My Train, My Passenger, My Ticket: Die Zugbegleiter der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB) sind künftig mit einem iPad Mini und drei zusammen mit IBM und Apple entwickelten Apps unterwegs. [...]
Um über eine Million Fahrgäste täglich zu versorgen, sind in den Zügen der ÖBB rund 1.200 Zugbegleiter unterwegs. Bislang nutzten sie dabei allerdings in die Jahre gekommenes Equipment, was die Arbeit erschwerte und zu Lasten der Servicequalität ging. Vor rund zwei Jahren beschloss die ÖBB daher, im Rahmen einer weitreichenden Digitalisierungsstrategie diesen Zustand zu ändern und kooperierte als erstes Bahnunternehmen weltweit mit IBM und Apple im Rahmen einer MobileFirst-for-iOS-Partnerschaft.
Wurden die Apps bei der ÖBB bislang quasi im Elfenbeinturm entwickelt, war Ausgangspunkt des Projekts ein Workshop am Apple-Hauptsitz in Cupertino. Dort skizzierte der extra eingeflogene ÖBB-Mitarbeiter Stefan Smejkal zunächst seinen Arbeitstag als Zugbegleiter. Nachdem die Kernaufgaben festgehalten wurden, habe es bereits zwei Tage später als erstes Zwischenergebnis ein Grundstock an Designs für die geplanten Anwendungen gegeben, erinnert sich Smejkal.
Die Bereitstellung der fertigen Apps dauerte dann etwas länger, was Johannes Jax, Account Partner Travel & Transportation bei IBM Global Business Services, mit den komplexen Anforderungen der Bahn begründete. „Man glaubt, Flugzeuge seien kompliziert“, so Jax. „Tatsächlich bietet die Bahn viel mehr Möglichkeiten, was die Tickets anbelangt.“ Im konkreten Fall der ÖBB werden die Ticketmöglichkeiten der Star Alliance um den Faktor 100 überschritten, was auch damit zusammen hängt, dass die Zugbegleiter mit der neuen App nun auch für Verbindungen Tickets verkaufen können, die über die österreichische Grenze hinaus gehen.
My Train, My Passenger, My Ticket
Da neben der Vereinfachung und Beschleunigung der Arbeitsschritte auch eine bessere Bedienbarkeit im Mittelpunkt stand, wurden die Aufgaben des Zugbegleiters außerdem auf drei Apps verteilt: My Train, My Passenger und My Ticket. Die Anwendungen sind erster Ansprechpartner für die Fahrgäste, geben Fahrplan- und Preisauskünfte sowie Informationen zu Anschlussverbindungen und Unregelmäßigkeiten. Außerdem können sicherheitsrelevante Aufgaben wie etwa Checklisten oder Mängelmeldungen künftig papierlos über die Apps abgewickelt werden. Auch Echtzeit-Informationen über den Reservierungsgrad eines Zuges oder über passende Anschlussverbindungen sind geplant.
Wichtiger Teil des ansonsten eher softwarelastigen Projekts war auch die Ablösung der mehr als zehn Jahre alten Mobilen Terminals (MTx): Die über ein Kilogramm schweren Geräte unterstützten nicht mehr alle gewünschten Features und hatten auch in ihrer Bedienung ihre Tücken. So mussten die Zugbegleiter etwa bisher mindestens 15 oder 30 Minuten vor Dienstantritt erscheinen, um sicherzustellen, dass die aktualisierten Daten über Fahrpläne und Tarife auch rechtzeitig über die Docking-Station auf ihr Gerät gespielt wurden.
iPad Mini ersetzt Mobiles Terminal
Mit den bei der neuen Lösung verwendeten iPad Minis reicht es, das Update OTA via WLAN aufzuspielen. Außerdem unterstützen die 300 Gramm leichten Tablets in Verbindung mit dem via Bluetooth (!) angesteuerten mobilen Drucker und dem angeschlossenen Kartenlesegerät beim Verkauf von Tickets im Zug auch die Bezahlung via EC- oder Kreditkarte sowie die Berücksichtigung einer Bahncard.
Mittlerweile geht das zweijährige Projekt seinem (vorläufigen) Ende zu: Nachdem die Geräte und Apps den im Oktober 2016 mit rund 60 ÖBB-Zugbegleitern gestarteten Piloteinsatz erfolgreich passierten, begann Anfang März der flächendeckende Rollout in Kärnten. Zwischen Mitte April und Ende Juni sollen dann sukzessive alle verbleibenden der insgesamt 1200 Zugbegleiter migriert werden.
Laut ÖBB-Projektleiter Mario Sparrer handelt es sich dabei um ein echtes Change-Projekt. Da das Durchschnittsalter der ÖBB-Zugbegleiter bei 55 Jahren liege, hätten viele von ihnen keine Lust mehr, vor ihrer Pension noch ein neues Gerät zu lernen, erklärt er die Zurückhaltung mancher Mitarbeiter: „80 Prozent freuen sich, die restlichen 20 Prozent muss man mitnehmen.“
An diesem Punkt bringt er die berühmte „Usability“ der Apple-Geräte und -Anwendungen ins Spiel: Um den Widerstand der Anwender zu entkräften, habe die Bundesbahn nicht nur bei der Entwicklung der ÖBB-Apps besonders Wert auf Bedienfreundlichkeit gelegt. Außerdem dürfen die Zugbegleiter die iPads auch privat nutzen, die Business-Anwendungen laufen in einem geschützten Citrix-Container.
IBM Watson pausiert
Seit Apple und IBM vor zwei Jahren die Partnerschaft Mobile First for iOS ins Leben gerufen hatten, wurden nun schon mehr als 100 Apps für 15 Industriebereiche und 65 Berufsgruppen geschaffen. Die drei ÖBB-Apps unterscheiden sich dabei von den restlichen Anwendungen durch den fehlenden Analyse-Teil – dieser spielt neben der besonderen Usability eine wichtige Rolle bei MobileFirst for iOS. Laut IBM-Mann Jax ist dieser Umstand der Offline-Fähigkeit der ÖBB-Apps geschuldet. IBM Watson sei noch nicht implementiert, aber angedacht.
*Manfred Bremmer ist Redakteur der Computerwoche.
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