Im Test: Huawei P20 Pro

Spätestens seit dem Launch des P10 hat es Huawei in den Smartphone-Olymp geschafft. Können die Chinesen auch mit dem P20 Pro überzeugen? [...]

Das Huawei P20 Pro ist ab sofort in Österreich erhältlich. (c) Huawei
Das P20 Pro muss das schwere Erbe des Top-Gerätes P10 aus dem letzten Jahr antreten. Dennoch schrecken die Chinesen nicht davor zurück, einige grundlegende Sachen zu ändern. Dies fällt gleich auf den ersten Blick auf: So wird nämlich der Anti-Mainstream-Weg, nämlich kleinere Smartphones zu produzieren, aufgegeben. Die Pro-Version des P20 kommt mit einem 6,1-Zoll Screen, sodass das Gerät insgesamt die Masse des Phablets Mate 10 Pro erreicht – allerdings mit einem vorteilhafteren Bildschirm/Gehäuse-Verhältnis. Ebenfalls anders als beim P10 ist die Rückseite: Erfühlte die Hand beim P10 noch Alu, so hat Huawei beim P20 jetzt auf Glas gesetzt – nur beim Rahmen, der die Rückseite mit dem Display verbindet, wird weiter auf Metall gesetzt. Das Gerät fühlt sich sehr wertig und solide verbaut an. Allerdings hat Glas natürlich weniger Reibung, weshalb man beim Hantieren mit trockenen Händen gut aufpassen muss, damit es nicht aus der Hand rutscht.
(c) Huawei

Auch bei der Farbgebung hat sich Huawei etwas Neues ausgedacht: Twilight, so der Name einer erhältlichen Farbe, ist eine Blau-Lila Mischung, die je nach Lichteinfall die optische Wahrnehmung verändert, so erscheinen grünliche oder rote Elemente auf der Rückseite – freilich aber nur fürs Auge.

Optisch ebenfalls auffällig ist der „Notch“, über den bereits im Vorfeld ausführlich berichtet wurde. Obwohl er schmaler ausfällt als bei seinem kalifornischen Konkurrenten, erinnert es dennoch an diesen. Notch-Feinden sei aber gesagt, dass es in den Einstellungen die Möglichkeit gibt, diesen auszublenden. Ähnlich erging es uns mit der herausstehenden Triple-Kamera auf der Rückseite, deren Linsen senkrecht angeordnet sind.

Nicht neu ist die Position des Fingerprint-Sensors: Nämlich direkt unter dem Display, wie schon beim Vorgänger. Dies ist in Zeiten komplett sauberer Smartphone-Fronten selten geworden, gefällt uns aber ganz gut – er reagiert auch genau so sensibel und schnell wie das beim P10 der Fall war. Zu guter Letzt sei gesagt: Ja, der Klinkenport ist weg. Stattdessen wurden dort Lautsprecher und Mikrofon sowie ein USB-C-Port verbaut. Ebenfalls vermisst: Ein SD-Karten-Slot.

Performance und Bedienung
(c) HuaweiTrotz vieler cleverer Features und elegantem Display kann Huawei die Specs-Prahlerei nicht ganz lassen: 128 GB Nutzspeicher, 6 GB RAM, und der KI-Pionier-Prozessor Kirin 970 finden Platz im P20 Pro. Darüber hinaus ein 4000 Milliampere-Akku. Dennoch beträgt die Gehäusebreite lediglich 7,6 Millimeter. Zudem steht der Akku insofern mit der CPU direkt in Kontakt, als dass die künstliche Intelligenz Ressourcenmanagement betreibt, was sich vorteilhaft auf die Akkulaufzeit auswirken soll. Ob es nun die KI ist oder nicht: Der Akku hält auf jeden Fall lange durch. Auch nach zwei vollen 48 Stunden ohne Stromzufuhr und durchschnittlicher Nutzung (1 Stunde telefonieren, 2 Stunden Spotify, WhatsApp Web im Dauerbetrieb) verlieb noch fast ein Fünftel Restzeit auf der Akku-Anzeige (18 Prozent).

Android basiert natürlich auf der werkseigenen Oberfläche EMUI und wird bereits ab Werk mit Android 8.1 ausgeliefert und ist somit brandaktuell. Die Bedienung flutscht und ist intuitiv – zu Beginn gibt’s allerdings (je nach Geschmack) die eine oder andere vorinstallierte App und Widgets zu verstecken oder zu löschen. Apropos flutscht: Das P20 Pro weist eine IP67-Zertifizierung auf, was Wasserfestigkeit bedeutet. Zumindest dem konstanten Regen am Launch in Paris konnte das Gerät trotzen. Für die Datenübertragung gibt es die üblichen Wege. Dabei fällt die fehlende Bluetooth-5-Unterstützung auf, was aber verschmerzbar ist. Praktisch übrigens: Der USB-C-Port unterstützt Bildausgabe. Wer also möchte, kann das Gerät direkt mit einem PC-Monitor verbinden.

