Industrie 4.0: „Digital Ambition“ des CIO entscheidend für den Erfolg

Die digitale Reise in Richtung Industrie 4.0 benötigt mehr als neue Technologie. CIOs spielen eine wichtige Rolle bei der Definition der Vision. [...]

Das Motto 2017 der Hannover Messe „Integrated Industry – Creating Value“ zielt auf die Vernetzung über gesamte Wertschöpfungsketten hinweg ab – über Unternehmensgrenzen, Regionen und sogar Branchen hinweg. Dies entspricht der Industrie 4.0 Plattform-Definition, die auch von Gartner verwendet wird. Gartner sieht Industrie 4.0 auch als Vision für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, die neue Technologien im Einklang mit den Geschäftszielen zielgerichtet einsetzen.
Das digitale Zeitalter hat begonnen und zahlreiche Unternehmen aller Branchen und Größen haben Digitalisierungsinitiativen gestartet und zum Teil bereits organisatorische Veränderungen vorgenommen. IoT-Technologie bietet immer mehr Möglichkeiten, wie die Vernetzung verschiedenster Datenquellen, Echtzeitdatenverarbeitung, Virtualisierung von Produkten und ganzer Fabriken, selbstlernende Systeme, Prognosen und Simulationen sowie intelligente Dinge, die autonom agieren und kommunizieren: „Technik, die begeistert“.
Mehr als neue Technologie
Um die digitale Reise in Richtung Industrie 4.0 zu bestreiten, bedarf es aber nicht nur der Adaption neuer Technologie. Nötig sind vor allem auch kommunikative Fähigkeiten, Kreativität und Offenheit für Veränderung, ja sogar das Streben oder eine Begeisterung für die neuen Möglichkeiten, die sich durch Industrie 4.0 eröffnen – kurz „Digital Ambition“. Dies ist auch die erste Phase des „Digital Business Transformation“-Prozesses von Gartner.
Die erfolgreiche Positionierung von Industrie 4.0-Initiativen in der „Ambition“-Phase stellt die Weichen für die zielgerichtete Durchführung der Phasen des nachfolgenden Kreislaufs: Design – Delivery – Scale – Refine. Dieser wird durch externe Einflüsse wie Marktveränderungen, Technologietrends und sozioökonomische Effekte immer wieder neue Anforderungen erfahren. So kann jederzeit wieder ein Einstieg in die Ambition-Phase oder – je nach Art des Einflusses – der direkte Einstieg in andere Phasen erforderlich werden.
CIOs gehen den ersten Schritt
Der moderne und proaktive CIO nimmt mehr und mehr die koordinierende Rolle zwischen Fachbereich und IT wahr, da er die Auswirkung neuer Technologie auf das eigene Unternehmen am besten einschätzen kann. Laut einer Gartner-Umfrage von Juni/Juli 2016, bei der mehr als 2.500 Vertreter aus Unternehmen aller Branchen mit mehr als 250 Mitarbeitern in 6 Ländern (USA, Deutschland, Großbritannien, China, Indien, Japan) befragt wurden, ist der CIO bereits in der Strategiephase von IoT-Initiativen noch vor dem CEO mit 38 Prozent in der koordinierenden Rolle.
In der Implementierungsphase liegt er mit 44 Prozent deutlich (um 9 Prozent) vor dem CTO und auch im operativen Betrieb liegt er noch mit 30 Prozent vor CTO und COO. Damit ist der CIO prädestiniert den ersten Schritt zu gehen: Er kann mit Hilfe von Fachbereichsvertretern eine Vision für die Digitalisierung definieren und diese mit den Sponsoren (zumeist CEO und/oder CFO) abzustimmen, beispielsweise in Form eines frühen Workshops zur Digital Ambition. Diese Vision oder auch „Value Proposition“ sollte folgende Aspekte behandeln:
  • Nutzenpotenziale, insbesondere mit Blick auf Kundennähe, höchste Produktqualität und operative Exzellenz – bestmöglich unterstützt durch effiziente Nutzung neuester Technologie sowie insbesondere durch interaktive Workshops mit IT- und Fachbereichsvertretern
  • Digitale Prinzipien wie Wachstum durch neue Geschäftsmodelle, Verbesserung der Kommunikation und Zusammenarbeit, Einsatz von konkreten IoT-Technologien (beispielsweise Advanced Analytics, 3D-Printing, AR/VR (Augmented/Virtual Reality), Robotik etc.
