tun sich auch immer noch schwer, einen Business Case zu rechnen.
Analytics steht und fällt mit dem Datenmanagement
Die Basis für einen erfolgreichen Advanced-Analytics-Einsatz ist ein funktionierendes Datenmanagement. Das hat viele Facetten und bringt Herausforderungen für die Unternehmen mit sich. Datenquellen müssen erschlossen, Daten für neue Nutzergruppen zugänglich gemacht und Beziehungen zwischen Daten hergestellt werden. BARC zufolge ist es nicht verwunderlich, dass fast zwei Drittel der Befragten mehr Geld für die Verbesserung ihres Datenmanagements in die Hand nehmen wollen. „Ohne zuverlässige und zugängliche Daten ist eine Analyse unmöglich“, sagen die Analysten.
Doch das ist leichter gesagt als getan. Gerade im Daten-Handling haben viele Unternehmen etliche Probleme. Die größte Herausforderung ist auch hier, genügend Ressourcen in der eigenen Organisation bereitstellen zu können (57 Prozent). Die bräuchte es aber, um den komplexen Datenlandschaften beizukommen (46 Prozent) und Zugang zu den immer zahlreicheren Datenquellen herzustellen (46 Prozent). Ein gutes Drittel der Befragten moniert laut Studie, dass die Suche nach relevanten Daten im eigenen Unternehmen zu komplex sei und zu lange dauere. „Doch ohne korrekte und konsistente Daten, die den Anwendern leicht zugänglich sind, können Datenpipelines nicht automatisiert und Analysemodelle nicht operationalisiert werden“, konstatieren die BARC-Analysten.
„Es ist nicht überraschend, dass die Optimierung des Datenmanagements als Erfolgsfaktor angesehen wird“, sagt Alexander Rode, Analyst und Data Scientist bei BARC sowie Co-Autor dieser Studie. „Advanced Analytics erfordert den Zugang zu Daten für ganz neue Nutzergruppen, welche wiederum neue Datenquellen erschließen und Beziehungen zwischen Daten herstellen, die von herkömmlichen Data-Warehouse-Strukturen nicht abgebildet werden können.“
Automatisierte Entscheidungen brauchen Vertrauen
Es bleibt noch viel Arbeit, bis die Unternehmen so weit sind, datenbasiert automatische Entscheidungen in ihren Prozessen zuzulassen und vor allem diesen Entscheidungen auch zu vertrauen. Zwar gehen 87 Prozent der Befragten davon aus, dass das Vertrauen in automatisierte Entscheidungen mit der Zeit zunehmen wird. Voraussetzung dafür sei allerdings eine bessere Datenqualität, sagen fast drei Viertel der befragten Unternehmen. Die Betriebe sind sich BARC zufolge der Problematik bewusst. Viele kämpften bereits mit Datenproblemen in ihren BI-Systemen, so dass ihnen klar sei, wie wichtig zuverlässige und vollständige Eingabedaten sind.
Wichtige Faktoren für das Vertrauen in automatisierte Entscheidungen sind außerdem die Schulung von Business-Analysten in fortgeschrittener Analytik (52 Prozent), Transparenz der verwendeten Algorithmen und Modelle (48 Prozent) und auch hinsichtlich der verwendeten Daten (47 Prozent). „Wenn den Anwendern Kenntnisse über analytische Konzepte fehlen, bleiben Lösungen für sie eine Black Box“, sagen die BARC-Analysten. Analytisches Know-how ermögliche es den Anwendern, die Vorteile und Unzulänglichkeiten solcher Lösungen zu verstehen. Das schaffe Vertrauen in die automatisierte Entscheidungsfindung.
Data Literacy wird zur größten Herausforderung
Wer nachvollziehen kann, wie Entscheidungen aus Daten getroffen werden, hat laut BARC mehr Vertrauen in automatisierte Entscheidungen. Das erfordert allerdings Training und Know-how. Die Fähigkeiten dazu werden heute unter dem Begriff Data Literacy zusammengefasst. Darunter versteht man die Fähigkeit, kompetent mit Daten umgehen zu können. Das umfasst ein breites Spektrum und reicht von der Erfassung der Daten über Anpassungen und Veränderungen bis hin zur Interpretation und Präsentation.
Diese Skills zu entwickeln, ist alles andere als trivial. Das ist auch den Analytics-Verantwortlichen in den Betrieben klar. Neun von zehn befragten Managern gaben an, dass Data Literacy eine der größten Herausforderungen bei der weiteren Entwicklung von Advanced Analytics im eigenen Unternehmen sein wird.
*Martin Bayer: Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP; Betreuung von News und Titel-Strecken in der Print-Ausgabe der COMPUTERWOCHE.
Be the first to comment