Um Abläufe möglichst flüssig zu gestalten, kommt kein Unternehmen um das Thema Collaboration herum. Da die Unternehmensstrukturen und Kundengruppen jedoch sehr verschieden sind, ist eine gründliche ICT-Planung unabdingbar, damit am Ende alles auch wirklich funktioniert. [...]
Heute unvorstellbar, vor 20 Jahren aber wahr: Auch in der fortschrittlichen Schweiz bestimmten beim Eintritt ins Millennium vor allem das Telefon und der Austausch von Papier das Bild in Unternehmen. Und bisweilen trifft man diese Arbeitsweise noch heute an. Elektronische Kommunikation scheint immer noch etwas für Insider und Forscher zu sein, nicht aber für alle Büroangestellten. Ebenso unrealistisch schien es früher selbst Insidern, alle Kommunikationsströme IP-Datenpaketen (Internet Protokoll) anzuvertrauen. Denn das analoge Denken mit festen Verbindungen zwischen Sender und Empfänger bestimmte jahrzehntelang den Alltag. Es wurde also gefaxt sowie telefoniert und Dokumente wurden per Post verschickt.
Einst verworfen, heute Alltag
Voice over IP (VoIP) galt lange als etwas für Entwicklungsländer, Sparvögel und IT-Insider. Überhaupt war IP etwas aus den 1970er-Jahren, geeignet für robuste Datenkommunikation mit kurzen Meldungen, aber sicher nicht für Businesskommunikation. «Unzuverlässig und unsicher» lautete das Credo. Trotzdem beschäftigte sich eine große Schar von Ingenieuren und Informatikern damit, dieses verruchte IP massentauglich zu machen – mit Erfolg.
So war spätestens 2010 klar, dass es keine Alternative zu IP gibt, egal für welche Anwendung, ob Sprache, Daten, Video oder Telemetrie. Jedoch schien es so, als ob die traditionellen Anbieter mit angezogener Handbremse unterwegs waren. Insider berichten, dass erst ab ca. 2013 bekannt war, wer überhaupt noch analoge Leitungen oder Integrated Services Digital Network (ISDN) nutzte. Abwarten war jedoch keine Option und plötzlich galt es zu handeln, um ein Desaster zu verhindern. Denn Anfang 2019 stellten praktisch alle westlichen Telefongesellschaften ihre alten leitungsvermittelten Netze (ISDN und analog) ab und auf IP um. Fortan waren All IP (alles über IP) und VoIP (Voice over IP) die Zauberworte. Dabei wechselten einige Großfirmen bereits um die Jahrtausendwende ihre Geschäftskommunikation auf IP und verschrotteten ihre alten Telefonanlagen. Denn sie waren weder besonders günstig noch zuverlässig und bedurften regelmäßiger Wartung und Erneuerung, was wegen der Wartungsverträge traditionelle Lieferanten besonders freute.
Eine Anwendung unter vielen
In der IP-Welt hingegen wurde Voice quasi zu einer Anwendung neben vielen anderen. In Großunternehmen dominierten Voice-Server neben E-Mail- und anderen Servern, wofür günstige Standard-Hardware zum Einsatz kam. Bestenfalls in deren Niederlassungen – vor allem aber bei KMU – stand und steht oftmals bis heute herstellerspezifische Hardware, die Verbindungen via IP auf- und abbaut, ähnlich wie es früher Telefonanlagen auf Analognetzen oder ISDN taten. Solche proprietären Anlagen generierten bei deren Erstinstallation attraktive Umsätze, da man den Kunden neben der IP-fähigen Telefonanlage weiterhin teure Systemapparate verkaufen konnte.
Gleichwohl mussten sich die einstigen Anbieter mit klangvollen Namen nach neuen Geschäftsfeldern umsehen oder verschwanden vom Markt. Aastra wurde zu Mitel, Nortel zu Avaya und Siemens zu Unify. Mit Aastra verlor die Schweiz den letzten landeseigenen Entwickler und Anbieter voll IP-fähiger Telefonanlagen. Reine VoIP-Lösungen sind heute mehrheitlich passé, weil sie nur wenige Leistungsmerkmale und kaum Möglichkeiten zur Systemintegration boten. Zwar gibt es Apparate für Videotelefonie, aber Videokonferenz-Tools wie Skype, Teams, Zoom, Webex oder Chime sind funktional weit überlegen und verwenden den ohnehin vorhandenen PC. Professionelle Tools bieten zudem komfortable Möglichkeiten zum File- oder Screensharing – in komplexen Projekten essenziell.
