IDG-Studie: Neue IoT-Geschäftsmodelle werden wichtiger

Unternehmen erkennen zunehmend das IoT-Potenzial für den Aufbau neuer Services und Geschäftsmodelle. Die größte Hürde bei der Umsetzung von IoT-Projekten ist die Veränderung der Geschäftsprozesse. [...]

Unternehmen nutzen zunehmend das IoT-Potentzial für neue, datenbasierte Services und Geschäftsmodelle (c) pixabay.com

Die kleinen Firmen ziehen beim Thema IoT nach und verringern ihren Rückstand. Das ist eines der zentralen Ergebnisse der aktuellen IoT-Studie, die CIO und COMPUTERWOCHE gemeinsam mit den Partnern PlusServer, Device Insight und Telefónica realisiert haben. Dazu wurden 350 Entscheider aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zu ihren Ansichten, Plänen und Projekten rund um das Internet of Things befragt.

„Kleine Unternehmen können nun das Ökosystem aus Dienstleistern und Tools nutzen, das die großen Unternehmen als Early Adopter aufgebaut haben. Nicht zu unterschätzen ist zudem die Verfügbarkeit standardisierter (Open-Source-)Schnittstellen. Diese senken die Einstiegshürden der internen IT und ermöglichen ein Testen der Services, ohne sich in einen teuren Vendor-Lock-in zu begeben“, kommentiert Florian Weigmann, Chief Product Officer bei PlusServer, die „Aufholjagd“ der kleinen Firmen beim Thema IoT.

Während der erste Teil unseres Artikels zu den Ergebnissen der Studie sich mit dem Status quo in deutschen Firmen befasst, stehen im zweiten Teil die Chancen sowie die technischen und organisatorischen Herausforderungen des IoT im Vordergrund.

Zukunftschancen im Blick

„Welcher Nutzen, welcher Mehrwert stellt sich für Ihr Unternehmen durch IoT-Projekte konkret ein?“ Bei den Antworten auf diese Frage landet auch dieses Jahr wieder die Optimierung bestehender Geschäftsprozesse mit 44 Prozent auf dem ersten Platz (Vorjahr: 47 Prozent). Das gilt vor allem für die mittleren und großen Unternehmen. 40 Prozent der Firmen (Vorjahr: 36 Prozent) konnten mit ihren IoT-Projekten ihre bestehenden Produkte und Services verbessern. 32 Prozent steigerten mit ihren IoT-Projekten ihren Umsatz, 31 Prozent reduzierten ihre Kosten. Wie bereits in den letzten Jahren optimierten die Firmen mit ihren IoT-Projekten vor allem bestehende Prozesse, Produkte und Services sowie senkten ihre Kosten.

Doch auch bei den eher in die Zukunft gerichteten Themen wie der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle bewegten sich die Firmen nach vorne. Immerhin 29 Prozent der Unternehmen nutzten das IoT im letzten Jahr für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Im Vorjahr waren es „nur“ 23 Prozent. 29 Prozent konnten neue Produkte und Services entwickeln. Das zeigt: Firmen erkennen zunehmend das Potenzial des IoT für den Aufbau von neuen, datenbasierten Services und schaffen so die Basis für ihre langfristige Wettbewerbsfähigkeit.

Denken im größeren Maßstab

Sven Koltermann, Leiter IoT Competence Center bei Telefónica Deutschland, bestätigt diesen Trend. „Haben Unternehmen verständlicherweise erst einmal vieles Vorhandene digitalisiert, geht es jetzt immer öfter mit dem Digitalisieren des Geschäftsmodells weiter. Sind erst einmal mehr Komponenten, mehr Prozesse, mehr Unternehmensbereiche digitalisiert, eröffnen sich im Zusammenspiel neue Perspektiven.“ Der Maschinenbauer könne zum Maschinenbetreiber mit enormem Know-how-Vorsprung werden, der zudem durch Maschinen- und Nutzungsdaten noch vergrößert werde, so Koltermann weiter. Zudem werde der Aufbau von branchen- und anwendungsbezogenen Plattformen möglich. „Und auf einmal lassen sich Geschäftsmodelle in einer ganz neuen Dimension ausbauen. Das ist ein starker unternehmerischer Antrieb, Geschäftsmodelle neu zu denken. Und genau das geschieht zurzeit“, sagt Koltermann.

