Im Interview: Martin Giesswein

Martin Giesswein machte eine Blitz-Karriere bei Nokia bis hin zum General Manager, verkaufte dann erfolgreich Immobilien.net an die Scout24 Group und ist heute in mehreren Projekten als Ein-Personen-Unternehmen (EPU) tätig. Er verrät im Interview, wie sich der Führungsstil der Corporate World gerade verändert, wie man erfolgreich verteilte Mitarbeiter führt und wie man als EPU erfolgreich ist. [...]

Eine persönliche Frage – Wie hast Du es geschafft in so kurzer Zeit eine solche Karriere hinzulegen? Gab es da persönliche Lernschritte die besonders wichtig waren?

Ich hatte einmal eine lustige Situation mit meinem Vorgesetzten, als ich selbst noch keine Führungsrolle inne hatte. Ich wollte Karriere machen und bin auf einem Führungskräfte-Assessment mit Bomben und Granaten durchgefallen, weil ich dort den Zampano gespielt habe und den anderen Teilnehmern gar keinen Platz gelassen habe. Dieser Mentor ist dann mit seiner skandinavischen Art zu mir gekommen und meinte: „Martin, ich traue mich eigentlich nicht Dir eine Führungsrolle zu geben weil Du zu dominant warst, und das entspricht eigentlich nicht unserer Unternehmenskultur.“ 

Da ist etwas Interessantes passiert, denn ich habe gesagt: ich glaube das war für mich so eine Lektion, dass ich es in Zukunft besser machen will. Und das war der Grundstein für meine Karriere. Dass ich früh gelernt habe loszulassen. Selbst in harten Zeiten nicht automatisch die Zügel anzuziehen und Druck auf die Leute auszuüben. Dies ist eigentlich ein Widerspruch, hat aber in den meisten Fällen dazu geführt, dass die Leute sehr gute Ergebnisse geliefert haben und deren Erfolge haben dann mir selbst auf der Karriereleiter weitergeholfen. Wo Vorgesetzte gesagt haben wir glauben dass der weiter kann weil er es schafft die Leute einzubinden und die intrinsische Motivation für das Unternehmen zu nutzen – im Gegensatz zu anderen die sehr stark mit Druck und Machtpositionen gearbeitet haben. 

Und den zweiten wichtigen Grund sehe ich darin dass man sich ständig fragen muss: Was macht mir eigentlich Spass? Dann ist man authentisch, dann sehen andere dass man für eine Sache brennt. Das ist dann oft der Grund dass man jemandem auch die nächsthöhere Aufgabe zutraut. 

Wofür brennst Du im Moment?

Ich bin draufgekommen dass ich nicht so gut bin im Optimieren von Bestehendem. Ich bin dann gut, wenn etwas Neues entsteht. Da lebe ich nach meiner eigenen Regel, den 3 C’s: Combine, Create, Connect. Ich versuche Komponenten die da sind zu kombinieren und etwas Neues daraus zu entwickeln. Gerade in der digitalen Welt gibt es viele bestehende Infrastrukturen die man erfolgreich mit einander verbinden kann. Das ist oft ein kreativer Akt. Aber das Allerwichtigste und das was mir am meisten Spass macht ist es, die richtigen Leute zusammenzuführen bzw. an die richtige Stelle zu setzen. Im Endeffekt ist jede Technik und jedes Businessmodell gleichgültig, wenn nicht die richtigen Leute an der richtigen Stelle sitzen. Dafür brenne ich und das ist auch eine konkrete Dienstleistung. Ich nenne sie „Business Design“, das ist ein Zusammenführen von Bestehendem in neuen kreativen Modellen. Dann mache ich auch Digital-Kampagnen oder Projekte wo es um die Weiterführung von Städten hin zur Smart City geht. Ohne Vermessen sein zu wollen kommt es mir dann doch oft so vor, als wäre die Geschäftswelt eine Kunst. Nutzen wir unsere Hirne und machen wir etwas Neues.

In welcher Form machst Du das – als Berater oder Mit-Gründer?

Nach meiner eigenen Erfahrung gibt es eine Allergie gegen den Begriff Berater. Jemand kommt und berät über etwas das er selbst vielleicht noch gar nicht gemacht hat und erhält dafür Geld ohne Risiko tragen zu müssen. Deshalb versuche ich es für mich anders. Ich bin teilweise in Startups investiert und beteilige mich am Risiko mit Erfolgsprämie. Und dann gibt es auch Projekte die man selbst kreiert und dann Verbündete sucht. Und das ist das tolle an EPUs, dass man mit einem guten Netzwerk sehr schnell Menschen mit unternehmerischem Denken zusammenführen kann. Dann macht man dieses eine Projekt für eine Zielgruppe, und muss dieses Risiko natürlich auch nehmen wollen.

Also ein Mix.

Es gibt kein Projekt das dem anderen ähnelt, es gibt auch keine Preislisten oder durchgängigen Verdienstmöglichkeiten. Viele Jobs sind ehrenamtlich, und erst später entsteht etwas daraus, weil Menschen die mit meiner Hilfe zufrieden waren mich dann im nächsten Projekt auch kommerziell beteiligen. Was große Unternehmen in Forschung & Entwicklung investieren, investieren EPUs in ihr Netzwerk und gemeinnützige Tätigkeit. Und wenn wir davon ausgehen dass die Welt gerecht ist kommt das alles irgendwann wieder einmal zurück. Und vielleicht bekommt man dann aufgrund der Reputation einen Auftrag den man ansonsten nie bekommen hätte.


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