Lokales Netz als Flaschenhals
So war es eine Frage der Zeit, bis die totale Abkehr von proprietärer und entsprechend teurer Hardware erfolgte und Voice zu einer App auf Standard-Servern wurde. Allerdings waren in der letzten Dekade viele KMU-Kunden immer noch auffällig aufs Telefon fokussiert und investierten munter weiter in Telefon-Hardware, nicht zuletzt wegen der Umstellung auf All IP. Leider erfolgte die Umstellung auf IP-Telefonie trotz frühzeitiger Ankündigung der Netzbetreiber bisweilen etwas arg kurzfristig. So wurden die Analyse und Erneuerung der lokalen Netzwerkinfrastruktur wie LANs und WLANs in KMU oft vernachlässigt. Das Transportmedium ist jedoch essenziell, um den Sprachverkehr in Pakete einzupacken und neben dem Datenverkehr schneller übers Netz zu bringen.
Eine zentrale Rolle kommt dabei den «SIP-Trunks» zu. Das Session Initiation Protocol (SIP) initiiert interaktive und multimediale User-Sessions über IP. Ein Trunk ist eine Leitung oder eine Verbindung, die mehrere Signale gleichzeitig transportieren kann, indem sie Kommunikationssysteme miteinander verbindet. Beide Begriffe verschmelzen im SIP-Trunk, der eine IP-fähige Telefonanlage an das Provider Gateway anbindet. Er ersetzt die früheren Telefonleitungen (analog/ISDN) und wickelt alle Anrufe über das IP-Netz des Providers und nicht mehr über das öffentliche Telefonnetz ab. Das Unternehmen kann wie bisher weiterhin weltweit mit Festnetz- und Mobilfunkteilnehmern kommunizieren. Einer der wichtigsten Vorteile von SIP-Trunks ist deren Fähigkeit, Daten, Sprache und Video in einer einzelnen Leitung miteinander zu kombinieren, ohne wie früher separate physische Medien zu nutzen. Das Ergebnis ist eine Reduktion der Gesamtkosten und eine verbesserte Zuverlässigkeit für Multimediadienste über IP.
Im Gegensatz zu vielen Traditionsanbietern hat Microsoft den Ansatz von Voice und Video als einer Anwendung unter vielen seit mehr als 10 Jahren verinnerlicht und pflegt ihn weiter, seit einigen Jahren auch aus der Cloud. Warum teure Software-Lizenzen kaufen, wenn man alles aus einer Hand von einem Anbieter haben kann? Dieser Ansatz degradiert viele Telecom Operators (Telkos) zu reinen Connectivity-Anbietern und bedroht deren Geschäftsmodell. Denn immer schnellere Verbindungen möglichst überall bereitzustellen, kostet viel Geld und verspricht keine großen Margen. Vorwärts gerichtete Unternehmen offerieren zusätzliche Cloud-Angebote und gehen Kooperationen bei Netzinfrastrukturen ein wie kürzlich Salt und Swisscom.
Neue Arbeitsformen dank UCC
Um die Jahrtausendwende waren breitbandige Verbindungen exklusiv und teuer. So stellten insbesondere Banken, Versicherungen und Online-Handelsfirmen ihre Infrastrukturen auf IP-basierte Architekturen um, um Connectivity-Kosten zu sparen. Voice- und Video-Lösungen wurden in bestehende IP-basierte Server-Infrastrukturen integriert. Dies eröffnete neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit.
Großfirmen und KMU, aber auch Organisationen haben sich daher dem Thema Collaboration verschrieben. Denn Unified Communication & Collaboration (UCC) unterstützt die Funktionen moderner Kommunikationslösungen und ergänzt die internen Arbeitsabläufe in idealer Weise. UCC integriert verschiedene Office-Programme und Endgeräte. Telefon- und Videokonferenzen lassen sich unabhängig von Standort und Endgerät durchführen. Auch flexible Arbeitsformen wie Shared Desk, Mobile Office und Home Office werden problemlos möglich, was die Zufriedenheit der Mitarbeitenden und die Attraktivität der Arbeitgeber erhöht. Eine durchgängige IP-Kommunikationsplattform erleichtert somit die kostengünstige und effektive Zusammenarbeit innerhalb einer Organisation wie auch mit externen Partnern.
Migration zu UCC
Betrachtet man den heutigen Status quo von Behörden, Verwaltungen und Kleinbetrieben, so erkennt man, dass UCC noch längst nicht überall angekommen ist. Hier gilt es, eine sanfte Migration anzustreben und zunächst die Vorteile aufzuzeigen, bevor investiert wird. Denn es ergibt keinen Sinn, UCC-Tools nur zum Telefonieren zu verwenden. Potenzielle Effizienzsteigerungen verpuffen bei Vorbehalten gegenüber neuen Technologien und Arbeitsformen. Dass man nun mit einem Headset über das Notebook statt über ein Tischtelefon kommunizieren soll, leuchtet einigen Mitarbeitenden vielleicht nicht sofort ein, insbesondere in traditionellen KMU.
