Ruth Breu ist seit 2013 Leiterin des Instituts für Informatik an der Universität Innsbruck und seit 2002 als Professorin am Institut tätig, das sie mitaufbaute. [...]
Seit Anfang Juli ist die erfahrene Informatik-Forscherin auch wissenschaftliche Leiterin des Neuen Digital Innovation Hub West. Die COMPUTERWELT hat mit Ruth Breu gesprochen.
Was ist der Digital Innovation Hub West (DIH-West), was soll damit bewirkt werden?
Der neue DIH-West ist ein Kompetenznetzwerk und soll KMU aus Tirol, Salzburg und Vorarlberg den Zugang zu Know-how von Forschungseinrichtungen erleichtern. Es geht mir um ein breites Angebot für alle Unternehmen. Zugleich wollen wir auch mit ganz spezifischen Themen auf innovative Unternehmen zugehen. 15 Experten sind im DIH-West dazu in der Lage, Gebiete wie Data Science, IT-Security oder Künstliche Intelligenz (KI) abzudecken.
Wie hat sich das Institut für Informatik in Innsbruck in den letzten Jahren entwickelt?
Am Institut für Informatik sind wir im Moment rund 120 Mitarbeiter, organisiert in neun Forschungsgruppen. Ab Jänner 2021 werden es elf Gruppen sein. Wir konnten jetzt noch zwei Professuren, für Technische Informatik und für Data Science, neu besetzen, insgesamt gibt es dann 22 Professuren. Das heißt wir sind stark am Wachsen, und das ist auch notwendig, weil es uns mit den Studierenden Zahlen extrem gut geht. Im aktuellen Studienjahr haben wir beim Bachelor Studium Informatik eine Steigerung auf 270 Studenten gehabt, im Vorjahr waren es noch 160. Außerdem geht die Universität Innsbruck neben der Bachelor, Master und PhD Ausbildung jetzt noch stärker in die Modularisierung. Wir haben da zwei neue Angebote aufgebaut: Ein Erweiterungsstudium Informatik, das ist ein Drittel des Bachelors, das man zusätzlich zu einem anderen Fach wie BWL oder Physik studiert – damit die Studierenden interdisziplinäre Fähigkeiten aufbauen. Das hat total eingeschlagen, da sind wir gleich vom Fleck weg mit 100 Studierenden gestartet. Zweitens bieten wir eine Grundausbildung Digital Science, das zielt darauf ab, dass man sich anwendungsorientiert in seinem eigenen Fach mit Daten-Analyse und Datenbanken helfen kann. Auch das ist extrem gut angekommen. Da hatten wir jetzt im ersten Jahr 300 Studierende, die diese Kurse besuchen.
Wieso sind diese neuen Angebote so gut aufgenommen worden?
Es wird geschätzt, dass man das auch nebenbei machen kann. Wir haben es auch so konstruiert, dass die Studierenden des Erweiterungsstudiums Informatik ohne Verlust auch ins Informatik-Bachelor Studium wechseln können. Das Schöne daran ist auch, dass wir bei diesen neuen Angeboten viele Frauen haben. Bei Digital Science sind es rund 30 Prozent. Beim klassischen Informatik-Studium haben wir leider immer nur einen Frauenanteil von zehn bis 15 Prozent.
Welche Schwerpunkte werden im Informatikstudium angeboten? Und wie machen Sie Werbung, damit sich Maturanten für ein Informatik-Studium entscheiden?
Wir haben heuer ein neues Curriculum für den Bachelor geschaffen. Ab Herbst 2021 ist zusätzlich zum Master in Informatik ein neues Master-Studienangebot in Software Engineering in Vorbereitung. Stichwort neue Studierende: Wir sind davon abgewichen, in die Schulen zu gehen, wo es vielleicht dann ein, zwei Interessierte pro Schulklasse gibt. Wir machen Informatik-Lehrer-Weiterbildung und wollen Interessierte etwa mit einem VWA-Impulstag abholen, wir unterstützen Schulklassen, am Robocup teilzunehmen und nutzen die FFG Talente-Praktika – aber letztendlich ist ein qualitativ guter Informatik-Unterricht in der Schule durch nichts zu ersetzen.