Einer der Kritikpunkte beim P10 waren die Lautsprecher. Nun mag dies in Zeiten von Bluetooth-Speakern und Kopfhörern kein allzu grosses Thema mehr sein, dennoch hat Huawei sich die Kritik offenbar zu Herzen genommen: In Kooperation mit Dolby erhält das P20 Dolby-Atmos-Unterstützung. Auch wenn der Resonanzkörper natürlich beschränkt ist, sind einzelne Nuancen deutlich besser Hörbar als beim Vorgänger und der Qualitätsverlust bei höherer Lautstärke klar geringer.

Display und Kamera
Kommen wir nun zum Alleinstellungsmerkmal, neudeutsch den Unique selling Point genannt, nämlich der Kamera. Bereits im Vorfeld haben viele, sich teilweise widersprechende Leaks für Aufregung gesorgt. Um es kurz zu machen: Die Aufregung war letzten Endes durchaus gerechtfertigt, auch wenn wir ob dem Specssheet zunächst etwas misstrauisch wurden.

Wie bereits seit dem P9 arbeitet Huawei auch beim P20 mit Leica zusammen. Die Triple-Kamera auf der Rückseite besteht (sinnigerweise) aus drei Sensoren: einem 12 Mpx-Sensor mit 80 Millimeter Brenneite und ƒ/2.4-Blende, einem RGB-Sensor mit 40 Megapixel und ƒ/1.8-Blende und einem Monochrom-Sensor mit einem Blendenwert von ƒ/1.6 und 20 Megapixel Auflösung. Zuunterst angesiedelt ist beim P20 Pro ein Laser-Autofokus für die Adaption ans Umgebungslicht. Die Frontkamera, für Videocalls und Selfies, weist 24 Megapixel auf.

Wie auch bei anderen Features ist die künstliche Intelligenz auch bei der Kamera ein wichtiger Faktor. So beinhaltet die KI auch Algorithmen zur Motiverkennung, seien dies Portraits, Natur oder Objektaufnahmen. Insgesamt gibt es 19 verschiedene Motivkategorien, die in über 100 Unterkategorien eingeteilt werden. Entsprechend dem zu fotografierenden Objekt werden die entsprechenden Einstellungen der Kamera automatisch getätigt.

Für Schnappschüsse und weniger erfahrene Fotografen ist dies sicher eine feine Sache, jedoch funktioniert es nicht immer wie gewünscht: Befinden sich beispielsweise mehrere Objekte im Bild, kann es geschehen, dass das falsche in den Fokus gerät. Dadurch wird das eigentlich gewünschte Objekt zugunsten des Hintergrundes zuweilen unterbelichtet. Ein gutes Beispiel ist das Bild des Eiffelturms von The Verge-Kollege Vlad Savov: Die KI rückte den blauen Himmel in den Fokus, wodurch der Turm selber unterbelichtet wurde. Die KI-Unterstützung lässt sich aber bei Bedarf oder grundsätzlich deaktivieren. Ebenfalls überarbeitet wurde der Portrait-Modus. Dort gibt es, ähnlich dem A8 von Samsung, einen mehrstufigen Beauty-Effekt, der manchmal auch ungefragt in Aktion tritt. Dieser kann, je nach Stufe, auch einem kernigen Gesicht etwas puppenhaftes verleihen.

Es ist so ein Ding mit den Superlativen: Sie werden inflationär benutzt, gerade im Techbereich. Was der Nachtmodus des P20 Pro zu leisten vermag, ist aber wirklich atemberaubend (hier ist es angebracht). So zeigt beispielsweise diese Nachtaufnahme des Schlosses Heidelberg unten eine von aussen gänzlich unbeleuchtete Häuserzeile – vom menschlichen Auge nur knapp als weiss wahrnehmbar. Selbst Edelphones wie das S9 oder das iPhone X können da nicht gänzlich mithalten.

Gleichermassen beeindruckend zeigen sich Bildstabilisator und Belichtungszeit, zumindest bei Fotoaufnahmen: Dieses Bild wurde aus einem Auto bei einer Fahrtgeschwindigkeit von circa 40 km/h aufgenommen (man möge der Bedeutung der Aufschrift bitte keine Beachtung schenken).

So scharf und hübsch anzuschauen Handyfotos heute sind: Bei zu viel Zoom wird’s haarig. Huawei hat diese Problematik erkannt und beim P20 Pro auf optisches Dreifach-Zoom und fünffaches Hybrid-Zoom gesetzt. Auch hier können sich die Resultate durchaus sehen lassen.

Fazit
Huawei hat in vielen Bereichen vorgelegt, allem voran bei der Kamera. Die Bilder können sich sehen lassen. Auch das Display ist eine klare Ansage an die Konkurrenz. Etwas getrübt wurde unsere Freude durch die manchmal etwas unbeholfene KI beim Fotografieren und die fehlende Möglichkeit des Wireless-Chargings. Dies ändert allerdings nichts an der Bestnote, die wir hier vergeben.


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