Nach Microsofts Ankündigung, den Internetexplorer 10 standardmäßig mit aktivierter "Do-not-track"-Funktion auszuliefern, geht in der Marketingbranche die Furcht vor dem Verlust einer immer bedeutender werdenden Einnahmequelle um. [...]
Personalisierte Online-Werbung erzielt zweieinhalb Mal so hohe Preise wie generische, berichtet die Financial Times. Die wenigsten Nutzer ändern normalerweise die Standardeinstellungen ihrer Browser, weshalb die Microsoft-Entscheidung große Auswirkungen hätte. Microsofts Internet Explorer ist schließlich nach wie vor der Browser, mit dem der meiste Traffic entsteht, auch wenn die Konkurrenz härter wird.
„Grundsätzlich sollte es den Konsumenten freigestellt werden, ob sie getrackt werden wollen oder nicht. Ob softwareseitige Voreinstellungen dafür ein probates Mittel sind, wird viel diskutiert. Eine standardmäßige Verhinderung von Tracking könnte sich als problematisch erweisen. Der Trend geht momentan eher in Richtung Transparenz. User werden benachrichtigt, dass sie getrackt werden, und können dies auf Wunsch unterbinden“, sagt Michael Straberger, Geschäftsführer von Straberger Conversations, im Gespräch mit Pressetext.
Auch die Werbewirtschaft plädiert für eine Opt-out-Lösung. In einer Reaktion auf Microsofts Ankündigung heißt es, der Alleingang unterbinde eine breitenwirksame Lösung. Die „Do-not-track“-Aufforderungen, die ein Browser an die Werbe-Server sendet, sind nämlich nicht verbindlich. Werbe- und Internetfirmen arbeiten seit längerem an einer Lösung, die möglichst viele Unternehmen dazu bewegt, „Do-not-track“ zu unterstützen. Mit dem Microsoft-Ansatz würden Nutzern „wichtige und relevante“ Informationen vorenthalten, so Vertreter der Werbeindustrie.
„Portalbezogene Einstellungen machen eher Sinn als globale. Eine generelle Unterbindung des Informationsflusses ist nicht zielführend. Die Wirtschaft braucht schließlich Kunden, die sich bewusst für Werbung entscheiden. Durch personalisierte Werbung können Konsumenten auch besser informiert werden“, sagt Straberger. Eine zu strenge Tracking-Regelung würde nicht nur Marketern enorme finanzielle Einbußen bescheren, sondern auch Konsumenten treffen. „In Österreich wird oft der Begriff ‚Servicewüste‘ verwendet. Kundenbetreuung ist aber nur mit entsprechenden Informationen möglich. Hier gibt es hierzulande Defizite“, so der Experte.
Einige Fachleute sehen in Microsofts Ankündigung auch einen direkten Angriff auf Google, das mit Online-Werbung viel Geld verdient. Den momentanen Zustand befinden aber auch Werber nicht für gut. „Gewisse Einschränkungen werden sicher kommen. Die gibt es auch beim Dialog- oder postalen Marketing. Unternehmen haben kein Interesse daran, dass Werbung als Belastung empfunden wird. Diese Grenze muss ausgelotet werden, aber Kunden wollen grundsätzlich betreut werden. Die Kommunikation wird hier präziser werden“, erklärt Straberger.
Aus Privatsphären-Sicht ist mehr Transparenz auf jeden Fall wünschenswert, damit persönliche Daten nicht zu Werbezwecken missbraucht werden. „Die Menschen wären überrascht, wie wenig Datenmaterial in der Online-Werbung verwendet wird. Das wird allgemein überschätzt“, so Straberger. Trotzdem plädiert auch er für eine klare Regelung der Informationsnutzung. „Das Thema Datenschutz ist zentral, Die Weitergabe von Daten ist sehr sensibel. Anonymisierte Userdaten können auch für Forschungs- oder sozialwissenschaftliche Zwecke eingesetzt werden, da hat niemand etwas dagegen, eine anonymisierte Datenbetrachtung ist aber Voraussetzung“, sagt der Fachmann.
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