Hapag Lloyd: IT-Chef Martin Gnass verzahnt IT und Business

Die Prozesse bei Hapag Lloyd sollen dynamischer werden. Dazu richtete Gnass die IT an den Geschäftseinheiten aus und zentralisierte das IT-Management. [...]

Martin Gnass ist Managing Director IT von Hapag Lloyd (c) Martin Gnass

„Es ging uns auch darum, Business Intelligence und Analytics enger mit unseren Produkten zu verzahnen,“ beschreibt Martin Gnass, Managing Director IT von Hapag-Lloyd, seine IT-Strategie. Die Nutzer sollten anhand der Daten bessere Entscheidungen treffen können.

Neue IT-Organisation

2019 begann Gnass, die IT des Logistikunternehmens neu zu organisieren. Sie arbeitete bis dato projektbasiert in klassischen Entwicklungs- und Betriebsteams. Nun sollten die Mitarbeiter fachlich und technisch in business- und produktorientierte Gruppen zusammengeführt werden.

Gnass stellte dazu die Organisation um und spiegelte die Struktur der Geschäftseinheiten auf die IT. Jeder Fachabteilung wurde ein IT-Produkt-Team zugewiesen, das agil und cross-funktional für diese Abteilung arbeiten sollte. Neue IT-Lösungen werden als Produkte behandelt und in enger Abstimmung mit den Business Units entwickelt, getestet, validiert und ausgerollt.

Klar verteilte Rollen sichern laut Gnass die Ausrichtung am Geschäft. „Die Product-Owner der Fachabteilungen haben mit dem IT-Produkt-Manager einen festen Ansprechpartner, der sich um das konsequente Business Alignment für Innovation und operationelle IT-Exzellenz kümmert,“ so der Manager.

Dieser Change-Prozess erforderte laut Gnass eine Umstellung in den Denkweisen der Mitarbeiter und viel Training. Seit 2020 wurden während der Corona-Zeit knapp 200 IT- und 150 Business-Mitarbeiter in den neuen Prozessen und Methoden geschult.

Zentrale IT-Steuerung

Die IT von Hapag-Lloyd ist zum Großteil zentral organisiert. In der Hamburger Zentrale arbeiten rund 300 IT-Mitarbeiter. Zusätzlich baute Gnass seit November 2019 einen zweiten Standort in Danzig mit derzeit weiteren 120 Kollegen auf. Beide Abteilungen zusammen sollen bis Ende 2021 auf mindestens 500 Mitarbeiter aufgestockt werden.

„Um global einheitliche Standards festzulegen, haben wir vor einigen Jahren eine IT-Plattform mit Softwarebausteinen aufgebaut, mit der alle Business Funktionenweltweit arbeiten,“ so Gnass. Auf diese Weise werde sichergestellt, dass das Geschäft nach einem weltweit einheitlichen Modell arbeite und jede entwickelte IT-Lösung immer funktioniere, egal an welchem Standort sie eingesetzt werde. Hat ein Mitarbeiter eine bestimmte Business-Funktion, arbeitet er bei Hapag-Lloyd weltweit immer mit demselben IT-Produkt.

Dazu sollte der Anteil an lokaler IT so klein wie möglich gehalten werden. So gibt es beispielsweise keine verteilten SAP-Landschaften, sondern alles wird aus Hamburg heraus gesteuert. Infrastruktur und Netzwerk betreiben externe Dienstleister. „Wie konzentrieren unsere Kapazitäten darauf, Produkte und Anwendungen zu entwickeln, die uns vom Wettbewerb differenzieren,“ erklärt Gnass.

Optimiertes Equipment Management

Eines der Flaggschiff-Produkte der neuen IT-Teams ist die Optimierung von Leercontainerbewegungen im Business-Bereich Equipment Management. Das Problem: Durch Ungleichgewichte in internationalen Handelsströmen sind die Frachter laut Gnass nicht immer voll ausgelastet. China exportiere etwa mehr als es importiere. Dadurch stünden in Europa leere Container, während sie in Asien fehlten. „Die Frage ist also: wie bekommen wir diese leeren Container kostenminimal – oder im besten Fall profitabel – dorthin, wo sie gebraucht werden?“ so der IT-Chef.