Auch laut Marten Schirge, Geschäftsführer und Chief Sales & Marketing Officer bei Device Insight, deuten die Studienergebnisse darauf hin, dass bei den Unternehmen tatsächlich allmählich ein Umdenken in Richtung neuer IoT-basierter Geschäftsmodelle einsetzt: „Diese Entwicklung hat sicherlich mit dem zunehmenden Reifegrad der Unternehmen in Sachen IoT zu tun. Wer sich gerade erst mit der Technologie befasst, startet in der Regel zunächst mit kleinen Projekten, die sich auf interne Prozessoptimierungen oder die Verbesserung bestehender Produkte konzentrieren. Je mehr Erfahrungen man gesammelt hat, desto komplexer und strategischer werden die IoT-Projekte. Die Firmen trauen sich endlich zu, in einem größeren Maßstab zu denken und ambitionierte Geschäftsmodelle umzusetzen.“

IoT-Herausforderungen verändern sich

Dieser Trend hin zum Aufbau neuer Geschäftsmodelle spiegelt sich auch in den IoT-Herausforderungen wider. In 40 Prozent der Unternehmen (Vorjahr: 28 Prozent) bildet die durch das IoT erforderliche Anpassung und Veränderung von Geschäftsprozessen die mit Abstand größte (organisatorische) Hürde bei der Umsetzung von IoT-Projekten. Zudem kämpfen die Firmen vor allem mit Problemen bei der Entwicklung eines IoT-Geschäftsmodells (27 Prozent). Letztes Jahr lag diese Herausforderung mit nur 17 Prozent noch auf dem sechsten Platz.

„Geschäftsprozesse zu verändern, ist immer eine Kärrnerarbeit. In der Regel sind viele Aufgaben, Mitarbeiter und Unternehmensbereiche betroffen. Geschäftsprozesse haben auch viel mit Gewohnheiten zu tun. Sie aufzubrechen und in den Köpfen die Bereitschaft zu Neuem zu schaffen, ist eine schwere Aufgabe. Sie ist immer individuell und unerlässlich für den Erfolg von Digitalisierung und IoT„, erklärt Sven Koltermann von Telefónica Deutschland.

Bei den technischen Herausforderungen gab es im Jahresvergleich massive Veränderungen: Die langjährigen Spitzenreiter Security/Datenintegrität sowie Datensicherheit/Disaster Recovery haben ihren Schrecken verloren und rutschen auf die Plätze 5 und 6 zurück. Anstelle der Security-Themen rücken Infrastruktur-Themen in den Vordergrund. Neue größte technische Herausforderung ist bei 31 Prozent der befragten Firmen die mangelnde Netzqualität der vorhandenen LAN- und WLAN-Infrastruktur. Im Vorjahr lag dieser Punkt mit 18 Prozent noch auf dem fünften Platz. Weitere technische Hürden sind etwa der Aufbau einer Collaboration-Plattform für Mensch-Maschine-Kommunikation oder die Definition einer skalierbaren, flexiblen und zukunftsfähigen IT-Architektur.

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Marten Schirge von Device Insight erklärt diese Entwicklung durch den zunehmenden IoT-Reifegrad der Unternehmen. „Die Themen Security und Datensicherheit sind zwar wichtig. Nach unserer Erfahrung sind sie aber äußert selten die Faktoren, die IoT-Projekte scheitern lassen. Je fortgeschrittener Unternehmen in ihren IoT-Vorhaben sind, desto größer werden die damit verbundenen organisatorischen Herausforderungen.“ Während die Umsetzung eines einzelnen IoT-Piloten seiner Meinung nach noch innerhalb einer Abteilung stattfinden kann, stellt der breite Roll-out eines neuen IoT-Geschäftsmodells hingegen ein digitales Transformationsprojekt dar und erfordert abteilungsübergreifende Abstimmungen und Prozesse.

Für Florian Weigmann, Chief Product Officer bei PlusServer, zeigt die Studie, dass technische Hürden an Bedeutung verlieren. „Corona hat der Digitalisierung zu einem enormen Schub verholfen und auch die Cloud-Akzeptanz nach vorne gebracht. Unternehmen und Cloud-Anbieter arbeiten weitsichtiger zusammen als Unternehmen, die sich nur auf die eigene On-Prem-Infrastruktur verlassen. Das heißt, dass Cloud-Anbieter ihren Partnern viele Sicherheits- und Compliance-Sorgen abnehmen und schnell nachhaltige Lösungen für die Datensicherheit implementieren können.“

Anbieter der IoT-Lösung sollte Sitz in der EU haben

Daher ist auch das Land, aus dem der Anbieter einer IoT-Lösung stammt, für viele Unternehmen entscheidend. Zwei Drittel der befragten Unternehmen sagen, dass ihr IoT-Anbieter idealerweise aus der EU stammen sollte. Für 53 Prozent ist das sogar ein Muss, um Datensicherheit und Datenschutz nach DSGVO-Standard zu gewährleisten. 47 Prozent fordern, dass ein IoT-Anbieter mit Zentrale außerhalb der EU zumindest eine Dependance in der EU aufweist. Für ein Drittel der Unternehmen kommt allerdings ein IoT-Anbieter aus den USA grundsätzlich nicht in Betracht. 46 Prozent lehnen chinesische IoT-Anbieter generell ab.

