"Dei´ hohe Zeit ist lang vorüber", sang Rainhard Fendrich über Österreich. Gilt das auch für Apple? Das Unternehmen muss sich immer häufiger auch kritische Stimmen gefallen lassen. Gerade wenn - wie morgen - neue Bilanzen veröffentlicht werden. [...]
Wenn Apple seine Geschäftszahlen vorlegt, ist die Aufmerksamkeit stets groß. Morgen, Mittwoch, wird die Bilanz aber so akribisch unter die Lupe genommen werden wie schon lange nicht mehr. Die einen sagen, Apple zeige Schwächen. Die anderen erwarten neue Rekorde.
Es ist eine ganz neue Erfahrung, die Apple-Aktionäre in den vergangenen Monaten machen mussten: Sie haben Geld verloren. Viel Geld. Während die Aktie im September auf den Rekordwert von 705,07 Dollar geklettert war, fiel sie seitdem auf unter 500 Dollar (rund 375 Euro) zurück. Anleger, die auf dem Höhepunkt eingestiegen waren, haben damit fast 30 Prozent ihres Einsatzes verloren. Insgesamt verpufften annähernd 200 Mrd. Dollar an Börsenwert. Oder wie es das „Wall Street Journal“ ausdrückte: das Bruttoinlandsprodukt von Pakistan.
An diesem Mittwoch könnte sich entscheiden, wohin die weitere Reise geht. Am späten Abend mitteleuropäischer Zeit legt Apple seine Geschäftszahlen für das Weihnachtsquartal vor. Die Frage ist: Kann der erfolgsverwöhnte kalifornische Elektronikkonzern das Rekordergebnis aus dem Vorjahreszeitraum übertreffen? Damals vermeldete Apple 37 Millionen verkaufte iPhones, 15 Millionen verkaufte iPads und gut 13 Mrd. Dollar an Gewinn.
In der jüngsten Zeit gab es einige Anzeichen dafür, dass Apple die Grenzen seines Geschäftsmodells erreicht hat. So haben die Android-Smartphones nach Angaben des Marktforschers IDC ihren Vorsprung am Markt vor Apples iPhone ausgebaut. Microsoft hat sein neues Betriebssystem Windows 8 für Tablet-Computer und Smartphones veröffentlicht. Und Computerhersteller bringen in immer schnellerer Folge Alternativen zu Apples iPad heraus.
Das deutlichste Alarmsignal kam vergangene Woche: Apple habe die Bestellungen von Bauteilen für sein neues iPhone 5 deutlich gesenkt – und zwar wegen niedrigerer Nachfrage als erwartet, berichtete das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf eingeweihte Personen. Die Bestellungen von Bildschirmen für das laufende Quartal seien sogar halbiert worden, hieß es weiter. Die Berechnungen der Zeitung blieben aber nicht unwidersprochen. Blogger wie Mark Rogowsky von Forbes.com rechneten nach, warum die Aussagen nicht stimmen können.
SKEPTISCHE ANALYSTEN
Etliche Analysten haben ihre Schätzungen für die Apple-Ergebnisse dennoch gesenkt. Der Finanzdienstleister Bloomberg hat die Zahlen zusammengetragen: Demnach könnte Apples Gewinn im Weihnachtsquartal um 2 Prozent auf unterm Strich 12,8 Mrd. Dollar geschrumpft sein. Das klingt nach keiner großen Sache, aber wie Bloomberg anmerkte: Es wäre der erste Rückgang seit einem Jahrzehnt!
Doch es gibt auch Analysten, die Apple neue Rekorde zutrauen mit 50 Millionen verkauften iPhones und deutlich mehr als 20 Millionen verkauften iPads. Der Marktforscher Kantar Worldpanel schätzt den Anteil der iPhones am gesamten US-Smartphone-Geschäft im vierten Quartal auf satte 51 Prozent. Und es gibt Spekulationen, dass die rasante Talfahrt der Apple-Aktie schlicht etwas mit Optionskontrakten auf just den aktuellen Preis zu tun haben könnte. So wunderten sich die Beobachter, dass die Apple-Aktie zum Börsenschluss am Freitag exakt bei 500,00 Dollar landete.
Egal, ob der Konzern die Vorjahreszahlen verfehlt oder übertrifft: Konzernchef Tim Cook muss nach eineinhalb Jahren an der Spitze die Weichen für die Zukunft von Apple stellen. Denn momentan lebt der Konzern von jenen Produkten, die noch der verstorbene Steve Jobs erdacht hatte. Cook hat das Werk fortgeführt und nur in Details eigene Akzente gesetzt: So hat das iPhone 5 einen größeren Bildschirm und iPad gibt es jetzt in einer Miniversion.
Nun muss Cook etwa entscheiden, ob Apple ins Geschäft mit Fernsehgeräten einsteigt. Oder reicht die bisherige Settop-Box Apple TV, um die Tür in die Wohnzimmer zu öffnen? Noch wichtiger ist die Frage, ob Apple ein günstigeres iPhone auf den Markt bringen muss. Bisher war der hohe Preis des Elite-Telefons ein Garant für die sagenhaften Gewinne des Unternehmens.
Aber der Smartphone-Markt hat sich seit dem Tod von Steve Jobs verändert: Im Westen gibt es immer weniger Spielraum für Wachstum, stattdessen wechseln die Menschen in Ländern wie China, Indien oder Brasilien massenhaft von einfachen Handys zu Computer-Telefonen. Das Dilemma von Cook: Ein billiges iPhone könnte die Profite schmälern; doch ohne ein neues Gerät könnte Apple die schnell wachsenden Märkte anderen überlassen – vor allem Herstellern von Android-Geräten wie Samsung. Cook muss sich entscheiden. Der Mittwoch wird mehr Klarheit bringen. (apa)
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