  • Kennzahlen, die sich an die Unternehmensstrategie anlehnen, um den Nutzen transparent und messbar machen zu können und den Fortschritt zu steuern
  • Erste Ideen für Szenarien und eine grobe Roadmap
Taskforce für die digitale Transformation
Werden die Sponsoren überzeugt und sind bereit, Budget und Ressourcen bereitzustellen, sollte der CIO eine Taskforce aus Fachbereichs- und IT-Vertretern aufbauen, mit denen er die nachfolgenden Phasen gemeinsam durchläuft. Bereits jetzt sollte auch festgelegt werden, in welchem Umfang externe Unterstützung notwendig ist.
Laut einer Prognose von Gartner benötigen 70 Prozent aller Unternehmen externe Unterstützung bei der digitalen Transformation. Damit ist der CIO in der Lage, die nachstehenden Phasen des Industrie-4.0-Kreislaufs einzuleiten. CIO und Taskforce definieren und unterstützen Use Cases und priorisieren diese.
Kriterien dafür sind zum Beispiel der Wertbeitrag zu den zuvor definierten und abgestimmten Nutzenpotenzialen, aber auch der technische Reifegrad und die Komplexität der Umsetzung, die sich aus verschiedensten Rahmenbedingungen wie Technologie, existierende IT/OT-Infrastruktur, Kultur, Knowhow, Compliance etc. ergibt.
Aufbau fachlicher Kompetenzen
Neben den für erfolgreiche Digitalisierungsinitiativen erforderlichen sozialen Kompetenzen müssen in kürzester Zeit auch fachliche Kompetenzen aufgebaut werden. Diese können durch das Lernen von anderen Unternehmen und insbesondere durch frühzeitiges Erleben von Industrie-4.0-Anwendungsfällen deutlich schneller erlangt werden.
Hierzu bietet die Hannover Messe, auf der laut Eigenbeschreibung mehr als 500 bahnbrechende Industrie-4.0-Lösungen präsentiert werden, eine gute Gelegenheit. Weitere Möglichkeiten ergeben sich durch die Zusammenarbeit mit Konsortien wie der Plattform Industrie 4.0 sowie durch veröffentlichte Use Cases. CIOs und andere Vertreter des Unternehmens sollten dabei jedoch immer beachten, dass sie neben der Inspiration durch neue IoT-Technologien und mögliche IoT-Anwendungsfälle den Bezug zum eigenen Unternehmen und zu den zuvor gesetzten Zielen nicht aus den Augen verlieren.
Neben dem Aufbau von Prototypen basierend auf bereits existierenden Standardlösungen (Modus 1 der bimodalen IT) oder durch explorative, agile Entwicklung neuer Lösungen (Modus 2) ist in der Design-Phase auch die Konzeption flexibler Architekturen erforderlich. Diese müssen nicht nur in die existierende Infrastruktur integrierbar sein, sondern auch die zukünftige Vernetzung in IoT-Plattformen von Kunden, Lieferanten und Partnern ermöglichen. Dabei können Standards und IoT-Referenzarchitekturen, die durch IoT-Konsortien kontinuierlich weiterentwickelt werden, unterstützen.
Durch die frühzeitige Adaption von Standards und Referenzarchitekturen auf die eigene gewachsene IT/OT-Infrastruktur wird Transparenz über die Auswirkungen von Industrie 4.0 und der unterstützenden Technologie (IoT) geschaffen – wenn auch der Reifegrad der Standards noch ein gewisses Maß an Eigeninitiative verlangt, um sie auf die eigenen Unternehmensabläufe zu beziehen.
Trotz des damit verbundenen Aufwandes entsteht so eine Kommunikationsplattform für alle Beteiligten – eine der Kernvoraussetzungen für die Delivery-Phase, in der die Lösung mit dem erforderlichen Funktionsumfang implementiert wird und die Voraussetzungen für alle nachgelagerten Phasen (Scale, Operation/Refine) geschaffen werden.

* Alexander Höppe ist Analyst bei Gartner. Sein Schwerpunkt liegt auf Technologien und geschäftlichen Strategien rund um das Internet der Dinge (IoT) sowie Industrie 4.0.


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