Das Wetter hat einen maßgeblichen Einfluss auf das Geschäft, der weithin unterschätzt, aber jedenfalls nach wir vor noch nicht zur Gänze von den Unternehmen genutzt wird. Diesen Markt will IBM mit der Übernahme von The Weather Company weiter entwickeln. Gleichzeitig bekommt IBM Zugriff auf eine Fülle an Daten, mit denen das KI-System Watson gefüttert wird, was wiederum der besseren Analyse der Wechselwirkung von Wetter und Business dient. [...]
Im Jänner 2016 erwarb IBM für 2 Mrd. Dollar den weltweit größten, privaten Wetterdienstleister The Weather Company (nur der TV-Sender Weather Channel war von der Übernahme ausgenommen). Die Übernahme bedeutet für IBM einerseits den Zugriff auf eine Unmenge von Wetterdaten, immerhin analysiert The Weather Company (TWC) die Daten von täglich rund 50.000 Flügen, mehr als 250.000 persönlichen Wetterstationen und Millionen von Smartphones. Alle 15 Minuten produziert TWC für rund 2,2 Milliarden Standorte weltweit lokale Vorhersagen.
Zum anderen hat IBM mit TWC eine umfassende Internet-of-Things-Plattform übernommen und steigt mit TWC in das Geschäft mit Wetterdaten ein. Das Potenzial dieses Geschäftsbereichs ist vielen nicht bewusst, erklärt Alex Rutter, Managing Director für die EMEA-Region von The Weather Company. Allein in den USA schätzt man die wirtschaftlichen Einbußen aufgrund von Wetterkapriolen auf fast eine halbe Billion US-Dollar im Jahr. Alle Branchen sind betroffen, egal ob Handel oder Landwirtschaft, Transport und Logistik, Tourismus, Versicherungen oder Energie. Und dennoch bezögen viele Unternehmen das Wetter nur reaktiv statt proaktiv in ihre Geschäftsentscheidungen mit ein, beschreibt Runter den Staus-quo.
Wetterdaten mit KI verknüpfen
Mit dem wachsenden Einsatz smarter Sensorik zur präziseren Modellierung von Wettermodellen, intelligenter Analyseverfahren, punktgenauen Wetterprognosen und der zunehmenden Verbreitung mobiler Geräte und Smartphones ergeben sich neue Optionen für die Unternehmensplanung. Insbesondere, wenn man Wetterdaten mit Unternehmensdaten, externen Datenquellen und kognitiven Werkzeugen verknüpft. Genau das tut IBM und hat dementsprechend TWC im Watson-Bereich angesiedelt, wie Runter erklärt. Der Plan sei, so Runter, bis 2018 Künstliche Intelligenz bei der Wettervorhersage und -dienstleistung zu verwenden.
Gegenwärtig werden jedenfalls eifrig Daten für Watson gesammelt. Und der Datenpool, den TWC liefert ist riesengroß: Neben eigenen Daten analysieren die komplexen Modelle von The Weather Company jeden Tag mehr als 400 Terabyte an externen Daten. Hierzu gehören zum Beispiel Pollenflug, Satellitenbilder, Verkehr und auch die über 250.000 persönlichen Wetterstationen, die über Weather Underground vernetzt sind. Alex Rutter illustriert das Datenaufkommen mit einem drastischen Vergleich: „Google verarbeitet 9 Milliarden Abfragen täglich, The Weather Company 29 Milliarden.“
Allein in Österreich fließen Daten aus rund 4.000 Sensoren von persönlichen Wetterstationen in die Analyse ein, das ist ein Vielfaches im Vergleich zu 131 öffentlichen Wetterstationen. Die Daten der „Crowd“ stehen allen Nutzern zur Verfügung und schaffen ein besonders genaues Vorhersagemodell für einen Raster von 500 Metern in Österreich.
Wetterdienstleistung ist Big Business
Als Wetterdienstleister liefert TWC Millionen von Verbrauchern und Tausenden von Unternehmen personalisierte Wetterdaten, die via APIs in Apps eingebunden werden können oder als digitale Produkte direkt von TWC zur Verfügung gestellt werden. Zu den Kunden, die die Daten von TWC übernehmen zählen u.a. Anbieter wie Apple, Facebook, Google, Twitter etc. übernommen. Mehr als 225 Millionen Nutzer weltweit greifen auf die Consumer Plattform zu.
Die Möglichkeiten sind vielfältig, über 3.500 B2B-Kunden in 70 Ländern nutzen weltweit die Services der Weather Company: Versicherungen in den USA zahlen jährlich über eine Milliarde Dollar für Hagelschäden an Autos. Durch rechtzeitige Warnungen bei aufkommenden Hagelstürmen, etwa in Form von Textnachrichten, könnten durchschnittlich bis zu 25 Dollar je Versichertem eingespart werden.
Ein weiteres Beispiel sind Energieunternehmen: So verzeichnen US-amerikanische Energieversorger schon bei einem Anstieg um nur wenige Grad eine dramatisch höhere Nutzung von Klimaanlagen und damit auch einen enormen Anstieg des Energieverbrauchs. Mit präziseren Vorhersagen könnte hier die Energieerzeugung wesentlich genauer an den Verbrauch angepasst werden.
Fluglinien können durch die Analyse von Echtzeit- und historischen Daten Einsparungen erzielen, indem sie den Treibstoffverbrauch optimieren, Flugverspätungen und Überlastung an Flughäfen reduzieren. Zudem können sie die Sicherheit für ihre Passagiere bei Turbulenzen erhöhen.
Auch Konsum- und Kaufverhalten werden massiv durch die Wetterlage beeinflusst. Die Kombination von Wetterprognosen in Verbindung mit Social-Media-Analysen und Logistik- und Transportinformationen kann zum Beispiel Einzelhändlern und Distributoren helfen, die Verfügbarkeit von Waren besser an die Nachfrage anzupassen oder Marketingkampagnen effizienter zu gestalten.
Wachstum in der IBM Cloud
Durch die Migration der Wetterdaten-Plattform in die IBM Cloud soll das Wachstum dieser Cloud-basierten Applikationen zusätzlich beschleunigt werden. Kunden können damit zudem noch einfacher Wetterdaten in ihre eigenen IT-Ökosysteme einfließen lassen, mit ihren Unternehmensdaten kombinieren und für Entscheidungen nutzen. Experten aus der IBM-Beratungssparte unterstützen Kunden dabei, Anwendungsszenarien zu erarbeiten, entsprechende Analytics-Lösungen zu realisieren und in ihre Geschäftsprozesse zu integrieren. Darüber hinaus stellt IBM über Bluemix, ihre Cloud-Application-Development-Plattform, Tools für Entwickler bereit, mit deren Hilfe sie auf Wetterdaten und vorgefertigte Applikationen zugreifen können.
Ohne exakte Umsatzzahlen bekanntzugeben, nennt Alex Rutter als Wachstumsziel die Verdoppelung des TWC-Umsatzes in den nächsten drei Jahren. Die Rahmenbedingungen dafür seinen günstig, der Wettermarkt noch lange nicht ausgereizt und das Potenzial der daraus entstehenden Möglichkeiten enorm.
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