Der Business Case ist überzeugend: Laut Gnass können um zehn Prozent verbesserte Containerauslastungen dem Unternehmen einen dreistelligen Millionenbetrag einsparen. Zudem bekämen die Kunden des Unternehmens einen besseren Service, da Lieferungen an veränderte Umstände angepasst werden könnten.

Doch die Aufgabe ist komplex. Die Containerströme werden anhand von gesammelten Daten in Zeitfenstern von acht Wochen prognostiziert. Zudem muss der Transport im Hinterland durch Lkw und Bahn geplant werden. Schließlich fließt auch die Wartung der eigenen und die Koordination gemieteter Container ein.

Planung mit Echtzeitdaten

Das Team um Gnass baute gemeinsam mit dem Partner IBM ein datengetriebenes Planungsmodell in drei Stufen auf. Als Grundlage dienen Informationen zur aktuellen Buchungssituation und Verfügbarkeit von Containern. Darauf aufbauend werden mittels Machine Learning Bedarfe für die kommenden acht Wochen kalkuliert. Die letzte Ebene nutzt diese Daten, um Vorhersagen zu Veränderungen zu treffen und Verbesserungsvorschläge bei der Planung zu geben. Hier spielen etwa Wetterprognosen oder regionale Faktoren wie Feiertage mit hinein.

Um während der acht Wochen schnell auf Unvorhergesehenes zu reagieren, fließen Echtzeitdaten in das System ein. Darunter fallen beispielsweise Verspätungen von Frachtern. Darauf aufbauend lassen sich die Transporte umplanen, um Ausfallzeiten oder Leerstände zu verhindern. An Land verfolgt Hapag-Lloyd die Fracht über die Container selbst. Geodaten geben etwa Aufschluss darüber, ob ein Lkw im Stau steht und der Stellplatz auf dem Schiff kurzfristig anderweitig genutzt werden kann.

Das alles passiert im Hamburger Headquarter. Die Daten liegen dort im Data Lake, wo die Optimierungsmodelle angewandt werden. Der Output fließt in das Fracht Informationssystem (FIS) der Reederei. Dieses selbstentwickelte System sei laut Gnass der „digitale Backbone“ und die Kernplattform des gesamten operativen Logistikgeschäfts für 12.000 Mitarbeiter. Auch SAP und Salesforce sind damit verzahnt. Alles zusammen bildet die Plattform für Inventory und Supply Chain Management, auf der alle Nutzer des Unternehmens arbeiten.

*Jens Dose ist Redakteur des CIO Magazins. Neben den Kernthemen rund um CIOs und ihre Projekte beschäftigt er sich auch mit der Rolle des CISO und dessen Aufgabengebiet.


Mehr Artikel

News

Bad Bots werden immer menschenähnlicher

Bei Bad Bots handelt es sich um automatisierte Softwareprogramme, die für die Durchführung von Online-Aktivitäten im großen Maßstab entwickelt werden. Bad Bots sind für entsprechend schädliche Online-Aktivitäten konzipiert und können gegen viele verschiedene Ziele eingesetzt werden, darunter Websites, Server, APIs und andere Endpunkte. […]

Frauen berichten vielfach, dass ihre Schmerzen manchmal jahrelang nicht ernst genommen oder belächelt wurden. Künftig sollen Schmerzen gendersensibel in 3D visualisiert werden (c) mit KI generiert/DALL-E
News

Schmerzforschung und Gendermedizin

Im Projekt „Embodied Perceptions“ unter Leitung des AIT Center for Technology Experience wird das Thema Schmerzen ganzheitlich und gendersensibel betrachtet: Das Projektteam forscht zu Möglichkeiten, subjektives Schmerzempfinden über 3D-Avatare zu visualisieren. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*