Knapp 35 Milliarden Dollar für Infrastructure-as-a-Service im Jahr 2017: Die weltweite Nachfrage nach IaaS und Plattformdiensten ist ungebrochen. Angetrieben durch die Digitalisierung der Unternehmen, werden die Ausgaben auch in den kommenden Jahren weiter stark steigen. [...]
Mit rund 12 Milliarden Dollar Umsatz war AWS 2016 klarer Marktführer bei Infrastructure as a Service (IaaS) und steht für einen Marktanteil von 51 Prozent. Microsoft Azure, Google Cloud Platform und IBM Bluemix kamen gemeinsam auf 5,2 Milliarden Dollar Umsatz mit IaaS- und PaaS-Diensten und somit auf einen Marktanteil von insgesamt 22 Prozent. 2017 werden die drei Hauptkonkurrenten AWS deutlich stärker zusetzen und Marktanteile gewinnen. So wachsen insbesondere Google Cloud Platform und Microsoft Azure in 2017 deutlich stärker als Marktführer AWS, dessen Marktanteil 2017 erstmals unter die 50-Prozentmarke fallen wird (48 Prozent).
So hat Microsoft nicht nur die eigene Plattform und die Anzahl der Availability Zones stark ausgebaut. Das große Partner- und Ökosystem sowie die immer schnellere Adoption durch die Enterprise-IT wirken sich zugunsten von Microsoft aus. Hinzu kommen die neuen Machine Learning- und Plattform-Services, die für viele Anwender attraktiv sind.
Auch Google legt 2017 weiter deutlich zu und wächst voraussichtlich mit über 120 Prozent auf globaler Ebene. Dazu tragen vor allem einzelne Mega-Deals, wie der mit Snap bei, die pro Jahr für 400 Millionen Dollar Rechenleistung und Infrastruktur-Services bei Google einkaufen. Allerdings hat es Google weiterhin schwer, seine Cloud-Plattform als Enterprise-Grade IT-Plattform zu verkaufen. CIOs und IT-Manager in etablierten Unternehmen sind zumindest in Europa und der DACH-Region weiterhin vorsichtig. Hier muss Google mehr tun, um das Vertrauen der Kunden zu gewinnen. Die Technologie, als auch das Pricing, sind reif und absolut wettbewerbsfähig.
Snap schließt Vertrag mit Google ab
Das IPO-Filing des Internet-Startups Snap brachte Interessantes zum Cloud-Markt zutage. So verpflichtet sich Snap in den kommenden Jahren mindestens für 400 Millionen Dollar IaaS- und PaaS-Dienste bei Google Cloud Platform zu beziehen: „We have committed to spend 2 billion dollar with Google Cloud over the next five years and have built our software and computer systems to use computing, storage capabilities, bandwidth, and other services provided by Google, some of which do not have an alternative in the market.“
Die zeigt einerseits, dass erfolgreiche Internetfirmen immer noch zu den wichtigsten Cloud-Kunden der großen IaaS-Companies zählen. Aber auch, dass der Wettbewerb um die zahlungskräftigen und infrastrukturhungrigen Internetfirmen immens ist. Je nach Ausgang der Deals kann sich die Markt- und Wettbewerbslage sehr schnell ändern. So hat Dropbox kürzlich nicht nur die 1-Milliarde-Umsatzgrenze überschritten, sondern sich auch dahingehend geäußert, dass man Teile der eigenen Storage-Infrastruktur von AWS abzieht. Dies veranschaulicht, dass neben dem Weg in die Enterprise-IT und die Digitalisierungsabteilungen der Konzerne, das „Big Deal“-Management im Umfeld der Internetfirmen weiterhin einer der strategisch elementaren Managementaufgaben für die Cloud-Provider ist. Der Snap-Google-Deal zeigt zudem auf, wie real die Risiken eines „Vendor Lockins“ sind.
Machine Learning, IoT und Industry Clouds als zentrale Wachstumstreiber
Traditionelle Industrie- und Technologiekonzerne arbeiten derzeit mit Hochdruck daran, ihre Organisationen und Geschäftsmodelle fit für das digitale Zeitalter zu machen. Der Fokus richtet sich hierbei vor allem auf die Themen IoT bzw. Industrial Internet (Industrie 4.0) und die neuen datenbasierten Services und Geschäftsmodelle rund um Smart Cities, Connected Buildings, Predictive Maintenance und autonomer Verkehr. Und das aus einem guten Grund. Schließlich birgt die Vernetzung und Automatisierung von Fertigungsanlagen, Infrastrukturen, Verkehrssystemen und Logistikketten enorme Effizienzsteigerungen und Flexibilisierungsmöglichkeiten.