Bei der Auswahl einer IoT-Lösung selbst achten Firmen vor allem auf den Preis sowie Ready-to-use-Funktionen. Zwei Drittel der Unternehmen (67 Prozent) ist es sehr wichtig bis eher wichtig, dass ihre IoT-Lösung wenig kostet. Auf einer Schulnotenskala von 1 (sehr wichtig) bis 6 (gar nicht wichtig) erreicht dieses Kriterium einen Mittelwert von 2,93. 64 Prozent der Unternehmen achten vor allem auf Ready-to-use-Funktionen, damit sie ihre IoT-Lösung ohne große Schulungen der Mitarbeiter schnell einsetzen können. Der Mittelwert liegt hier bei 3,02. Weitere wichtige Kriterien bei der Auswahl einer IoT-Lösung sind deren einfache Integration in die bestehende digitale Infrastruktur oder die Option, sie flexibel um neue Funktionen erweitern zu können.

Bei der Auswahl des Vernetzungsanbieters legt die Hälfte der befragten Firmen größten Wert auf einfache Abrechnungsmodelle wie Datenpakete inklusive Grundgebühr oder Prepaid-Modelle. Mit etwas Abstand folgen Kriterien wie der Einsatz neuer IoT-Netztechnologien mit 35 Prozent oder ein persönlicher Kundenbetreuer mit 30 Prozent. Zudem achten die Unternehmen bei der Auswahl des Vernetzungsanbieters für ihre IoT-Anwendungen auf flexible Tarifstrukturen (27 Prozent) sowie die Unterstützung beim internationalen Roll-Out und Betrieb der IoT-Lösung (24 Prozent). Letzteres ist vor allem den großen Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern wichtig.

IoT in der Produktion

Firmen, die das IoT im Produktionsbereich anwenden, wollen vor allem Predictive Maintenance umsetzen, sprich vorausschauende Wartung und Instandhaltung. Knapp dahinter folgen die Ziele Produktivitätssteigerung und kostengünstigere Produktion mit jeweils 31 Prozent. Mithilfe des IoT wollen die Firmen zudem die Qualität in der Produktion optimieren (27 Prozent), Losgröße 1 erreichen (21 Prozent) oder die Energiekosten senken.

41 Prozent der Unternehmen (Vorjahr: 44 Prozent) starten das IoT im Produktionsbereich über Investitionen in neue Maschinen, gefolgt von der Schaffung einheitlicher Schnittstellen (39 Prozent). Weitere Schritte betreffen die Datenintegration, Sensoren als Add-ons (jeweils 30 Prozent), das Nachrüsten der Maschinen oder die Vernetzung unterschiedlicher Produktionslinien.

Diese Vernetzung läuft meist über WLAN (45 Prozent, Vorjahr 41 Prozent) oder das LTE-/5G-Netz (40 Prozent, Vorjahr 43 Prozent) ab. Die beiden TK-Technologien tauschen damit die Plätze. Auf ein hybrides Modell mit 5G-Diensten parallel zu WLAN setzen 34 Prozent der Unternehmen (Vorjahr 28 Prozent). Ein Viertel der Firmen nutzt Industrial WLAN, ein Fünftel setzt auf LTE-M (LTE for Machines), das Daten bis zu 1 MB pro Sekunde verarbeitet und sehr energieeffizient arbeitet. Kabelgebundenes Industrial Ethernet kommt in elf Prozent der Firmen für die Vernetzung der Produktionsstätten zum Einsatz.

Studiensteckbrief

Herausgeber: COMPUTERWOCHE und CIO

Gold-Partner: PlusServer GmbH

Silber-Partner: Device Insight GmbH; Telefónica Germany GmbH & Co. OHG

Grundgesamtheit: Oberste (IT-)Verantwortliche von Unternehmen in der D-A-CH-Region: strategische (IT-)Entscheider im C-Level-Bereich und in den Fachbereichen (LoBs), IT-Entscheider und IT-Spezialisten aus dem IT-Bereich, IT-Security-Spezialisten

Teilnehmergenerierung: Stichprobenziehung in der IT-Entscheider-Datenbank von IDG Business Media sowie zur Erfüllung von Quotenvorgaben über externe Online-Access-Panels; persönliche E-Mail-Einladungen zur Umfrage

Gesamtstichprobe: 350 abgeschlossene und qualifizierte Interviews

Untersuchungszeitraum: 8. bis 17. September 2021

Methode: Online-Umfrage (CAWI)

Fragebogenentwicklung: IDG Research Services in Abstimmung mit den Studienpartnern

Durchführung: IDG Research Services

*Jürgen Mauerer ist Journalist und betreibt ein Redaktionsbüro in München.


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