Mit der Übernahme von SGI will HPE sein Geschäft mit Hochleistungsrechnern sowie Lösungen für Big Data und Analytics verstärken. [...]
Hewlett Packard Enterprise (HPE) hat überraschend bekannt gegeben, den High Performance Computing Spezialisten (HPC) Silicon Graphics International Corp. (SGI) übernehmen zu wollen. Mit dem Deal, der ein Volumen von 275 Millionen Dollar hat, will der US-Konzern eigenen Angaben zufolge sein Geschäft mit Hochleistungsrechnern sowie Lösungen für Big Data und Analytics stärken. Den weltweiten Markt für HPC beziffert HPE auf ein Volumen von derzeit rund elf Milliarden Dollar. Das Wachstum betrage zwischen sechs und acht Prozent jährlich. Doppelt so schnell lege derzeit das Geschäft mit Analytics- und Big-Data-Lösungen zu, hieß es von Seiten der HPE-Verantwortlichen.
Die Akquisition stärke nicht nur HPEs Position im schnell wachsenden Analytics-Big-Data-markt, stellte Antonio Neri, Executive Vice President und General Manager von HPEs Enterprise Group, fest. Darüber hinaus könne man mit der Übernahme die Stellung in vertikalen Märkten wie beispielsweise der öffentlichen Hand sowie in Wissenschaft und Forschung ausbauen. Gartner zufolge führt HPE aktuell den weltweiten Server-Markt an. Im ersten Quartal 2016 verbuchte der Konzern Server-Einnahmen von knapp 3,3 Milliarden Dollar, gut drei Prozent mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum (3,2 Milliarden Dollar). Das reichte für einen komfortablen Vorsprung auf den zweitplatzierten Dell (2,3 Milliarden Dollar im ersten Quartal 2016). Auch bei den ausgelieferten Stückzahlen lag HPE mit gut 526.000 Systemen vorn, wenngleich die Auslieferungen gegenüber dem Vorjahresquartal leicht um 1,6 Prozent zurückgingen. Vor allem das Hyperscale-Data-Center-Segment könne derzeit im Server-Markt zulegen, sagte Gartner-Analyst Jeffrey Hewitt Anfang Juni dieses Jahres.
SGI-Geschäfte laufen mau
Ob die Rechnung aufgeht, bleibt abzuwarten. SGI hatte im abgelaufenen Geschäftsjahr 2015/16 mit insgesamt noch etwa 1100 Mitarbeitern einen Umsatz von 533 Millionen Dollar erwirtschaftet. Unter dem Strich stand ein Minus von elf Millionen Dollar. Immerhin konnte das Unternehmen damit die Talfahrt der vergangenen Jahre bremsen. Im abgelaufenen Geschäftsjahr stiegen die Einnahmen erstmals wieder, nachdem sie in den Jahren zuvor kontinuierlich zurückgegangen waren. Von 767 Millionen Dollar im Fiskaljahr 2012/13 auf 530 Millionen im Jahr darauf und dann 521 Millionen Dollar im Geschäftsjahr 2014/15. Auch das Defizit verringerte sich. Im Jahr zuvor stand noch ein Verlust von gut 39 Millionen Dollar zu Buche, ein Jahr zuvor waren es sogar fast 53 Millionen Dollar.
SGI war 1982 gegründet worden und hatte sich zunächst einen Namen mit High-Performance-Workstations- und -Grafiklösungen gemacht. Mit der Entwicklung günstigerer aber ebenfalls leistungsstarker Grafikchips durch Unternehmen wie Nvidia sowie dem Siegeszug Intel-basierter x86-Server begann Ende der 90er Jahre des vergangenen Jahrtausends der Niedergang von SGI. Der Hersteller geriet mehr und mehr in finanzielle Schieflage und musste 2006 und 2009 zweimal Insolvenz und Gläubigerschutz anmelden. 2009 wurde SGI von dem Server-Hersteller Rackable Systems Inc. übernommen, der in der Folge auch den Firmennamen übernahm unter der Marke SGI weiter firmierte. In den zurückliegenden Jahren konzentrierte sich das Traditionsunternehmen verstärkt auf den Bau von Hochleistungsrechnern Für Big-Data-Anwendungen. Beispielsweise entwickelte SGI Rechner für SAPs In-Memory-Plattform HANA sowie Oracles In-Memory-Datenbank-Versionen.
Crawford Del Prete, Analyst von IDC, bezeichnete HPEs Entscheidung SGI zu übernehmen dennoch als guten Deal. Die Akquisition verstärke deren Präsenz in einem margenträchtigen Bereich des Marktes. Lösungen und Techniken beider Unternehmen würden gut zueinander passen, ergänzte Charles King, Principal Analyst von Pund-IT. Technisch gibt es bereits Verbindungen zwischen beiden Unternehmen. So ist SGIs NUMAlink Interconnect-Technik Teil von HPEs Integrity-Servern. Zudem war SGI einer der wenigen Server-Hersteller, der mit seinen Altix-Systemen auf Intels Itanium-Chip setzen. Auch Hewlett-Packard war stark an der Entwicklung der Itanium-Plattform beteiligt und hält eigenen Angaben zufolge nach wie vor an der Chip-Familie fest. SGI allerdings nicht mehr. Vor rund sechs Jahren brachte das Unternehmen seine letzten Itanium-Systeme heraus.
Außerdem sei der Preis, den HPE für SGI zahlt, in Ordnung, meint King. Gerade wenn sich die Prognosen hinsichtlich der weiteren Marktentwicklung bewahrheiteten. Patrick Moorhead, President und Principal Analyst von Moor Insights & Strategy, glaubt, dass der Plan aufgehen könnte. Die Überlappungen der Bereiche HPC auf der einen und Big Data sowie Analytics auf der anderen Seite würden immer größer. Das gelte sowohl für die Architektur wie die Technik der Lösungen. SGI habe in den zurückliegenden Jahrzehnten enge Bindungen zu seinen Kunden aufbauen können. Davon könnte HPE nun profitieren. Die Übernahme werde HPE in den Bereichen HPC und Big Data wettbewerbsfähiger machen, sagt Moorhead. Allerdings müsse der Konzern weiter in die Entwicklung der Lösungen und investieren und die Integration der Portfolios vorantreiben.
HPE hat in den zurückliegenden Monaten nach der Aufspaltung des Traditionsunternehmens HP in HP Inc. und HPE mit einigen Entscheidungen für Aufsehen gesorgt. Anfang des Jahres hatte der Konzern bekannt gegeben, sich aus dem Public-Cloud-Geschäft zurückziehen zu wollen. Es folgte die Abspaltung der Service-Sparte, die mir CSC fusioniert wurde. Die ganze Zeit rotierte außerdem das Personal-Karussell. Zahlreiche langgediente HP-Manager kehrten dem Konzern zuletzt den Rücken. Für zusätzliche Unruhe sorgten jüngst Gerüchte, Investoren schmiedeten Pläne, das Unternehmen beziehungsweise Teile davon – im speziellen die Softwaresparte – zu kaufen und von der Börse zu nehmen.
* Der Autor Martin Bayer ist stellvertrtender Chefredakteur der Computerwoche.
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