Wie sollte denn Ihrer Ansicht nach ein Informatik Unterricht in der Schule aussehen, haben Sie da Wünsche?
Das Fernziel wäre es, dass Informatik auch an den AHS durchgängig ein Pflichtfach ist. Oder zumindest in der Breite der Schulen eine gute Qualität des Unterrichts geboten wird. Bei Mathematik kann man auf Matura-Niveau aufsetzen, aber bei Informatik müssen wir an der Uni bei Null beginnen, da können wir nichts voraussetzen. Da mangelt es auch an der Lehrer-Ausbildung.
Wenn Sie die letzten zehn Jahren zurückschauen, was hat sich denn da für Sie in der Informatik an der Uni Innsbruck verändert?
Die Enabler Rolle der Informatik ist enorm, wir hatten davor harte Jahre. Wir waren an der Uni Innsbruck die Jüngsten und mussten uns erst einmal etablieren. Jetzt sind wir anerkannt, können wachsen und haben tolle Kooperationsmöglichkeiten. Mit dem neuen Digital Innovation Hub West soll jetzt auch die Kooperation mit KMUs verstärkt werden, das Projekt läuft bis 2023.
Jetzt gibt es die renommierten Informatik Universitäten, TU Wien, JKU in Linz oder auch Hagenberg, wie kann sich da Innsbruck erfolgreich positionieren?
Ja das ist extrem, wir sind ja umgeben von großer Konkurrenz, auch ETH Zürich oder Uni Trento. Aber da haben wir keine Probleme, wir sind äußerst erfolgreich, bei Drittmittel-Einwerbungen, bei Studierenden sowie bei der Gewinnung neuer Mitarbeiter.
Was beschäftigt Sie persönlich gerade in Ihrer Forschungstätigkeit?
Ich komme aus dem Software Engineering, im speziellen geht es mir um die Modellierung von IT Assets im Kontext der Enterprise IT. Die Forschung haben wir zuerst im Laura-Bassi-Zentrum mit Infineon vorangetrieben. 2017 haben wir das Spin-off Txture gegründet, gleichzeitig ein FFG-Research Studio Austria bekommen und zusätzlich ein FWF-Projekt gewonnen, um die technischen Grundlagen zu schaffen. 2019 hat Txture zusammen mit der Universität Innsbruck den Österreichischen Gründerpreis Phönix in der Kategorie Spin-Offs gewonnen und operiert jetzt weltweit, darauf bin ich sehr stolz. Das Unternehmen hat sich auf die Unterstützung von Cloud-Transformation spezialisiert. In der Forschung will ich jetzt das Thema Digital Twin Infrastrukturen weiter vorantreiben. Wir sind, vor allem was Publikationen angeht, sehr stark in der Enterprise Architecture Management Community drinnen. Weitere Forschungsgruppen am Institut haben wir beispielsweise zu den Themen Security und Privacy, ML/Robotics, High Performance Computing, Computergrafik/Simulationen, Datenbanken und Logik – das ist auch für die Studierenden extrem attraktiv.
Wie hat Sie die Corona Krise erwischt und wie erwarten Sie, dass es im Herbst weitergeht?
Es war enorm viel Arbeit. Wir sind ja wie alle von einem Tag auf den anderen zu Hause gesessen und mussten uns umstellen. Aber es ist geglückt. Wir haben ja gerade Klausuren korrigiert und ich habe den Eindruck, das Lernniveau ist dadurch sogar noch höher geworden. Die Leistungen sind super. Wir haben auch eine große Bandbreite an Veranstaltungen, von großen Vorlesungen bis zum kleinen Seminar, da muss man differenzieren und schauen, wie man es Corona-gerecht hinbringt. Wir stellen uns jedenfalls darauf ein, dass der Betrieb hybrid weitergeht. Keiner von uns erwartet, dass es im Herbst ganz normal weiterläuft.
Sie finden das Interview mit Ruth Breu gekürzt auch in der aktuellen Printausgabe, Computerwelt 12.
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