Huawei stellt Android-Alternative vor…

...und bestückt gleich eine ganze Wagenladung neuer Geräte damit. Das neue Betriebssystem könnte den Mobilmarkt total umkrempeln. Und: Kommt etwa schon das P50? [...]

(c) Huawei

Im März 2019 kam der große Knall: Die USA untersagte Huawei, Software zu verwenden, in welcher US-Technologie drinsteckt. Also zum Beispiel alle Google-Services – und damit das Herz des ansonsten quelloffenen Betriebsystems Android.

Huawei setzte zunächst weiterhin auf Android und lancierte die App Gallery und Petal Search für Apps, da der Google Play Store logischerweise auch nicht mehr verwendet werden durfte. Prinzipiell funktionierte alles gut und recht, wirkte jedoch irgendwie unfertig – und Huawei zögerte auch keine Sekunde, noch US-Software zu benutzen, wo sie es durften – beispielsweise auf ihren Laptops.

Nun ist alles anders: Huawei hat an ihrer Entwickler-Konferenz das lange angekündigte, hauseigene Betriebssystem vorgestellt, HarmonyOS. Und nicht nur das: Auch zahlreiche neue Geräte haben die Tech-Giganten aus Shenzen veröffentlicht – gleich ab Werk mit dem neuen Betriebssystem ausgerüstet, darunter neue Tablets, Smartwatches und Kopfhörer. Einige Geräte – selbstverständlich auch mit HarmonyOS – kommen auch in die Schweiz.

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HarmonyOS

(c) Screenshot / Huawei

Zunächst aber zur Hauptattraktion, dem neuen Betriebssystem. Das zentrale Feature des Betriebssystems ist, wie Huawei enthusiastisch erklärte, die Multi-Device-Kompatibilität. HarmonyOS laufe auf Smartphones, genau wie auch auf Computern, Laptops, Smartwatches und anderen Geräten aus der eigenen Schmiede – auch Küchengeräte seien davon nicht ausgenommen. Dadurch könne ein Ökosystem aufgebaut werden, welches sich jederzeit locker auf andere Geräte anwenden lasse und so unendlich wachsen könne.

Das Smartphone könne beispielsweise als zentrale Steuerungseinheit für mehrere Geräte dienen und dadurch zum regelrechten Super-Device werden. Oder das neue Huawei Tablet (siehe nächste Seite) kann kabel- und bluetoothlos als zusätzlicher Monitor eines Laptops oder eines Computers herhalten – und dann auch mit der gewöhnlichen Maus und der Tastatur angesteuert und genutzt werden.

Der Kasus Knacktus der Geschichte ist eine Kontroll-App auf dem shenzen’schen Smartphone, welche HarmonyOS-Geräte im gleichen Netzwerk erkennt und mittels eines Fingerwisches damit verbinden kann. Bluetooth und dergleichen sind nicht notwendig. Auch eine Funktion zur Datenübermittlung – nennen wir es der Einfachheit halber AirDrop-Klon – steht bereit.

Auch das sonst altbekannte «einmalige Setup» entfällt – selbst wenn man ein neues Gerät im Laden kauft und dieses startet, wird es – sofern es mit HarmonyOS läuft – sofort vom Kontroll-Hub erkannt und dem Netzwerk hinzugefügt.

Adieu Apps

Bereits zu Android-Zeiten hat Huawei sogenannte Quick-Apps entwickelt. Services, die zwar App-ähnlich auf dem Smartphone aufgeführt sind, bei Benutzung aber auf den Server zurückgreifen. Dies spart Speicher. Mit HarmonyOS geht Huawei nun einen Schritt weiter: Da Apps geräteübergreifend überall funktionieren können, reicht es, eine App auf einem HarmonyOS-Gerät installiert zu haben. Möchte man nun von einem anderen Gerät drauf zugreifen, ist dies dank dem Kontrollhub kein Problem mehr. Huawei beginnt in den nächsten Wochen, sein neues Betriebssystem auf seine Geräte zu verteilen – bis zu fünf Jahre alt seien diese teilweise.

(c) Screenshot / Huawei

Übrigens: Mit dem Schweizer Traditionsunternehmen Tissot hat Huawei bereits eine Partnerschaft geschlossen. Gut möglich also, dass wir bald eine HarmonyOS-Smartwatch «Made in Switzerland» vorstellen dürfen.

Watches, Tablets, Kopfhörer – auch ein Smartphone?

Abgesehen von HarmonyOS hat Huawei zahlreiche Geräte vorgestellt. Zum Beispiel die neue Smartwatch Huawei Watch 3 sowie Watch 3 Pro, deren Akkus drei, respektive fünf Tage durchhalten. Diese hat die für Smartwatches üblichen Features an Bord, so etwa verschiedene Ziffernblätter, über 100 Workout-Programme, Schlaftracking und andere Health-Features – so zum Beispiel ein Temperatursensor – in pandemischen Zeiten sicher nicht das dümmste Feature. Zudem unterstützt das Modell eSIM und ermöglicht so den Zugriff auf die AppGallery. So können Apps auch auf die Watch heruntergeladen und die Watch mit anderen Devices verbunden werden.

