Mehr als zwei Stunden hat Apples Eröffnung zur WWDC gedauert. Dabei hat es die ein oder andere Überraschung gegeben. [...]
Was wären wir ohne Apps? Ein witziges Video zu Beginn der Keynote macht es uns klar: Ein neuer Mitarbeiter im Apple-Rechenzentrum (mit Uralt-iPod ausgestattet, auf dem Christopher Cross läuft…) will seinen Zimmerbrunnen auf dem Schreibtisch platzieren und an die Stromversorgung anschließen – dafür nimmt er ein paar Server vom Strom – offenbar alle. In Folge bricht das gesamte App-Universum zusammen, die Apokalypse ist nah und Geschäftsmodelle aus Digitalien müssen sich plötzlich wieder ein analoges Pendant suchen. Nur ein ironischer Alptraum, gewiss, die Conclusio des kurzen Begrüßungsstreifen: Lasst und weiter Apps machen.
Der wichtigste und eigentlich einzige Punkt zuerst: Amazon Prime Video wird im „Laufe des Jahres“ auf das Apple TV kommen, derartige Spekulationen hat es seit geraumer Zeit gegeben. „Wir sind so glücklich, Amazon willkommen zu heißen,“ sagt Tim Cook. Ansonsten werde tvOS aber aus dieser Veranstaltung ausgeklammert, später in diesem Jahr werde es Neuheiten dazu geben. Wir rechnen mit September oder Oktober – dann wäre die Hardware nach zwei Jahren auch wieder renovierungsbedürftig.
Was uns Kevin Lynch näher erläutert. Neue Zifferblätter sind dabei schon im erwartbaren Programm, ein wenig überraschend kommt nun auch ein speziell von der künstlichen Intelligenz Siri gespeistes Zifferblatt. Dieses zeigt immer die gerade relevanten Informationen an, etwa die nächsten Termine oder abends die Steuerung für die Home-Geräte. Neu ist auch ein Kaleidoscope-Ziffernblatt und nach Mickey und Minnie schaffen es auch nun die Toy-Story-Figuren Woody, Jess und Buzz in die Watch-Faces.
Auf den Auftritt von Softwarechef Craig Federighi als erstes Comedy-Element haben viele gewartet, die Namenswahl für macOS 10.13 ist aber eher so naja. Die höchsten Gipfel der Sierra habe man gesucht, weil man das System noch weiter optimiert habe. Herausgekommen ist High Sierra (und nicht etwa Mount Whitney, der höchste der Gipfel. Das kann dann ja nächstes Jahr kommen).
Was Apple schon vor ein paar Wochen angekündigt hat, liefert das Unternehmen nun: Einen neuen iMac mit besserem Bildschirm, Kaby-Lake-Prozessor und Fusion Drive serienmäßig. Vor allem will Apple aber bei der Grafikleistung zugelegt haben und bis zu 80 Prozent bessere Leistung liefern. In Kombination mit High Sierra sollen die neuen iMacs auch zur Produktion von VR-Inhalten taugen. Den Beweis führt der legendäre Mitgründer von Industrial Light und Magic John Knoll. Dieser zeigt mit einer Mitarbeiterin eine frisch gerenderte Szene aus dem Star-Wars-Universum.
86 Prozent der iOS-Nutzer haben die aktuelle Version laufen, bei Android ist die nur zu 16 Prozent genutzt. Das hat viele Vorteile, Entwickler können damit immer ihre neuesten Technologien an möglichst viele Anwender ausspielen, iOS 11 bringt vor allem folgende Neuerungen:
- iMessages: Die Nachrichten-App kommt nun auch in die iCloud und ist somit auf jedem Gerät jederzeit erreichbar.
- Apple Pay: Ende des Jahres werden in den USA 50 Prozent der Retailer akzeptieren, in Deutschland halt immer noch nicht. Immerhin bekommt Apple Pay nun eine Möglichkeit, innerhalb von iMessages Geld von Person zu Person zu übertragen. Der Empfänger von Überweisungen kann damit weiter einkaufen oder das Geld auf sein Konto überweisen.
- Siri: Die Assistentin bekommt neue Stimmen, die sich sogar auf unterschiedlich Betonungen von Worten verstehen. Eine Beta-Fassung übersetzt nun auch Spracheingaben in Fremdsprachen, am Anfang aber nur vom Englischen in eine handvoll von Sprachen (auch deutsch). Etliche Programme bekommen eine Siri-Schnittstelle. Siri will immer besser verstehen, was der Anwender als nächstes will, und hilft ihm dabei etwa, mit seinem aktuellen Standort auf Verabredungen zu reagieren oder aufgrund von Buchungen in Safari neue Ereignisse im Kalender zu erstellen
- Kamera: Mit HECV sollen Fotos weniger Platz auf dem iPhone und in der iCloud verbrauchen, Apple verspricht zweifach bessere Kompression. Verbessert hat Apple auch die Andenken-Ansicht und die Live-Photos. Die Andenken finden aufgrund neuer Machine-Learning-Algorithmen mehr zusammenhängende Bilder von bestimmten Ereignissen, Personen oder gar Haustieren.