Im Rahmen dieser Transformationen zeigt sich ein deutlicher Trend hin zu mehr Industrie- beziehungsweise branchenfokussierten Cloud-Umgebungen und Plattformen. GE gilt hier mit seiner Predix PaaS-basierten IoT-Platform als Vorreiter im Markt. Aber auch andere Industriegrößen wie Bosch, das 2017 seine Bosch IoT-Cloud offiziell veröffentlichen wird, zeigen in welche Richtung sich der Cloud- und IoT-Markt bewegen wird. Die Industry Clouds der globalen Industriekonzerne bergen ein enormes Potenzial, da GE, Bosch, Siemens, Continental, ABB, ZF & Co. in weit verzweigte und langjährig etablierte Partner- und Lieferantennetzwerken eingebettet sind.
Die für das digitale Geschäft so wichtigen Ökosysteme sind schon existent und müssen nur richtig aktiviert und entwickelt werden. Denn derzeit befinden sich viele der mittelständischen Zulieferer und Partner noch im digitalen Dornröschenschlaf. „Industry Clouds“ werden zukünftig neben den horizontalen bzw. generischen Cloud-Plattformen von AWS, Microsoft, Google & Co. eine wichtige Säule der IoT-Lösungen und Prozesse sein und als „Data Hub“ agieren, auf denen branchenspezifische Datenbestände aggregiert, gemeinsam genutzt und kommerzialisiert werden. Vertrauen, branchenbezogene Standards und Sicherheit spielen hier eine gleichwertige Rolle neben Skalierbarkeit und Innovationsgeschwindigkeit.
Industrieunternehmen auf dem Weg zum Software-Konzern:
- Neue Kooperationen und Partnerbeziehungen: Industrieunternehmen als Partner der Cloud- und Softwareanbieter (GE – CloudFoundry & Azure) und der IT-Dienstleister (IoT-Projekte).
- Industrieunternehmen und IoT-Player erzeugen den nächsten Nachfrageschub für Public Cloud IaaS/PaaS.
- Industrieunternehmen werden zur Konkurrenz zu SAP, IBM & Co im Umfeld von IoT, Analytics und Cloud (Beispiel Bosch IoT Suite und Bosch IoT Cloud).
- Industrieunternehmen heizen den „War for Talents“ weiter an (Cloud, Machine Learning, IoT, Analytics).
- Zentrale Herausforderungen: Unternehmenskultur, Wertschöpfungstiefe (Rechenzentrum, Software-Stack), Talent Management, Ökosysteme und Standards.
- Neue Player im IaaS-Markt: Alibaba und Huawei – was ist mit Bosch und Facebook?
Auch wenn in den letzten zwei Jahren schon einige IT-Schwergewichte die Waffen gestreckt und sich aus dem IaaS-/PaaS-Markt wieder zurückgezogen haben und nun ihre Wunden lecken (VMware vCloudAir, HP Helion etc.), intensivieren andere Technologiekonzerne ihre Anstrengungen beim Go-to-Market. So investieren gerade die asiatischen Big Player Alibaba und Huawei ihre Bemühungen, AWS, Microsoft, Google & Co. auch weltweit Paroli zu bieten. So bieten beide Provider mittlerweile auch in Deutschland über Partner (Huawei via Deutsche Telekom und Alibaba via Vodafone) eigene Cloud-Standorte und skalierungsfähige Infrastrukturen an. Betrachtet man die strategische Ausrichtung und Investitionen, kann man davon ausgehen, dass für beide gilt: Wir sind gekommen, um zu bleiben. Allein das Wachstum und die Marktposition in den Heimatmärkten verleihen den doch sehr unterschiedlichen Cloud-Playern ein starkes Gewicht und einen langen Atem, der im Wettbewerb gegen die US-Top 4 gebraucht wird.
Spannend bleibt der IaaS-/PaaS-Markt auch, weil noch nicht ganz klar ist, welche weiteren Player sich demnächst auf das Parkett trauen. Bosch hat dies für seine auf IoT-fokussierte „Bosch IoT Cloud“ ja bereits für 2017 angekündigt. Ob und wann Facebook sich in den Infrastruktur-Markt vorwagt, bleibt abzuwarten. Unrealistisch erscheint dies nicht. Denn Facebook verfügt nicht nur über die globale Skalierungsfähigkeit, eigene Rechenzentrumsstandorte sowie exzellentes Personal für die Cloud-Operations, sondern treibt seit Jahren über das Open Compute Project die Entwicklung neuer Rechenzentrum- und Infrastruktur-Blueprints voran. So hat Facebook eine ganze Reihe an Routern, Switches und Servern entwickelt, die sich als Basis für einen hocheffizienten Cloud-Betrieb gut eignen.
„Watch out, liebe CIOs“, kann man da nur sagen. Man sollte zudem den Machtinstinkt von Mark Zuckerberg und seiner Truppe nicht unterschätzen. Würde Facebook es schaffen, bis 2020 rund zehn Prozent Marktanteil im IaaS-/PaaS-Business zu erobern, entspräche dies einem Umsatzvolumen von rund acht Milliarden Dollar, was bei einem heutigen Gesamtumsatz von 12 Milliarden Dollar ein substanzieller Wachstumsschub wäre.
* Carlo Velten ist CEO des IT-Research- und Beratungsunternehmens Crisp Research AG.
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