Wie stemmt ein Konzern die schnelle Entwicklung technologiegetriebener Innovationen? Henkel-CDIO Michael Nilles gibt in seiner Keynote auf den Hamburger IT-Strategietagen einen Einblick. [...]
Im Oktober 2019 ist Michael Nilles in seine Aufgabe als Chief Digital & Information Officer (CDIO) bei Henkel gestartet. Bei seiner digitalen Keynote auf den Hamburger IT-Strategietagen ist hinter Nilles in großen Neon-Leuchtbuchstaben „dx“ zu lesen. Henkel dx gab es vor 1,5 Jahren noch nicht, als Nilles zum Konsumgüterhersteller stieß. Die neue Digitaleinheit Digital Business (dx) fokussiert sich darauf, technologiegetriebene Innovationen voranzutreiben.
Digital Commerce ist heute „der Kanal“ für den Handel geworden, Covid hat die Entwicklung weiter beschleunigt. Megatrends verändern die Geschäftsmodelle im Handel. Auf diese vier Megatrends fokussiert sich Henkel dx:
- Platform Economy: Durch ihre offene digitale Infrastruktur ermöglicht sie Unternehmen, ihre Kernkompetenzen anzuwenden und dabei zu wachsen. Nilles beschreibt Plattformökonomie in seiner Keynote als das „ultimative Ziel“.
- Consumer & Customer Gravitation Shift: Das Konsumentenverhalten verändert sich fundamental. Heute sind Online-Einkauf, Hyperpersonalisierung und schnelle Lieferung gefragt. Für Hersteller bedeutet das, dass sie die Lieferung kleiner Mengen direkt an ihre Kunden genauso beherrschen müssen wie die Großlieferung an den Handel.
- Outcome-based Servitization: Der dritte Megatrend ist für das Industriegeschäft relevant, bei Henkel zählt dazu Klebstofftechnologie. Kunden möchten heute mehr als nur ein Produkt kaufen. Sie möchten Performance und Qualität erwerben: etwa mithilfe von Maschinendaten, um spezielle Datenmodelle zu generieren.
- Lean. Fast. Simple: Die ersten drei Megatrends sind Michael Nilles in seiner Keynote besonders wichtig, doch verzichten möchte er nicht auf den vierten Trend. Der verhilft dem Unternehmen dazu, Produktivität und Effizienz zu steigern. Beispielsweise, indem in der Produktion verstärkt auf künstliche Intelligenz gesetzt wird.
Nilles ist überzeugt, dass der Handel auch in Zukunft weiter eine Rolle spielen wird. Doch Vertriebskanal Nummer eins ist heute Digital Commerce. Und das bedeutet, dass Unternehmen direkt mit ihren Konsumenten interagieren und es für sie entscheidend ist, die Konsumenten zu kennen und zu aktivieren – ganz unabhängig vom Kanal. Während Produkte früher einen Lifecycle von mehreren Monaten oder sogar Jahren hatten, sind es heute eher Wochen. Manchmal vergehen auch nur wenige Tage bis zu einem neuen Produkt. Dass etwa beim Shampoo heute Hyperpersonalisierung gefragt ist, hat unter anderem die Supply Chain völlig verändert.
Kulturkompass mit fünf Elementen
Die Einheit Henkel dx vereint Business Domain-Experten, Digitalexperten, Ventures sowie IT-Experten. Ihr Motto: „Culture is key in re-writing the rules of xcommerce“. Ein Kulturkompass vereint fünf Treiber:
- „Business & Customer Obsession“ – Nilles möchte, dass jeder Mitarbeiter diese Leidenschaft mitbringt.
- „Business Domain Expertise“ – dx bündelt Expertise.
- „Proud to be Tech“ – Henkel war durch eine starke Outsourcing-Welle geprägt. Mittlerweile werden die Bereiche Software, Daten und KI als Kernkompetenzen eingestuft, die bewusst im Unternehmen aufgebaut werden.
- „BizDevOps“ – kleine Organisationseinheiten bringen Experten aus unterschiedlichen Disziplinen zusammen und gelangen so zu schnelleren Ergebnissen.
- „Start-Up Mentality“ – mit ihrer Startup-Mentalität entwickeln die Einheiten neue Lösungen nicht in Jahren, sondern in Wochen.
Um so arbeiten zu können und radikal am Kunden Innovation zu betreiben, musste sich das IT-Setup anpassen. Mit sogenannten digitalen Garagen (Innovation Hubs) wurden Orte geschaffen. Spezielle Expertise von außen holt dx durch Zusammenarbeit und Investitionen in Startups in den Konzern. Die Innovation Hubs sind ein Ort, an dem gezielt neue Lösungen gebaut und schnell umgesetzt und skaliert werden können.
Beispiel Beauty Tech
Innovationskraft holt sich dx auch von außen. Als aktuelles Beispiel aus dem Bereich Beauty Tech nennt Michael Nilles die App Choicify, die Kunden zur Wahl der richtigen Farb-Nuance einer Tönung berät. Die KI-getriebene App projiziert die gewünschte Haarfarbe auf das reale Bild der Kunden. Henkel erhält im Gegenzug Konsumentendaten.
Ein zweites Beispiel ist das Londoner Startup Streetbees, in das Henkel investiert hat. Das Unternehmen bietet schnelle Marktforschung in Echtzeit und setzt dabei auf die Crowd – so lassen sich neue Trends in kurzer Zeit aufspüren. Drittes Beispiel: Henkel hat kürzlich eine Mehrheitsbeteiligung an der Firma Invincible Brands erworben, die Kosmetikprodukte über das Internet verkauft.
Auch die etablierten Marken von Henkel erweitern sich um neue digitale Angebote. Als Beispiel nennt Nilles die Sneaker-Reinigung Persil Sneaker Clean, die Kunden online buchen können.
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