- Kontrollzentrum: Dieses legt sich nun über den gesamten Screen und gibt weit mehr Kontrolle über Systemfunktionen und die wichtigsten Apps. Die Ansicht der Nachrichten auf dem Lockscreen kann man sich etwas intuitiver als zuvor zurückholen. In den Live-Fotos bestimmt man über das Kontrollzentrum selbst den Schlüsselmoment und lässt darin Schleifen vorwärts und rückwärts ablaufen – nice to have.
- Maps: Apples Kartenapplikation bekommt Indoor-Navigation, zunächst für große Flughäfen in den USA. Vermutlich vorerst auch nur dort zeigt die Navi an, welche Spur der Autobahn man nehmen soll. Schließt man sein iPhone im Auto an, schaltet es in einen Nicht-Stören-Modus, Benachrichtigungen werden nicht mehr auf dem Lockscreen angezeigt, Chat-Partner bekommen automatisch eine Nachricht, dass man fahre.
- HomeKit: Die Steuerung von Lautsprechern über HomeKit hat gerade noch gefehlt, aber dank Airplay 2 kann man Multiroom-Systeme aufspannen, zahlreiche Hersteller haben Unterstützung angekündigt.
- Apple Music: 27 Millionen Abonnenten zählt Apple nach zwei Jahren nun, in der Music-App kann man nun erfahren, was die Freunde so hören. Wenn man will, gibt man seinen Lauschverlauf frei, Helene Fischer kann man dann nur noch heimlich hören …
- App Store: Apples App-Laden bekommt in seinem zehnten Jahr ein bedeutendes Update, 180 Milliarden Apps haben Anwender von iPhone, iPad und iPod schon geladen, Entwickler haben 70 Milliarden US-Dollar eingenommen. Phil Schiller verspricht vor allem kürzere Zeiten für die Prüfung neuer Apps, diese soll spätestens in 24 Stunden erledigt sein. Vor allem aber kommt der App Store in einem brandneuen Design. Der Tab „Today“ rückt in das Zentrum, darüber soll man neue Apps entdecken. Spiele bekommen einen eigenen Bereich, andere Apps bekommen den Bereich – nun ja – „Apps“. Eine prominente App zeigt die die Möglichkeit der neuen Darstellung: „Monument Valley 2“ erscheint heute und präsentiert sich mit ansprechenden Videos. Ein bisschen erinnert der App Store nun an Apple Music, das gefällt nicht jedem. Aber wir prüfen das in aller notwendigen Ausführlichkeit.
- Machine Learning: Die maschinelle Intelligenz ist bereits in vielen Anwendungen enthalten, Entwickler bekommen über die neuen APIs Core ML Zugriff auf Apples künstliche Intelligenz.
- Augmented Reality: AR wird vermutlich erst mit im Herbst kommender Hardware für die Kunden wirklich interessant, die Entwickler bekommen aber nun schon jetzt einen Einblick, wie man auf die Abbilder realer Umgebungen künstliche Objekte platzieren kann. Damit diese auch in der richtigen Größe dort auftauchen, nutzt Apple Hardware von Kamera oder Beschleuningssensoren. Was man mit dem AR-Kit von iOS 11 schon heute machen kann, zeigt Alasdair Coul von Peter Jacksons Firma Wingnut AR in einer beeindruckenden Live-Demo – mit einem 12-Zoll-iPad-Pro.
Das iPad Pro bekommt in der Tat schon heute ein Update, 20 Monate nach der Premiere des 12,9-Zoll-Geräts und 15 Monate nach dem 9,7-Zoll-Gerät. Das neue bekommt nun einen 10.5-Zoll-Bildschirm im gleichen Formfaktor. Die Ränder werden dafür schmaler. Wesentlicher Vorteil: Eine virtuelle Tastatur passt nun auch in voller Größe auf den Bildschirm. Der Monitor wird heller und vor allem verdoppelt Apple die Bildwiederholrate auf 120 Hertz: Pro Motion heißt der Marketingname dafür.
Craig Federighi hat noch ein klein wenig mehr zu iOS 11 zu erzählen, denn das iPad bekommt ein eigenes iOS 11. Das Dock kann man etwa beliebig mit Apps füllen, das Multitasking in iOS 11 kommt auf ein neues Niveau. Apps zieht man direkt aus dem Dock in einen Bildschirm, der App-Switcher merkt sich fortan auch, welche App-Paarungen man zusammengepackt hat. Erstmals kann man auch Objekte per Drag-and-drop verschieben. Dazu gibt es auch die neue App Files, die nicht nur für iCloud funktioniert, sondern auch auf den Onlinespeichern anderer Anbieter wie Dropbox. Auf den virtuellen Tasten sind nun auch Satz- und Sonderzeichen direkt aufgebracht, nach oben ziehen, statt umschalten. Der SChritt war überfällig, nur eines ist iOS 11 für iPad nach wie vor nicht: ein Multi-User-Systems.
40 Millionen Songs für unterwegs, AirPods, und nun auch etwas für daheim: Mehr als ein Jahrzehnt nach der mehr oder minder gescheiterten Boombox wagt sich Apple wieder in das Wohnzimmer. Apple hat nicht weniger als den Anspruch, als die Ansätze von Sonos und Amazon in ein Produkt zu verpacken, einen smarten Speaker mit hoher Wiedergabequalität. Der Speaker soll Ende des Jahres kommen, Apple zeigt seinen „6000 besten Freunden“ eine kleine Vorschau.
* Peter Müller schreibt für die MacWelt.
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