Industry Cloud: Branchenspezifische Clouds „out-of-the-box“

Industry Clouds versprechen einen Digitalisierungsschub für Unternehmen mit speziellen Anforderungen. Lesen Sie, was dahinter steckt. [...]

Ähnlich einer CPU, auf die unterschiedliche Programme und Systeme Zugriff haben, erlaubt eine Industry Cloud weitreichende Zugriffe entlang einer Wertschöpfungskette (c) pixabay.com

Daten und ihre Analyse in Echtzeit haben spannende Möglichkeiten geschaffen, Prozesse zu optimieren, Kundenwissen zu generieren und das eigene Lösungsangebot besser auf den Bedarf im Markt hin anzupassen. Mit dem deutlich erhöhten Innovationstempo verändern sich jedoch auch die Anforderungen an die IT-Infrastrukturen. Gleichzeitig erfordern Branchenspezifika differenzierte Ansätze. Last but not least entwickeln sich Innovationen aus konkreten Business Cases heraus; Fachbereiche sollten demnach in der Lage sein, entsprechende Lösungen für die Umsetzung auch ohne IT-Support nutzen zu können.

Unternehmen brauchen demnach IT-Systeme, die hochflexibel und nutzerfreundlich sind, Rechts- und Datenschutzkonformität gewährleisten und anschlussfähig sind an wichtige Branchensysteme wie Kernbanklösungen, aber auch an Plattformen und Ökosysteme. Aus diesem Anforderungsmix sind die Industry Clouds entstanden – für Experten das „next big thing“ in der Cloud-Industrie. Darunter versteht man eine Kombination aus branchenspezifischen Produkten in der Cloud und branchenspezifischen Ökosystemen, deren APIs, Datenmodelle und Workflows auf die speziellen Anforderungen abgestimmt sind.

Da Industry Clouds wichtige branchenspezifische Anforderungen berücksichtigen, eröffnen sie vor allem stark regulierten Branchen die Möglichkeit, die Potenziale der Cloud stärker auszuschöpfen. Ein Beispiel: Anbieter im Gesundheitswesen sind zunehmend dabei, die Patientenerfahrung zu optimieren. Gleichzeitig benötigen sie auch ein hohes Maß an Sicherheit, Datenschutz und Privatsphäre. Für diese Kombination an Anforderungen reichen allgemeine Cloud-Lösungen oft nicht aus. So haben Industry Clouds das Potenzial, die Cloud-Nutzung und damit digitale Innovationen massiv zu treiben – auf unterschiedlichen Ebenen, und in praktisch allen Branchen.

Industry Clouds: Platzhirsche

Die Umsetzung dieses Trends hat gerade erst begonnen – aber die großen Platzhirsche sind alle schon gerüstet. Alle großen Cloud-Anbieter wie Amazon, Microsoft, Google, IBM oder Oracle haben bereits ein breites Portfolio an branchenspezifischen Cloud-Lösungen entwickelt. Microsoft’s CEO Satya Nadella bekräftigte Ende Februar 2021, dass sein Unternehmen nun einen „Industry-first-Fokus“ habe. Und SAP hat – nach dem offiziellen Launch seiner Industry Cloud bei der SAPPHIRE NOW Reimagined – inzwischen ein so genanntes „Industry Network“ gelauncht, das allen Stakeholdern entlang von Branchen-Wertschöpfungsketten offene Daten-Ökosysteme zur Verfügung stellen soll.

Die Vorteile für die Mitspieler der jeweiligen Ökosysteme sind beispielsweise:

  • Effizientere Prozesse (beispielsweise Supply Chains), Bedarfe lassen sich exakter prognostizieren und Aktivitäten gezielter darauf abstimmen;
  • Eine verbesserte Kundenzufriedenheit;
  • Eine engere Zusammenarbeit auf Basis der gleichen Daten hat das Potenzial, weit bessere Ergebnisse zu erzielen als unternehmerische Alleingänge – die Einhaltung gewisser Regeln der Zusammenarbeit allerdings vorausgesetzt.

Gut positioniert für den Industry-Cloud-Boom sind aber durchaus auch regionale spezialisierte Player, die schon lange einen Branchenfokus verfolgen, dadurch über viel Fachexpertise verfügen, und die wichtige branchenspezifische Prozesse „out-of-the-box“ in ihre Lösungen implementiert haben. Sie können besonders für Unternehmen aus regulierten Branchen ein natürlicher Partner sein. Typische Beispiele dafür sind die Versicherungs- und Gesundheitsbranche, deren Regulierungen regional erhebliche Unterschiede aufweisen können.

Industry Cloud aufbauen: Beispiele

Ganz konkret könnte eine Industry Cloud für die Entwicklung digitaler Kundenbeziehungen folgendermaßen aussehen:

  • Ein CRM-System sorgt für die 360°-Sicht auf die Daten;
  • Die CX-Lösung bietet eine datengestützte, automatisierte Customer Experience;
  • Standardkonnektoren gewährleisten eine leichte Anschlussfähigkeit an branchenübliche Plattformen wie beispielsweise Kernsysteme von Banken, aber auch an die Systeme externer Anbieter für ergänzende Services.
Beispiel: Industry Cloud für den Versicherungssektor (c) BSI Business Systems Integration AG

Branchenübliche Vorlagen und Prozesse sind vorkonfiguriert und laufen automatisch ab: Im Handel wäre das beispielsweise der Retourenprozess, im Banking- oder Insurance-Bereich das klassische Onboarding. Im Versicherungssektor wiederum könnten Lösungen für die PSD2-Richtlinie oder den digitalen Vertrieb dazukommen. Prozesse, die auf Branchen-Regularien basieren, sind im System vorkonfiguriert und gewährleisten eine rechts- und datenschutzkonforme Kommunikation. Darüber hinaus sind die Möglichkeiten zur Integration weiterer „Out-of-the-box“-Services fast unbegrenzt. Naheliegende Beispiele wären Newsletter- und Umfrage-Tools oder Muster für konkrete Customer Journeys.

So erhalten Unternehmen Lösungspakete, die Prozesse effizienter gestalten, Rechtssicherheit bieten, das Kundenerlebnis optimieren und Innovationen fördern. Die kulturellen Herausforderungen des digitalen Wandels haben wir damit noch nicht gelöst – aber technologisch steht die Tür zu neuen Brancheninnovationen via Industry Clouds bereits heute offen.

*Markus Brunold ist CEO des Software-Herstellers BSI. Er brennt für die Themen Business Innovation, Customer Experience Management und Technologie-Trends. Kundennähe ist seine oberste Prämisse für sein unternehmerisches Handeln.


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