Maschinelle Intelligenz kann nur dort entstehen, wo Cognitive Computing eine Rolle spielt. Alles andere hilft Unternehmen nicht weiter und ist fehleranfällig. [...]
Die maschinelle Revolution hat nach Meinung vieler Fachleute bereits begonnen. Das stimmt zwar grundsätzlich, aber von der so genannten Künstlichen Intelligenz ist übergreifend noch nicht viel zu spüren. „Chatbots sollen den Handel revolutionieren, aber noch sind sie zu blöd“, titelte beispielsweise die Wirtschaftswoche und kommt zu dem Schluss: „Ich kann dich nicht verstehen“, das sei noch allzu oft das Ergebnis dieser nur vermeintlich schlauen Roboter.
Pures Machine Learning reicht nicht
Die Wahrheit liegt woanders. Das Ziel der meisten Initiativen ist: Maschinen sollen Prozesse verschlanken. Dies primär, indem sie Abläufe automatisieren. Gestern füllte ein Mitarbeiter die Bestellmaske an seinem Bildschirm aus, morgen soll das ein Bot übernehmen.
Der klassische Ansatz ausschließlich auf Machine Learning fokussierter Systeme – und um nichts anderes geht es in den meisten Diskussionen um Künstliche Intelligenz – zielt indes darauf ab, durch Lerndokumente ein bestimmtes Verhalten anzutrainieren. Aus einer sehr großen Menge an Daten sollen Regeln für den Arbeitsalltag entstehen, und exakt an diesem Punkt entsteht dann die erste falsche Erwartungshaltung.
Lernen ist mehr als Regeln beherrschen
Hier manifestiert sich der entscheidende Unterschied zwischen Systemen, die Verstehen oder Verhalten nur antrainiert haben und denen, die tatsächlich dazulernen. Letzteres lässt sich mit einem Studenten vergleichen, der bereits über ein Basiswissen verfügt, auf diesem aufbauen kann. Salopp formuliert: Ein Student wird zum Medizinstudenten.
Cognitive Computing: Dieses „echte“ Lernen kann aber erst dann entstehen, wenn die Systeme den Inhalt verstehen. Hierbei nutzt die Software kombinatorisch gleich mehrere Technologien – idealerweise NLP (Natural Language Processing), semantische Analyse und zusätzlich Machine Learning.
Anders als bei allein auf Machine Learning basierenden Lösungen analysiert eine solche Software Dateien und Dokumente, erkennt Zusammenhänge und ist in der Lage, diese Daten mit zusätzlichen Informationen anzureichern. Im Ergebnis kann sie Sprache wie ein Mensch verstehen.
Dies unterscheidet sich von regelbasierten Systemen auch derart, dass Fehler nicht automatisch mitgelernt und weitergegeben werden. Wie beim klassischen Schulbuch, das einen Fehler enthält und dieser anschließend über Jahre weitergegeben wird, da die kommenden Ausgaben im großen Umfang immer auf der ersten Version basieren.
Eigenständig logisch erkennen und agieren
Im Unternehmensalltag hieße das: Trifft etwa eine Bestellung ein, untersucht die auf Cognitive Computing basierende Lösung neben dem Inhalt auch den Kontext. Existiert etwa ein Textfeld, in dem der Kunde darum bittet, dass künftig sämtliche Bestellungen eines bestimmten Bereichs an eine neue Lieferadresse gehen sollen, so ist die Software in der Lage, daraus logische Schlüsse zu ziehen und zusätzliche Schritte einzuleiten. Beispielsweise einen Hinweis an das Stammdatenmanagement zu geben. Große Unternehmen wissen, welche immensen Kosten solche selbst kleinen Fehler im System verursachen können.
Fazit
Wenn Maschinen tatsächlich der Begrifflichkeit „intelligent“ entsprechen sollen, dann ist es notwendig, dass diese den Inhalt von Dokumenten auch verstehen. Machine Learning allein reicht nicht aus. Die inhaltliche Erschließung ist es, die die entscheidende Rolle spielt, alles andere ist antrainiertes Verhalten und Augenwischerei.
* Stefan Welcker ist Geschäftsführer der DACH-Region bei Expert System.
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