Gerade in den letzten 16 Monaten wurde der volle Nutzen von UCC überdeutlich und hat dem Thema Flügel verliehen. Statt teurer, zeitraubender und umweltschädlicher Reisen tauschen sich Mitarbeitende über Hunderte beziehungsweise Tausende von Kilometern hinweg schriftlich, mündlich oder per Livevideo aus. Dokumente lassen sich anschaulich besprechen sowie schnell und unkompliziert abstimmen, ohne dass jemand seinen (Heim-)Arbeitsplatz verlassen muss. Das erleichtert das gegenseitige Verständnis und treibt gemeinsame Ideen schneller voran. Auch sind Weiterbildungen via Teams, Zoom und andere Tools zum Alltag geworden.
Next step: UCC, ERP & CRM
Ähnlich wie Voice- werden auch UCC-Server sowie die nötigen Endgeräte via LAN und WLAN vernetzt. Zumindest in Großfirmen wird der kommunikative Alltag aber meist durch PCs, Notebooks und Tablets mit UCC-Software geprägt. Diese sind ohnehin vorhanden und werden einfach funktional erweitert. Dazu erlaubt die Kombination von UCC mit Kunden via Customer Relationship Management (CRM) und Lieferanten via Enterprise Resource Planning (ERP) echte Effizienzsprünge. Dies bedingt jedoch eine gründliche Planung, weil die Kombination der Lösungen weitaus tiefer in Software und Systeme eingreift.
ERP umfasst Ressourcen wie Kapital, Personal, Material und Betriebsmittel wie die Informations- und Kommunikationstechnik (ICT). ERP plant und steuert den Einsatz dieser Mittel im Sinne des Unternehmenszwecks rechtzeitig und bedarfsgerecht. Ziel ist ein effizienter betrieblicher Wertschöpfungsprozess und eine stetig optimierte Steuerung der unternehmerischen und betrieblichen Abläufe. Eine der Kernfunktionen von ERP in der Produktion von Waren und Dienstleistungen ist die Planung des Materialbedarfs mit dem Ziel, alle für die Herstellung der Erzeugnisse und Komponenten erforderlichen Materialien zur richtigen Zeit in der richtigen Menge am richtigen Ort bereitzustellen. ERP-Systeme bilden somit die Firmenstruktur genau ab und begleiten die Arbeitsabläufe detailliert. Eine solche Steuerung von Betriebsprozessen gelingt nur mithilfe moderner IT-gestützter Systeme.
Gleiches gilt für CRM, das alle Abläufe eines Unternehmens zu Kunden erfasst. CRM definiert die Zusammenarbeit von Marketing, Verkauf und Service im Detail und regelt die Abläufe und Beziehungen zwischen unternehmensinternen und -externen Organisationseinheiten (z. B. Mitarbeitende, Kunden, Geschäftspartner, Unternehmensbereiche). Eine zentrale Rolle nimmt das Marketing ein. Durch Analyse des Kaufverhaltens (Webshop, Abfragen auf Homepages, Anrufe auf die Hotline etc.) und entsprechendem Einsatz der Marketinginstrumente steigert der Einsatz von CRM im Idealfall die Kundenzufriedenheit, die Kauffrequenz durch Up- und Cross-Selling, die Bindung der Bestandskunden mit maßgeschneiderten Aktionen und die Erschließung neuer Käuferschichten. Werden Kundenbeziehungsprozesse systematisch dokumentiert und verwaltet, können sie gezielt gepflegt und ausgebaut werden. Dies ist besonders für Dienstleistungsunternehmen zentral und beeinflusst den Erfolg maßgeblich.
Der richtige Mix sichert den Unternehmenserfolg
Die ICT-Infrastruktur eines Unternehmens stellt dabei die verbindende Kommunikationsdrehscheibe dar. Deren Einrichtung und die dann folgende Integration von CRM und ERP sind eine Mammutaufgabe und erfolgen schrittweise mithilfe erfahrener, externer Partner. Sind alle Server-Infrastrukturen über die Kommunikationsplattform miteinander verbunden, können alle ERP- und CRM-relevanten Prozesse untereinander logisch verknüpft werden. Ist dies erfolgreich erledigt, verflüssigen sich die unternehmensinternen Abläufe spürbar. Ebenso verbessern sich die genutzte Datenbasis (Kundenbedürfnisse und -anforderungen etc.) sowie die tägliche Kundenbetreuung. Durch die konsequente Integration von UCC, ERP und CRM profitiert die Dienstleistungsbranche in praktisch allen Bereichen. Und die zugegeben hohen Investitionen werden durch einfachere und effizientere Abläufe schnell wettgemacht.
*Rüdiger Sellin ist Diplom-Ingenieur (FH) und arbeitet seit 1992 als Fachjournalist SFJ/MAZ mit den Schwerpunkten ICT und Elektrotechnik.
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