Verfügbar ab 18. Juni, für 369 Euro, respektive 599 Euro für das Pro-Modell.

Huawei FreeBuds 4

(c) Screenshot / Huawei

Nach den FreeBuds 4i fürs kleine Budget (siehe Test hier), hat Huawei nun auch seine Flaggschiff-Linie bei den True-Wireless-Kopfhörern lanciert. Die FreeBuds 4 sind – wie ich zugeben muss, zu meinem Erstaunen – nicht etwa Plugs, sondern Buds, also geformt wie ihre Vorgänger oder etwa die Apple AirPods zweiter Generation. Trotz der halboffenen Bauform verspricht Huawei ein aktives Noise Cancelling von bis zu 25 Dezibel. Die kabelfreien Stöpsel sollen mit ihren 14 Millimeter großen Treibern verbesserten Klang bringen.

Die Akkus in den jeweils rund 4 Gramm schweren Kopfhörern und der 9,2 Gramm schweren Ladebox sollen sich zwar auf insgesamt nur 22 Stunden belaufen (4 Stunden auf den Kopfhörern), jedoch sind sie von 0 auf 100 in 40 Minuten geladen. Zudem verpasst Huawei den Hörern eine Touch-Steuerung und Autodetection. Zudem darf man davon ausgehen, dass die neuen Kopfhörer zum Anlass genommen werden, den eigenen Musik-Streaming-Dienst Huawei Music zu pushen – eine Promo-Aktion könnte entsprechend folgen.

In Ceramic White und Silver Frost für 149 Euro – ab dem 18. Juni erhältlich

Huawei MatePad (Pro)

(c) Screenshot / Huawei

Huawei wäre nicht Huawei, wenn sie nicht noch mit einem Tablet aufwartete. Das Huawei MatePad Pro soll mit dem cupertinischen Konkurrenten wetteifern – entsprechend sind die neuen Pro-Tablets eher im Bereich Business positioniert. Das Gerät verfügt über einen 12,6 Zoll Screen (10,8 Zoll beim portableren Gerät) und soll mit seiner Hardware-Konfig sogar 3D-Renderings bewältigen können. Zur Verbesserung der Produktivität legt Huawei auch gleich noch einen Stift an: M-Pencil nennt Huawei das Eingabegerät.

HarmonyOS ist auch hier vorhanden und erinnert optisch sehr an Apples mobile Betriebssysteme. Großer Selling Point ist – wie zuvor schon erwähnt – die zusätzliche Nutzungsmöglichkeit als Bildschirm.

Jeder Windows-PC soll damit arbeiten können. Dabei werden die klassischen Einstellungen unterstützt, die Windows bietet, wenn man mit mehreren Screens arbeitet: Extend-Mode, also die Erweiterung des ersten Bildschirms, der Mirror Mode, der die Inhalte des Desktops spiegelt und ein Multi-Screen-Modus, bei dem sowohl der normale Screen wie auch das Tablet mit Maus und Tastatur angesteuert werden und so auch Dateien hin- und hergeschoben werden können. Zudem stellt Huawei noch ein weiteres Tablet vor, das MatePad 11.

Betrieben wird dieses (und auch das kleinere der Pros) mit Qualcomm Chipsets – solange die Tablets keine 5G-Unterstützung erhalten, dürfen sie die US-Chipsätze einbauen. Wohl eine Erleichterung für die Chinesen, sind die Vorräte an eigenen Chips hinsichtlich des US-Banns und der Corona-Pandemie wohl kleiner geworden.

Ab Juli 2021, Preis: ab 549 Euro, der Pencil schlägt mit 99 Euro zu Buche.

Last but not least

(c) Screenshot / Huawei

Neu wird Huawei sich auch auf dem Bildschirmmarkt zu positionieren versuchen. Die Chinesen stellen zwei PC-Monitore vor – einen für den kreativen Bereich, einen für Gamer. Der MateView GT soll vor allem mit Farb- und Detailtreue bestechen.

Ab Ende Juli für 549 Euro (MateView GT) respektive 699 Euro (MateView)

(c) Screenshot / Huawei

Huawei P50

(c) Screenshot / Huawei

Lediglich mal schnuppern durfte man punkto Smartphone. Huawei zeigte nämlich nur einige Bilder. Dabei musste Richard Yu zugeben, dass aus den bekannten Gründen – dem US-Bann und der daraus resultierenden Chip-Knappheit – das neue P-Flaggschiff noch Zeit braucht. Bis anhin wurde das Gerät immer im März, kurz nach dem Samsung S, vorgestellt. Ein Prototyp scheint aber bereits zu existieren.


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