Die NSA-Affäre hat wieder einmal deutlich gemacht, wie ausgefeilt digitale Attacken heutzutage sind. Mit der Zahl der möglichen Angriffszenarien wächst auch das Risiko für Vorstände und Manager, dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. [...]
Fast zehn Jahre gingen Hacker beim kanadischen Netzwerk-Spezialisten Nortel ungestört ein und aus. Erst als ein hochrangiger Manager durch den Download eines ungewöhnlichen Satzes von Dokumenten auffiel, flog der Angriff auf. Die mutmaßlich chinesischen Hacker hatten sich den Zugang über sieben ausgespähte Passwörter von hochrangigen Führungskräften verschafft – darunter auch das des damaligen Nortel-Chefs.
Die oberen Hierarchieebenen in Firmen sind das bevorzugte Angriffsziel für Hackerattacken. Sie sind es auch, die bei Angriffen egal an welcher Stelle zur Verantwortung gezogen werden können. „Manager sind natürlich Angriffsobjekt, aber auch Täter oder Haftungsadressat“, erklärt Marcel Roeder, Leiter des Bereichs Managerhaftpflicht beim deutschen Versicherungsmakler AON.
Nach Paragraf 91 im Aktiengesetz ist es Aufgabe von Vorstand und Geschäftsführung, ein System zu schaffen, das solche Probleme verhindert – und es zu überwachen, erklärt Rechtsanwalt Axel Freiherr von dem Bussche von der Kanzlei Taylor Wessing in Hamburg. „Vorständen kann ein Organisationsverschulden zur Last gelegt werden, wenn sie keine Vorkehrungen nach dem ’state of the art‘ treffen.“ Dazu gehört, dass sie Verträge mit IT-Dienstleistern oder Zulieferer auf ihre Regelkonformität überprüfen.
Die Liste der möglichen Fallstricke ist lang: „Das geht vom Laptop, der gestohlen wird, über den Mitarbeiter, der versehentlich sensible Daten an falsche Empfänger schickt oder Mitarbeiter, die frustriert ausscheiden und Daten mitnehmen. Ein bekannter aktueller Fall ist Snowden“, sagt Jens Krickhahn, Manager beim Spezialversicherer Hiscox. Der US-amerikanische Whistleblower Edward Snowden hatte als Systemadministrator für das Beratungsunternehmen Booz Allen Hamilton gearbeitet und war beim Geheimdienst NSA im Einsatz.
Einfache Unachtsamkeit sei nach wie vor der Hauptgrund für den Verlust wichtiger Informationen, sagt Alexander Geschonneck, Partner in der Forensik-Abteilung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. „Ein Manager muss abwägen, ob er den Flug zu einem Übernahmekandidaten im Netz postet“, sagt Geschonneck. „Kriegt das die Konkurrenz spitz und der Deal kommt nicht zustande, könnte er möglicherweise zur Verantwortung gezogen werden.“
Ansprüche könnten nicht nur das Unternehmen selbst, sondern auch Aktionäre oder von einem Datendiebstahl betroffene Dritte wie Kunden oder Vertragspartner stellen. „Dass Vorstände zur Rechenschaft gezogen werden oder über einen Datenskandal gestürzt wären, ist bisher noch selten“, sagte Rechtsanwalt Bussche. Es kommt aber vor: So musste der damalige T-Mobile Chef Philipp Humm 2008 seinen Posten räumen, nachdem der Diebstahl von 17 Millionen Handy-Nummern und Kundendaten bekanntgeworden war.
Mit der wachsenden Zahl von Angriffen steigt das individuelle Risiko. Denn sehr häufig kann der Ursprung von Hackerattacken nicht geklärt werden. „Die Schäden liegen bei bis zu einer Million Euro. Ein kleiner Mittelständler kann da schon in Bedrängnis geraten“, sagt KPMG-Berater Geschonneck. „Die Nachfrage nach der persönlichen Verantwortung wird uns immer häufiger gestellt.“
„Wenn Datenschutzgesetze verletzt werden, können Geldstrafen fällig werden“, sagt Krickhahn. „Das trifft das Unternehmen, ein Geschäftsführer kann aber auch persönlich haftbar gemacht werden.“
„Der größte Schaden ist der Ansehensverlust. Der sorgt in der Regel dafür, dass Kurse abrutschen und Kundenzahlen einbrechen“, sagt Bussche. Die Firmen bemühen sich deshalb, Hackerangriffe möglichst diskret zu behandeln, trotz aller Versuche der Politik, eine öffentliche Diskussion über die Gefahren aus dem Netz für Firmen anzuregen. Im Gegensatz zu den USA gibt es in Deutschland bisher nur eine gesetzliche Meldepflicht für Hackerangriffe, wenn die persönlichen Daten Dritter betroffen sind.
„Der Schaden einer öffentlichen Ermittlung durch Reputationsverlust kann sehr groß sein“, sagt Geschonneck, „Deshalb einigen sich die Parteien häufig außergerichtlich.“ (apa)
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